Grafik: Kristin Rabaschus

Die Begrenzung der Erderwärmung ist eine Mammutaufgabe. Das gilt längst auch für die Europäische Zentralbank (EZB) und für ihren deutschen Ableger, die Bundesbank.

Allerdings lautet der politische Auftrag der Zentralbanken: "Kümmert euch um die Preisstabilität!" Schließlich ist Geld die Basis allen kapitalistischen Wirtschaftens.

Außerdem sorgen sich Bundesbank, EZB oder auch die US-amerikanische Fed um die Stabilität des Finanzsystems. Wie passt da das Klima hinein?

Sabine Mauderer, Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank, hat eine Antwort: "Klimarisiken sind auch finanzielle Risiken". So habe eine Dürre in fernen Ländern Auswirkungen auf die Nahrungsmittelpreise hier und damit auf die Geldwertstabilität, sagte Mauderer kürzlich in einem Vortrag am Ifo-Institut in München. Kurzum, in China fällt ein Sack Reis um ... oder alles hängt mit allem zusammen.

Fürwahr. Doch, es gibt Zusammenhänge zwischen Klima und Geldpolitik, die mehr Gewicht als ein Sack Reis haben. So werden die Auswirkungen des Klimawandels immer greifbarer – auch in Deutschland – und mit ihnen die wirtschaftlichen Schäden. Mauderer warnte vor den "immensen Kosten eines ungebremsten Klimawandels".

Gleichzeitig entstehen im grünen Wandel "Übergangsrisiken". Verluste, die bei einer raschen Umstellung auf eine CO2-arme Wirtschaft auftreten: Schocks durch neue technologische Entwicklungen, die alte Geschäftsmodelle entwerten, oder plötzliche klimapolitische Maßnahmen, welche die Politik ergreift oder ergreifen muss.

Wirtschaftliche Schäden und immense volkswirtschaftliche Kosten wirken dann auch auf Preise, auf den Geldwert und die Stabilität des Finanzsystems – betreffen also die Kernaufgaben einer Zentralbank.

Vor diesem Hintergrund erscheint das Misstrauen gegenüber EZB, Bundesbank und Banken, das Klimaaktivisten und Umweltbewegte pflegen, überzogen. In den Zielen liegen Kapital und Gesellschaft gar nicht so weit auseinander. Über die Wege, die dorthin führen, muss aber gestritten werden.

600 Milliarden Euro Klima-Investitionen – pro Jahr

Um die Herausforderungen des Klimawandels zu bewältigen, ist eine tiefgreifende Transformation der Wirtschaft notwendig, die nur mit erheblichen Investitionen zu erreichen ist. Ein Dreh- und Angelpunkt bleibt die Finanzierung dieses enormen Investitionsbedarfs.

"Der Finanzsektor kann maßgeblich zu einer erfolgreichen grünen Transformation der Realwirtschaft beitragen." Auch wenn dies ein Zitat von Mauderer ist, es könnte genauso gut von EZB-Präsidentin Christine Lagarde, dem Vorstandsvorsitzenden der Allianz, Oliver Bäte, oder Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing stammen.

 

600 Milliarden Euro müssen in der Europäischen Union bis 2030 investiert werden, um die Klima- und Umweltziele zu erreichen – und zwar jedes Jahr. So hoch schätzt EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius den finanziellen Aufwand.

Diese Mammutaufgabe können idealistische Banken wie die GLS, Bürgerenergie-Genossenschaften und einige Millionen Klimabewegte nicht alleine stemmen. Der Staat ist also gefordert. Aber auch schnell überfordert.

Ein Großteil der jährlichen 600 Milliarden Euro müsste also notgedrungen von privat kommen: Banken und Fondsgesellschaften, Unternehmen und Versicherungen, private Investoren und Reiche.

Da die deutsche Wirtschaft – anders als die angelsächsische Welt, die auf Aktien und Kapitalmarkt baut – vor allem auf Kredite setzt, sind private Banken, Volks- und Raiffeisenbanken sowie die Sparkassen hierzulande besonders gefordert.

Diese zeigen sich anlässlich der Signale des Klimagipfels in Dubai startklar, nicht allein in Sonntagsreden von Sewing und Co. Schließlich gilt auch für sie: "Klimarisiken sind finanzielle Risiken."

Grüner Finanzkapitalismus braucht staatliche Lenkung

Die neuen, sicherlich in manchem unausgereiften EU-Regeln – Stichwort Taxonomie – verpflichten Finanzdienstleister, bei der Vergabe millionenschwerer Kredite auch Nachhaltigkeitskriterien zu berücksichtigen. Und die neue "Corporate Sustainability Reporting Directive" zwingt Unternehmen zukünftig, noch mehr Daten für ihre Nachhaltigkeitsberichterstattung zu sammeln. Ab Januar 2024 müssen größere Unternehmen 1.000 Datenpunkte erheben.

Dies soll mehr Durchblick und Vergleichbarkeit schaffen, wie wir es aus klassischen Bilanzen kennen. Und wie eine gute, aussagekräftige Bilanz einem Unternehmen gute Konditionen für einen Bankkredit sichert, wird dies zukünftig auch eine gute Nachhaltigkeitsbilanz tun. So funktioniert Finanzkapitalismus.

Dabei geht es nicht ohne Nebenwirkungen ab. In den Medien werden ständig schwarze Schafe durchs Dorf gejagt. Auch die reine grüne Lehre wird mit diesem EU-Modell nicht umzusetzen sein. Ob wirklich eine Investitionswelle grüne Technologien vorantreibt?

Erste Erkenntnisse sind zwiespältig. Windparkprojekte in den USA werden gerade gestoppt, Öl und Gas in Europa boomen und China baut neue Kohlekraftwerke.

Gleichzeitig haben viele Länder begonnen, eine "grüne" Wasserstoffwirtschaft aufzubauen, und die Meyer-Werft meldet den ersten Auftrag für gewaltige Konverter, die für den Aufbau von Windparks in der Nord- und Ostsee dringend benötigt werden.

Etwas Besseres als dieser schmutzige Kapitalismus, der sowohl die Ursache ist als auch zur Lösung beitragen kann, wird auf absehbare Zeit nicht zur Hand sein.

 

Der Staat bleibt damit existenziell gefordert. Als Finanzier, der die Lücke zwischen Produktions- und Nachfragepreis etwa beim "grünen" Stahl schließt, der Beschäftigung sichert und für fairen internationalen Wettbewerb sorgt, in dem auch Kleinbetriebe und Mittelstand überleben können – und der die Regeln setzt, damit nicht die Gewinne von wenigen privatisiert und die Verluste auf Kosten der Mehrheit sozialisiert werden.

Herausforderungen, die Bundesbankerin Sabine Mauderer offenbar nicht alle im Blick hat. Sie freut sich jedoch, dass sie ab Januar das "grüne" Netzwerk NGFS leiten darf, in dem sich inzwischen mehr als 100 Zentralbanken und Finanzaufsichtsbehörden tummeln.

Auch von dieser erst im Aufbau befindlichen staatlichen Institution können noch wichtige Impulse für die Bewältigung der globalen Mammutaufgabe ausgehen.

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