Bis zum Jahr 2000 war die Stromerzeugung fast allein die Domäne der Elektrizitätskonzerne und Stadtwerke. Das änderte sich mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, das damals eingeführt wurde. Solar-, Windkraft- und Biogas-Anlagen wurden häufig von Privatleuten, Landwirten und Genossenschaften gebaut.
Doch nun läuft das Rollback: Die Bürgerenergie verliert wieder an Boden, während Stromkonzerne, Fonds und Banken als Investoren bei erneuerbaren Energien zulegen.
Vor zehn Jahren wurde die Eigentümerstruktur bei den Öko-Energien von der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) erstmals detailliert untersucht. Damals lag mehr als die Hälfte der installierten Leistung in der Hand von Privatleuten und Landwirt:innen.
Heute beträgt der Anteil nur noch rund 40 Prozent (siehe Grafik unten), wie aus einer jetzt vorgelegten Studie des Instituts Trend Research im AEE-Auftrag hervorgeht.
Ein Blick auf den Neubau von Anlagen im analysierten Jahr 2019 zeigt, wie sehr sich die Eigentümerstruktur zugunsten größerer Investoren verschiebt. Privatleute bildeten hier zum ersten Mal nicht mehr die Spitzengruppe, sie erreichten nur noch 18 Prozent.
Fonds und Banken übernahmen die Führung mit 21 Prozent. Die Bürgerenergie kommt, wenn man die Landwirt:innen hinzuzählt, auf etwa ein Viertel, das sind also rund 15 Prozentpunkte weniger als im Anlagenbestand. Für die Zukunft heißt das: Rückgang.
Stromversorger, besonders die großen deutschen Konzerne EnBW, RWE und Vattenfall sowie multinationale Unternehmen, engagieren sich deutlich stärker. Zusammen waren sie 2019 für knapp ein Drittel des Zubaus verantwortlich. 2016 waren sie erst auf etwas mehr als ein Fünftel gekommen.
Dabei macht sich laut AEE bemerkbar, dass der Anteil der sehr investitionsintensiven Offshore-Windkraft steigt, während der Ausbau der Windenergie an Land fast zum Erliegen gekommen ist. Onshore-Wind war lange eine Domäne der Bürgerenergie.
Die Nachfrage nach Solaranlagen zieht derweil wieder an. Sie ist für Privatleute, Landwirt:innen und fürs Gewerbe besonders interessant.
"Für die Akzeptanz unverzichtbar"
Viele renommierte Umwelt- und Energieexperten hatten den Boom der Bürgerenergie sehr begrüßt. Der frühere Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) zum Beispiel sagte 2015: "Für mich ist einer der großen Vorteile der Energiewende, dass wir einen Demokratisierungsprozess unter den Investoren bekommen haben."
Die Finanzierung der Energiewende sei seit EEG-Einführung vornehmlich eine Aufgabe der Sparkassen und Volksbanken gewesen, so Töpfer. "Es gibt eine völlig andere Investorenstruktur, und eine Demokratie wie die unsere braucht dringlich solche Bereiche, wo die Menschen mitmachen können."
AEE-Geschäftsführer Robert Brandt betonte bei Vorlage der aktuellen Untersuchung: "Die Investitions- und Beteiligungsmöglichkeiten der Bürger:innen sind für die Akzeptanz des weiteren Ausbaus der erneuerbaren Energien unverzichtbar." Zu Beginn der Energiewende seien es vor allem sie gewesen, die die wirtschaftlichen Chancen der Öko-Energien erkannten.
Dass sich nun auch finanzkräftige Investoren stärker für eine klimaschonende Energieerzeugung engagierten, sei erfreulich, sagte Brandt. Die Bürgerenergie müsse aber "unbedingt weiter ihren Platz beim Fortgang der Energiewende finden".
Wegen des steigenden Ökostrom-Bedarfs wird erwartet, dass die große Koalition im Frühjahr die Erneuerbaren-Ausbauziele für 2030 anhebt. Um sie erreichen zu können, ist mehr Zubau von Anlagen in allen Größenklassen gefragt – von kleinen Solar-Dachanlagen über Windräder an Land bis zum Offshore-Windpark. Brandt dazu: "Dazu braucht es Beteiligungsmöglichkeiten für alle."
Kritik von Ökostrompionieren
Marcel Keiffenheim vom Ökostromanbieter Greenpeace Energy sieht in den Ergebnissen einen Weckruf. "Die Energiewende muss dezentral, demokratisch und vielfältig bleiben, man darf sie nicht 'Big Money' überlassen." Die über Jahrzehnte wichtigste Akteursgruppe drohe vielerorts ins Hintertreffen zu geraten oder ziehe sich frustriert zurück.
"Dabei sind es gerade die engagierten Menschen aus der lokalen Bürgerenergie, die Windparks auch dort ins Laufen bringen, wo Großunternehmen aus Profitgründen abwinken", sagte Keiffenheim. Deshalb müsse die Bundesregierung jetzt ein Konzept vorlegen, um lokale Akteure wieder stärker zu motivieren. Eine freiwillige Kommunalabgabe für Betreiber neuer Windparks, wie mit der jüngsten EEG-Novelle beschlossen, reiche nicht.
Auch Naturstrom-Vorstandschef Thomas Banning kritisiert die Entwicklung. Es könne nicht sein, dass die Bundesregierung beim Bau von Wind- und Solaranlagen nun die viel zu spät erwachten Konzerne protegiere, ihnen für die Stilllegung überalterter Kohlekraftwerke Milliardenbeträge schenke und die ursprünglichen Akteure der Energiewende immer mehr zurückdränge.
"Es braucht bei der Energiewende keine Bevorzugung von Großtechnologien wie Offshore-Windenergie und Wasserstoffwirtschaft und den dahinter stehenden Kapitalinvestoren", so Banning. Es müsse wieder mehr Freiräume für kleine Akteure, für Innovationsvielfalt und regionale Entwicklung sowie mehr Teilhabemöglichkeiten geben.
Naturstrom und Greenpeace Energy waren zusammen mit den Elektrizitätswerken Schönau an der Erarbeitung der Studie beteiligt.