Fracking-Bohrung in Pennsylvania: Die Nachfrage aus Deutschland und Europa gibt der US-Gasbranche einen großen Schub. (Bild: George Sheldon/​Shutterstock)

In den letzten zehn Jahren waren es vor allem Banken aus Japan, Kanada, den Niederlanden, Frankreich sowie den USA selbst, die den Bau von LNG-Exportterminals in den USA finanzierten. Doch nun entwickelt sich Deutschland zu einem immer wichtigeren Akteur.

So haben deutsche Banken seit Anfang 2022 bereits Kredite von 2,17 Milliarden Euro für US-Gasexportprojekte vergeben. Das ist ein enormer Anstieg. Zwischen 2012 und 2021 wurden insgesamt gerade einmal 1,86 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Dazu kamen noch Anleihen von 630 Millionen Euro.

Das geht aus Daten hervor, die dem kürzlich veröffentlichten Bericht "Investitionen ins Klimachaos" der Umweltorganisationen Urgewald, Deutsche Umwelthilfe (DUH) und Andy Gheorghiu Consulting zugrunde liegen.

Der Bericht beleuchtet auch die Rolle deutscher öffentlicher Banken bei der Finanzierung des US-amerikanischen LNG-Exportbooms. Danach hat die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) zwischen 2012 und 2021 rund 1,3 Milliarden Euro für Flüssigerdgas-Projekte in den USA verliehen, die Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) weitere 230 Millionen.

Auch die KfW Ipex-Bank, die innerhalb der staatlichen KfW-Bankengruppe internationale Projekte finanziert, und die genossenschaftliche DZ Bank, die zweitgrößte deutsche Privatbank, beteiligten sich 2022 an der Finanzierung neuer Terminals und Erweiterungsprojekte, wie der Bericht offenlegt.

"Wir opfern Hunderte Hektar Feuchtgebiete"

Der jüngste LNG-Boom begann in den Monaten nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022. In der Folge unterzeichneten deutsche Energieunternehmen eine Reihe von Verträgen mit US-amerikanischen LNG-Exporteuren. Europas größte Volkswirtschaft rang darum, ihre jahrzehntelange Abhängigkeit von russischem Pipelinegas zu durchbrechen.

Der Ansturm deutscher, aber auch französischer und anderer europäischer Käufer verhalf seit Langem bestehenden Plänen zu neuem Schwung, etliche neue LNG-Exportterminals und Erweiterungsprojekte in den USA zu bauen – von Texas bis nach Pennsylvania, aber vor allem im Süden des Landes.

Bei der von den neuen Projekten betroffenen Bevölkerung sorgte das für einen regelrechten Aufschrei. Auch Fachleute verweisen auf Auswirkungen wie gesundheitsschädliche Luftverschmutzung und Lichtverschmutzung durch das Abfackeln von Gas oder die Zerstörung einzigartiger Feuchtgebiete. Das Ausbaggern von Fahrrinnen für die riesigen LNG-Tanker verstärkt die Küstenerosion.

"Wir opfern Hunderte Hektar an Feuchtgebieten und Cheniers", empört sich John Allaire gegenüber Klimareporter°. Der ehemalige Umweltingenieur der Öl- und Gasindustrie wohnt in der Nähe des LNG-Terminals Calcasieu Pass in Cameron Parish im US-Bundesstaat Louisiana. Cheniers sind bewaldete Landrücken an der Küste Louisianas, eine seltene Landschaftsform.

Dem Bericht zufolge halfen deutsche Kreditgeber bei der Finanzierung von sieben der 27 geplanten oder bestehenden LNG-Terminals in den USA. Konkret sind das die LNG-Terminals Sabine Pass und Plaquemines in Louisiana, Cove Point in Maryland, Elba Island in Georgia sowie zwei Terminals in Texas: Corpus Christi und Freeport.

"Deutsche Unternehmen kaufen nicht nur weltweit Gas ein, sie finanzieren auch direkt Exportprojekte. Das ist eine Klimakatastrophe", sagt Constantin Zerger von der Deutschen Umwelthilfe.

US-Erdgas für EnBW, RWE und Uniper

Ein Sinnbild für die Risiken derartiger Projekte ist laut dem Bericht das geplante 21 Milliarden Dollar teure Plaquemines-Terminal, das auf einem 630 Hektar großen Gelände am Mississippi errichtet werden soll und zum Teil von deutschen Banken finanziert wird.

Speicher für Flüssigerdgas in den USA: Deutsche Unternehmen schließen fossile Verträge für mehrere Jahrzehnte. (Bild: Matt Fletcher/​Wikimedia Commons)

Die Deutsche Bank vergab allein für Plaquemines rund 910 Millionen Euro. In das Projekt fließt damit der größte Teil der 1,72 Milliarden Euro, die das Kreditinstitut seit 2012 für LNG-Projekte in den USA verliehen hat, wie der Bericht herausstellt.

Zweitgrößter Finanzier von Plaquemines ist die landeseigene Bank LBBW in Stuttgart mit 820 Millionen Euro. Beteiligt sind auch Bank of America, Bank of China, JP Morgan Chase sowie weitere deutsche Banken. Durchgeführt wird das Projekt von Venture Global LNG, einem großen US-Exporteur, der später auch das Terminal betreiben soll.

Das Plaquemines-Projekt hat sich zu einer tragenden Säule der Pläne Deutschlands entwickelt, vom russischen Gas loszukommen. Im Juni unterzeichnete der deutsche Energiekonzern EnBW eine Vereinbarung mit Venture Global LNG über die Einfuhr von jährlich 1,5 Millionen Tonnen Flüssigerdgas über eine Laufzeit von 20 Jahren aus diesem Terminal und aus einem weiteren, das in Cameron Parish in Louisiana entstehen soll. Im Oktober wurde die Liefermenge auf zwei Millionen Tonnen pro Jahr erhöht.

Auch RWE und Uniper schlossen im vergangenen Jahr LNG-Geschäfte in den USA ab. Die deutsche Regierung unterstützte außerdem einen Konsortialkredit in Höhe von 2,8 Milliarden Euro, der es dem in der Schweiz und Singapur ansässigen Rohstoffhändler Trafigura ermöglicht, LNG in das europäische Gasnetz zu importieren, auch für Deutschland.

Das texanische Exportterminal Freeport LNG, das laut dem Bericht der Umweltschützer von der Deutschen Bank und dem Siemens-Konzern mitfinanziert wurde, hat ebenfalls begonnen, Gas nach Deutschland zu liefern.

"So entsteht ein globaler fossiler Lock‑in"

In Deutschland trafen zudem bereits LNG-Ladungen aus dem Exportterminal Sabine Pass in Louisiana ein. Dort plant Cheniere Energy, der größte LNG-Exporteur der USA, eine "erhebliche Erweiterung" der Anlage, um die steigende Nachfrage zu decken.

In der texanischen Hafenstadt Corpus Christi, wo Cheniere die Kapazität seiner LNG-Exportanlage verdoppeln möchte, sorgen sich die Leute wegen der Emissionen und möglicher Gesundheitsgefahren. Als Geldgeber für die beabsichtigte Verdopplung nennt der Bericht die Helaba und die KfW Ipex-Bank mit je 91 Millionen Euro sowie wiederum Siemens mit 45 Millionen.

Der Ausbau in Corpus Christi sei "eine schreckliche Idee", sagt Errol Summerlin, ehemaliger Anwalt und Gründer von Cape, einem Zusammenschluss von Umweltgruppen, über die geplante Erweiterung. "Wir haben bereits Leute, die an Asthma und anderen Atemwegserkrankungen leiden, und das hier wird die Folgen für die Gesundheit der Bevölkerung nur noch verschlimmern."

Die US-Regierung in Washington lehnte im vergangenen September allerdings einen Antrag von Cheniere auf eine Ausnahmegenehmigung für eine Lockerung der Emissionsgrenzwerte ab.

Für Constantin Zerger von der DUH ist offensichtlich, dass die deutsche Regierung und deutsche Unternehmen nicht nur im eigenen Land Erdgas- und LNG-Projekte vorantreiben. Er warnt: "Dadurch entsteht ein globaler fossiler Lock‑in, der die Klimaziele in Deutschland und weltweit gefährdet."

 

Edward Donnelly lebt und arbeitet als unabhängiger US-Journalist in Europa, wo er über globale Energie- und Umweltthemen berichtet. Phoebe Cooke ist eine investigative Klimajournalistin in London und leitende Reporterin bei DeSmog, einer umweltjournalistischen Website, die Fehlverhalten von Unternehmen und Hindernisse für Klimaschutzmaßnahmen aufdeckt. Eine frühere Version dieses Artikels in englischer Sprache ist bei DeSmog erschienen.

Bisherige Beiträge von Edward Donnelly in der Serie "Flüssigerdgas im Fokus":

  1. Was hinter dem globalen LNG-Boom steckt
  2. Deutsche Kreditgeber befeuern LNG-Boom

 

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