Rauchende Schornsteine vor rotem Abendhimmel.
Rauchender Schornstein im Ruhrgebiet. (Foto: Jürgen PM/Pixabay)

Italien hat es bereits 2016 getan. Polen, Spanien, die Niederlande und Frankreich haben es in den letzten Wochen angekündigt. Nun will auch Deutschland aus dem Energiecharta-Vertrag aussteigen. Das haben die Fraktionen der Ampel-Regierung am Freitag beschlossen.

Der Schritt ist überfällig. Der aus den 1990er Jahren stammende Vertrag – englisch kurz ECT für Energy Charter Treaty – gilt völlig zu Recht als Anti-Klima-Abkommen. Er sichert Energiekonzernen außerordentliche Privilegien zu, die in krassem Widerspruch zu den Vereinbarungen des Paris-Abkommens stehen.

In dem Weltklimaabkommen verpflichten sich die Staaten, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen, am besten auf 1,5 Grad. Gelingen kann das nur, wie der Weltklimarat IPCC in seinen Berichten unterstreicht, mit einem möglichst raschen Ausstieg aus Kohle, Öl und Erdgas als Hauptverursacher der Klimakrise.

Um diesen Ausstieg zu organisieren, müssen fossile Energien unattraktiver und teurer gemacht werden. Das ist die Grundidee bei der CO2-Bepreisung, etwa im EU-Emissionshandel, der 2005 eingeführt wurde.

Doch der Energiecharta-Vertrag bewirkt das Gegenteil. Durch ihn bleibt das fossile Geschäft weiterhin hoch lukrativ. Der notwendige Ausstieg wird stark erschwert und mit unkalkulierbaren Kosten belastet.

Der Vertrag erlaubt es Energieunternehmen, Staaten auf Milliarden-Entschädigungen zu verklagen, wenn diese neue Klimaschutzmaßnahmen beschließen. Dabei können die Firmen nicht nur für die Kosten Schadenersatz fordern, die ihnen bereits entstanden sind. Einklagen können sie auch die künftig erwarteten Gewinne, die ihnen nach eigenen Berechnungen entgehen.

Wie hoch das Klagepotenzial in Europa ist, hat der Journalistenverbund "Investigate Europe" letztes Jahr ausgerechnet. 344 Milliarden Euro beträgt demnach der Wert der Öl- und Gasfelder, der Kohlekraftwerke und Kohleminen sowie der Gaskraftwerke, Pipelines und Flüssigerdgas-Terminals in der EU, Großbritannien und der Schweiz, die durch den Energiecharta-Vertrag geschützt werden. Dabei sind die entgangenen künftigen Gewinne noch nicht eingerechnet.

Rechtlich fragwürdig

Privilegiert werden die Unternehmen auch dadurch, dass die Klagen vor internationalen Schiedsgerichten verhandelt werden, eine Art private Paralleljustiz ohne jede Transparenz. Die Verfahren werden vertraulich geführt, die Öffentlichkeit erfährt oft gar nicht, was mit ihren Steuergeldern geschieht.

Und: Laut der Recherche von "Investigate Europe" ist an den Schiedsgerichten ein kleiner Zirkel von Anwält:innen tätig, "die mitunter in den Verfahren mal als Schiedsrichter und mal als Anwalt fossiler Konzerne arbeiten". Zudem sollen Mitarbeitende in der Verwaltung des Energiecharta-Vertrages enge Verbindungen zu fossilen Konzernen pflegen.

Wenig überraschend gehen die meisten Verfahren denn auch zugunsten der Unternehmen aus, wie eine Studie des kanadischen Thinktanks International Institute for Sustainable Development (IISD) kürzlich ergab.

Solange fossilen Geschäften derart weitreichende Vorteile eingeräumt werden, kann es mit dem Klimaschutz bestenfalls im Schneckentempo vorangehen. Die umfassende Absicherung, die der ECT dieser Art von wirtschaftlicher Tätigkeit garantiert, setzt einen massiven Anreiz, die Ausbeutung fossiler Brennstoffe fortzuführen – weil damit so einfach und quasi risikolos Geld zu verdienen ist.

Schon vor 30 Jahren, als der Energiecharta-Vertrag entstand, war diese überproportionale Privilegierung für Geschäfte mit Kohle, Öl und Erdgas fragwürdig. In Zeiten der Klimakrise ist sie unverantwortlich.

Das Verursacherprinzip gebietet es, die fossilen Energieunternehmen für die exorbitanten Kosten heranzuziehen, die durch ihr Geschäftsmodell entstehen, statt sie durch Investitionsschutz-Verträge wie den ECT noch weiter zu fördern.

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