Eine Pflanze, die aus einem Haufen Geld wächst, mit dazugehörigem Titel: Das große Warten.
Grafik: Kristin Rabaschus

Den folgenden Satz können Sie gerne überspringen: "Die Klimakrise ist die größte Herausforderung für die Wirtschaft seit der Industrialisierung." So weit, so mehr als bekannt. Weniger bekannt ist allerdings, dass auch viele Vorstände in Unternehmen diese Herausforderung ernst nehmen und bereits umzusteuern scheinen.

Manager und Eigentümer investieren viel Kapital, um Jobs und ihre Zukunft zu sichern. Horst von Buttlar, Chefredakteur der Zeitschrift Capital, hat darüber für sein neues Buch eine Reihe prominenter Beispiele gesammelt – von Konzernen wie BASF oder Thyssen-Krupp bis zu jungen Firmen wie Northvolt, die im schleswig-holsteinischen Heide eine Batteriefabrik für die E-Mobilität errichten will.

Doch von Buttlar sät zugleich Zweifel, ob den vollmundigen Ankündigungen entsprechende Taten aus eigener Kraft folgen werden.

Schauen wir daher einmal genauer hin. Die Industrie hat neben Maßnahmen, um hausintern die Effizienz zu steigern, vor allem zwei Hebel: neue Technologien und grünen Strom. Und an medientauglichen Absichtserklärungen und sogar an visionären Plänen mangelt es dazu ja bekanntlich nicht.

Wenn Wirtschaft und Politik beispielsweise über grünen Wasserstoff sprechen, dann sei das sehr interessant, sagte Thomas Buberl, deutscher Vorstandsvorsitzender des französischen Axa-Konzerns, kürzlich in einem Interview. "Aber auch das ist etwas, was erst in zehn bis zwanzig Jahren kommt."

Diskussionen über Nachhaltigkeit seien intellektuell "stimulierend", so Buberl, allerdings hätten Unternehmen in Europa gerade ein ganz anderes Problem, nämlich, dass Energie knapp und ihr Preis auf absehbare Zeit viel zu hoch sei. 

US-Notenbank: Wir machen keine Klimapolitik

Der Chef von Europas zweitgrößtem Versicherungskonzern überblickt die wichtigsten Branchen und fordert von der Politik Entscheidungsfähigkeit und "klare Prioritäten", um die allerorten beschworene grüne Transformation in Schwung zu bringen. Bürokratieabbau, Digitalisierung und Subventionen sind dazu die gängigen Stichworte.

Doch reicht es keineswegs, den "Grünen Peter" einfach an Politiker weiterzureichen.  

Zweifel, dass die internationalen Finanzmarktakteure die Welt von sich aus auf nachhaltige Beine stellen wollen, nährt der ETF-Markt. Börsennotierte Indexfonds ("ETF") waren in den letzten Jahren der Renner bei institutionellen Investoren und privaten Sparern. Anleger rund um die Welt haben allein im vergangenen Jahr insgesamt 867 Milliarden Dollar in ETF investiert, meldet der US-Vermögensverwalter Blackrock.

Aber auf Nachhaltigkeit setzen fast nur noch europäische Anleger und hier vor allem deutsche.

Dazu passt, dass die amerikanische Notenbank Federal Reserve (Fed) einer grünen Geldpolitik die kalte Schulter zeigt. Auf einer Notenbankkonferenz in Stockholm hob Fed-Chef Jerome Powell jüngst hervor, dass die US-Zentralbank keine Klimapolitik betreibe.

"Ohne eine ausdrückliche Gesetzgebung des Kongresses wäre es unangemessen, wenn wir unsere geldpolitischen oder aufsichtsrechtlichen Instrumente zur Förderung einer grüneren Wirtschaft oder zur Erreichung anderer klimabasierter Ziele einsetzen würden", wird Powell zitiert. "Wir sind keine Klimapolitiker – und werden es auch in Zukunft nicht sein."

Ähnlich äußerten sich andere Notenbanker. Ohne ein kraftvolles Engagement des größten Spielers wird es jedoch keinen grundlegenden Wandel auf den globalen Finanzmärkten geben.

Finanzbranche investiert gegen das Klima

Dort tut sich ohnehin wenig. Trotz ihrer Mitgliedschaft in der "Glasgow Financial Alliance for Net Zero" unterstützen Finanzinstitute weltweit immer noch die Expansion fossiler Energien mit Milliardensummen. Zu den Übeltätern zählen auch deutsche Institute, insbesondere die Deutsche Bank mit ihrer Tochter DWS. Zu diesem Ergebnis gelangt ein neuer Bericht, der von Organisationen wie Reclaim Finance und Urgewald veröffentlicht wurde.

Dabei sieht sich die Glasgow-Allianz als größte Koalition von Finanzinstitutionen, die sich für den Übergang der Weltwirtschaft zu netto null Treibhausgasemissionen einsetzen. Die NGOs rufen die Finanzdienstleister auf, ihre Finanzierung fossiler Expansion zu stoppen. Nur so könne die Branche im Einklang mit der Klimawissenschaft das Netto-Null-Ziel bis 2050 erreichen.

Die Finanzbranche reagiert auf solche Kritik mit dem Hinweis, Banken und Versicherer könnten ihre Kunden nicht einfach im Regen stehen lassen. Selbst Energie- oder Chemiekonzerne benötigten Zeit und Geld, um ihre grüne Transformation voranzutreiben.

Ein Argument, das nicht gänzlich von der Hand zu weisen ist.  "Klar ist", schreibt Horst von Buttlar, "wer keine Nachhaltigkeitsstrategie hat, hat keine Zukunft." Nicht allein das Buch des Kapital-freundlichen Chefredakteurs nährt allerdings Zweifel, ob alle Manager dem Ernst der Lage wirklich gewachsen sind.

Anzeige