Luftaufnahme vom Tagebau Hambach im Rheinischen Braunkohlerevier, gleich daneben ein Windpark.
Nach dem Ende der Kohle kommen die Erneuerbaren alleine klar, sagt Olaf Scholz. (Foto: Alice Didszoleit/​Shutterstock)

Nach mehreren namentlichen Abstimmungen stand es heute um die Mittagszeit fest: Vier entscheidende Gesetze zur Energiewende – eines zum beschleunigten Ausbau, eines für Windkraft auf See, eines für Wind an Land und eines zu Änderungen am Naturschutzrecht – sind vom Bundestag mit zum Teil deutlichen Mehrheiten verabschiedet worden.

Während die Regierungsfraktionen durchweg für die Gesetzentwürfe stimmten, verhielten sich die Oppositionsfraktionen durchaus unterschiedlich. So gab die Union dem Wind-auf-See-Gesetz ihre Zustimmung, während die Linke hier mit Nein stimmte. Beim Wind-an-Land-Gesetz stimmten CDU und CSU dagegen, während die Linke sich enthielt.

Auch wenn der Bundestag heute das größte Ökoenergie-Paket seit der Etablierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) im Jahr 2000 beschlossen hat, blickt die Branche weiter mit gemischten Gefühlen auf das sogenannte "Osterpaket".

Das Gesetzeswerk enthalte "viel Gutes" und eröffne die Tür zur Klimaneutralität, lobte Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbandes Erneuerbaren Energie (BEE), am Mittwochabend in Berlin auf dem Jahrestreffen des Verbandes. Noch sei die Tür aber "nur einen Spaltbreit" offen, schränkte Peter ein. Auch sehe man den angekündigten Booster bei Wind und Solarenergie noch nicht.

Der Biogasbranche gebe das Gesetzespaket keine Ausbaumöglichkeiten außerhalb der Spitzenlast und auch keine Chance, Biogas direkt einzusetzen, um russisches Erdgas verzichtbar zu machen, bemängelte Peter. Das treffe die Branche hart. In Deutschland könnten derzeit aufgrund der bereits in Silos gebunkerten Biomasse relativ schnell fünf Prozent des russischen Erdgases durch Biogas ersetzt werden.

Die BEE-Präsidentin kritisierte auch, dass das Ziel eines klimaneutralen Stromsystems im Jahr 2035 aus dem Gesetz gestrichen wurde und die Förderung der erneuerbaren Energien mit Vollendung des Kohleausstiegs auslaufen soll. "Das ist ein fatales Signal an die Branche", sagte Peter. Die Frage, ab wann Erneuerbare nicht mehr gefördert werden sollen, könne in der geplanten Debatte um ein klimaneutrales Stromsystem behandelt werden, gehöre aber nicht in einen Gesetzestext.

In der Debatte über steigende Energiepreise wies Simone Peter auf aktuelle Zahlen der Energy‑Charts des Fraunhofer-Instituts ISE hin. Danach hat jedes zusätzliche Gigawatt Solar- und Windstrom im ersten Halbjahr den Börsenstrompreis im kurzfristigen Handel im Schnitt um vier Euro je Megawattstunde gesenkt. Der hohe Anteil von Strom aus Sonne und Wind sei nicht nur gut fürs Klima, sondern sorge auch für finanzielle Entlastung, schloss Peter.

Scholz warnt vor längerer "Subventionierung"

Auf die Kritik der BEE-Präsidentin ging Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei seinem Auftritt beim BEE am Mittwochabend nicht ein. Er bekräftigte das Ziel der Bundesregierung für 2030, 80 Prozent des Stroms erneuerbar und 50 Prozent der Wärme klimaneutral zu erzeugen.

"Das war von Anfang an der Plan und das bleibt weiterhin der Plan", sagte der Kanzler. Dies müsse unter den veränderten Vorzeichen des Ukraine-Krieges aber "noch schneller, noch entschlossener und noch mutiger" umgesetzt werden.

Wolle Deutschland dauerhaft bezahlbare Energie, Versorgungssicherheit und Klimaschutz unter einen Hut bekommen, gehe das nur mit den erneuerbaren Energien, erklärte der Kanzler. Deshalb müsse man jetzt den Turbogang beim Ausbau der Erneuerbaren einlegen.

Zugleich verteidigte Scholz jedoch das mit dem Osterpaket beschlossene Aus für die Erneuerbaren-Förderung in dem Moment, wo der Kohleausstieg vollendet ist. Wenn die erneuerbaren Energien die alleinige Art und Weise der Erzeugung seien, könne das kein Geschäftsmodell sein, das "wir noch subventionieren", betonte Scholz.

Er riet der Branche, sich von dem Gedanken zu lösen, dass man auch im Jahr 2050 noch "irgendeine Subvention" erhalte. "Das Gegenteil wird richtig sein – und dennoch soll es billig und zuverlässig für alle sein", sagte Scholz.

"Energiewende und Artenschutz gleichzeitig beschleunigen"

Warum – offensichtlich auf Druck der FDP – das Ziel eines klimaneutralen Stromsektors für 2035 gestrichen und auch die Regelungen zum Ausweisen von Windkraft-Flächen durch die Bundesländer abgeschwächt wurden, ist für den Präsidenten des Dachverbandes Deutscher Naturschutzring (DNR), Kai Niebert, unverständlich.

"Der Krieg sollte Mahnung sein, die Transformation zu beschleunigen, und nicht, um sie auszubremsen", betonte Niebert gegenüber Klimareporter°. "Der massive Ausbau der erneuerbaren Energien ist Voraussetzung, um die Klimakrise zu beherrschen und den fossilen Krieg zu beenden."

Zwar sei es zu begrüßen, dass ein Weg gefunden wurde, um künftig die notwendigen zwei Prozent Fläche für Windenergie zur Verfügung zu stellen, so der DNR-Chef. Regierung und Parlament hätten aber seiner Ansicht nach noch mutiger den Weg in die gleichzeitige Lösung von Klima- und Umweltkrise gehen können.

"Wären parallel zu den Vorrangflächen für die Erneuerbaren auch Vorrangflächen für die biologische Vielfalt geschaffen worden, könnte die Handbremse für den Ausbau der Windenergie nicht nur gelöst, sondern abgeschafft werden", betonte Niebert.

Ergänzung am 9. Juli:

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