Verhandlungsraum auf der COP 27: weinroter Fußbodenbelag, Verhandelne sitzen im großen Viereck angeordnet, es ist relativ dunkel, Wände und Decke sind weiß und erinnern eher an ein Veranstaltungszelt.
Beim Klimagipfel in Sharm el‑Sheikh wird festgelegt, wie der Verhandlungsprozess in den kommenden Jahren strukturiert sein soll. (Foto: Mike Muzurakis/​IISD/​ENB)

Obwohl die 27. UN-Klimakonferenz, die COP 27, schon drei Tage länger dauert als normal, liegen die Verhandler heute, am offiziell vorletzten Tag der Konferenz in Sharm el‑Sheikh, deutlich hinter dem Zeitplan.

In den beiden Tagen vor Beginn der Konferenz hatten die Länder über die Agenda verhandelt und sich darauf geeinigt, Finanzhilfen zur Bewältigung von klimabedingten Verlusten und Schäden in die Agenda aufzunehmen – ein nennenswerter Fortschritt bei diesem Thema.

Eröffnet wurde COP 27 dann am Sonntag vor anderthalb Wochen, also einen Tag früher als frühere COPs. Doch am Donnerstag der zweiten Woche lag noch immer kein Entwurf für die Abschlusserklärung, den "Pakt von Sharm el‑Sheikh", vor.

Die ägyptische Konferenzpräsidentschaft veröffentlichte lediglich ein 20-seitiges "Non Paper" mit "Elementen" für den Abschlusstext. Richtig verhandeln kann man über eine solche Ideensammlung aber nicht. Im besten Fall war für Donnerstagabend mit einem regulären Entwurf für den Abschlusstext zu rechnen. Folglich ist ein pünktliches Ende der Konferenz am Freitagabend um 18 Uhr nahezu ausgeschlossen.

Im Zentrum der Verhandlungen in den letzten Tagen standen zwei "Arbeitsprogramme": eines zur Finanzierung von Verlusten und Schäden und eines zur Senkung der Treibhausgasemissionen. Beim ersten Thema fordern die Entwicklungsländer, dass dieses Jahr ein Fonds aufgesetzt wird, der ärmere Länder bei Verlusten und Schäden entschädigt.

"Das wird nicht passieren", sagte allerdings John Kerry, der US-Sondergesandte. Folglich ist eher mit einem Arbeitsprogramm zu rechnen, mit dem maßgeschneiderte Instrumente für die verschiedenen Arten von Schäden durch Stürme, Dürren oder den Meeresspiegelanstieg identifiziert werden. Die EU signalisierte zuletzt, dass nächstes Jahr dann ein Fonds geschaffen werden könnte, um diese Instrumente zu kapitalisieren.

Auch China soll für Klimaschäden zahlen

EU-Kommissar Frans Timmermans knüpfte dies aber an eine kaum überwindbare Bedingung: "China ist eine der größten Volkswirtschaften der Welt und verfügt über große Finanzkraft. Warum sollte es nicht für die Finanzierung von Verlusten und Schäden mitverantwortlich gemacht werden?" Doch genau das will China verhindern und höchstens "freiwillige Beiträge" leisten.

Das zweite Arbeitsprogramm hat zum Ziel, den Rückgang der Emissionen so stark zu beschleunigen, dass die Begrenzung der Klimaerwärmung auf 1,5 Grad möglich bleibt. Dazu müssen die globalen Emissionen in den nächsten acht Jahren halbiert werden. Zu erwarten ist bisher allerdings ein weiterer Anstieg um zehn Prozent bis 2030.

Aus diesem Grund wollen die Industriestaaten, aber auch die kleinen Inselstaaten und andere besonders verletzliche Länder auf der COP 27 ein Arbeitsprogramm verabschieden, das die riesige Lücke zu schließen vermag. Dazu muss auch über die verschiedenen Sektoren wie Schifffahrt, Landwirtschaft oder Kohle, Öl und Gas gesprochen werden.

Länder wie China oder Saudi-Arabien lehnen dies aber ab, mit dem Argument, über Emissionsreduktion werde auf nationaler Ebene entschieden, daher könne nicht auf multinationaler Ebene über einzelne Sektoren verhandelt werden.

Zudem lehnen es diese Länder ab, die "größten Emittenten" besonders in die Pflicht zu nehmen. Sie argumentieren hier, dass die 30 Jahre alte UN-Klimakonvention nicht von "großen Emittenten" spricht und einzig zwischen Industrie- und Entwicklungsländern unterscheidet.

"Industriestaaten müssen Zugeständnisse machen"

Um bei Klimaverhandlungen Fortschritte zu erzielen, muss stets eine Balance zwischen den Interessen der Industriestaaten und denen der Entwicklungsländer gefunden werden. Diese Balance schließt in der Regel zweierlei ein: Emissionsminderungen und Finanzhilfen.

Auf der COP 27 in Sharm el‑Sheikh sollen allerdings keine substanziellen Entscheidungen zu diesen beiden Themengebieten getroffen werden, sondern nur Entscheidungen zum weiteren Vorgehen, also dem Verhandlungsprozess in den kommenden Jahren. Daher muss eine Balance zwischen den beiden Arbeitsprogrammen gefunden werden.

Diese Programme können rein prozedural festhalten, dass man sich zwei-, drei- oder viermal trifft, um über ein bestimmtes Thema zu reden. Sie können aber auch detailliert festlegen, dass Arbeitsgruppen zu bestimmten Themen wie Sturmschäden oder den Emissionen der Landwirtschaft gebildet werden.

Die erforderliche Balance werde daher im Detaillierungsgrad der beiden Arbeitsprogramme zu suchen sein, sagt Wendel Trio von der Umweltorganisation Greenpeace: "Wenn die Industriestaaten über verschiedene Sektoren sprechen wollen, müssen sie bei der Finanzierung von Verlusten und Schäden Zugeständnisse machen und umgekehrt."

COP 27 in Sharm el‑Sheikh

Bei der 27. UN-Klimakonferenz in Sharm el‑Sheikh geht es um die Zukunft des globalen Klimaschutzes. Ein Team von Klimareporter° ist vor Ort in Ägypten und berichtet mehrmals täglich.

Alle anderen Themen wie die Rolle der Entwicklungsbanken oder die Erwähnung des neuesten Berichts des Weltklimarats IPCC seien hingegen Nebenschauplätze: "Wenn eine Balance zwischen den beiden Arbeitsprogrammen gefunden werden kann, dann finden auch alle anderen Puzzlestücke ihren Platz", zeigt sich Trio optimistisch.

Damit bleibt nur noch die Frage, ob die Verhandler genügend Zeit haben, die erforderliche Balance zu finden. Andernfalls könnte der "Pakt von Sharm el‑Sheikh" ein sehr kurzes Dokument werden und in etwa so lauten: Die COP 27 "bittet das UN-Klimasekretariat, vor der COP 28 zwei Treffen der Vertragsparteien zu organisieren, um weiter über Verluste und Schäden sowie über die Reduktion der Emissionen zu reflektieren."

Anzeige