Technische Verfahren, um CO2 wieder dauerhaft aus der Atmosphäre zu holen, sind gerade in aller Munde. Sollen sie doch langfristig dafür sorgen, dass das Pariser 1,5-Grad-Limit nicht zu sehr überschritten wird.

Eines dieser Verfahren beruht auf der Verbrennung von Biomasse mit anschließender CO2-Abscheidung und -Speicherung, englisch "Bioenergy with Carbon Capture and Storage" (Beccs). Das bei der Verbrennung von fester Biomasse oder Biogas entstehende "biogene" CO2 wird dabei unter Einsatz von Energie abgeschieden, um es dann in einem geologischen Speicher unterirdisch endzulagern.

 

Das Verfahren hat durchaus Potenzial. Besteht der Biobrennstoff zum Beispiel aus nicht mehr anderweitig nutzbaren Reststoffen, die ihrerseits aus einer nachhaltigen Bewirtschaftung stammen, könnte Beccs sogar sogenannte negative Emissionen erzielen – der Atmosphäre also tatsächlich CO2 entziehen.

Solche Verbrennungsanlagen würden nicht nur den Ankauf teurer CO2-Emissionsrechte sparen und damit Kostenvorteile bei der Energieerzeugung erzielen. Möglich wäre auch, die Negativemissionen zu vermarkten und so neue Geschäftsmodelle zu etablieren.

Ohne klare Rahmenbedingungen könnten jedoch schnell unerwünschte, schädliche Nebeneffekte für das Klima und die Biodiversität dominieren. Auch Wissenschaftler:innen fordern deswegen, im Sinne echter Nachhaltigkeit Leitplanken für den Einsatz von Negativemissionstechnologien zu definieren.

Emissionsfreie Alternativen werden ausgebremst

Erste Unternehmen preschen derzeit vor und kündigen an, negative Emissionen durch den Einsatz von Beccs zu schaffen. Vor allem Betreiber großer Holz(heiz)kraftwerke versprechen, der vorher in Holzprodukten oder im Waldholz gespeicherte Kohlenstoff werde bei der Verbrennung des Holzes abgeschieden, aufgefangen, abtransportiert und in einem geologischen Speicher versenkt.

Doch diese Logik hat Lücken. Mit dem Einsatz von Beccs verringert sich zunächst die energetische Effizienz einer Anlage durch die Abscheidung des CO2 aus den Rauchgasen je nach Technologie um zehn bis über 30 Prozent.

Waldzerstörung in Nordamerika für Holzkraftwerke in Europa – das kann kein Klimaschutz sein. (Bild: László Maráz)

Ist eine Beccs-Anlage trotz geringer Netto-Brennstoffeffizienz (energy penalty) dennoch ökonomisch konkurrenzfähig – etwa durch Verkauf von Zertifikaten, Subventionen oder ordnungsrechtliche Vorgaben –, so verbleibt dennoch ein im Vergleich höherer Brennstoffeinsatz pro erzeugter Kilowattstunde.

Berücksichtigt man bei der Primärholzverbrennung auch die Verluste bei dem in Wäldern gespeicherten Kohlenstoff, so droht für die Holzverfeuerung mit Beccs mittelfristig sogar eine schlechtere Emissionsbilanz als bei fossilen Brennstoffen.

Es drohen also erstens subventionierte Luftbuchungen in der Klimabilanz, zweitens ein Ausbremsen emissionsfreier Alternativen bei der Energieerzeugung, drittens mehr Druck auf die ohnehin geschwächten Waldökosysteme – und nicht zuletzt Kollateralschäden in der angestrebten Entwicklung einer neuen Bioökonomie, wenn Frischholz als Ressource knapp wird.

Werden handelbare Zertifikate zur Kompensation von CO2-Emissionen in Unternehmen ausgegeben, sinkt der Anreiz, Emissionen von vornherein zu verhindern. Für das Klima wäre damit nichts gewonnen, der Schaden jedoch programmiert.

Zudem ist anzunehmen, dass eine starke Steigerung des Einsatzes von Holzbiomasse durch die großtechnische Energieerzeugung auch Verwerfungen am Markt sowie in der Vorkette verursacht. Käme also Beccs auch bei der Verbrennung von Primärholz aus Wäldern und von stofflich anderweitig nutzbaren Nebenprodukten zum Einsatz, könnte der so ausgelöste Nachfrageschub den Druck auf Waldökosysteme und den Holzwerkstoffmarkt deutlich erhöhen.

Beccs bedeutet künstlich angereizte Holzverbrennung 

Tatsache ist: Nachhaltiges Primärholz ist ein wertvoller Rohstoff, der nur in begrenzten Mengen und im Zuge der fortschreitenden Klimakrise in abnehmendem Maße aus geschwächten Ökosystemen zu gewinnen ist. Laut einer neuen Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes trifft in Deutschland eine steigende Nachfrage nach Nadelholz auf bereits abnehmende Bestände, was ab den 2030er-Jahren eine deutliche Verknappung wahrscheinlich macht. 

Der Rohstoff Holz ist für die Energieerzeugung in der Breite und für die Grundlast viel zu wertvoll – zumal emissionsfreie Alternativerfahren bereits in voller Technologiereife zur Verfügung stehen.

Michaela Kruse

ist Referentin für Bio­energie beim Natur­schutz­bund Deutsch­land (Nabu). Die studierte Ökologin arbeitete viele Jahre zum Braun­kohle­ausstieg, bevor sie zum Nabu wechselte, um dort vor allem den vieler­orts geplanten Umstieg von Kohle auf Holz­bio­masse kritisch zu begleiten.

Mit Hochdruck gilt es nun, die Defossilisierung auch in der Grundstoffchemie und den übrigen Industriesektoren voranzutreiben. Die enormen Mengen fossiler Kohlenstoffverbindungen wie Erdöl und Erdgas, die heute in der Grundstoffchemie eingesetzt werden, können bei Weitem nicht eins zu eins durch biogenen Kohlenstoff – etwa aus Holz – ersetzt werden.

Deshalb ist es für die Zukunft maßgeblich, Rohstoffe möglichst verlustfrei im Kreislauf zu führen und sie auch chemisch wieder aufzubereiten. Wegen der unvermeidbaren Verluste bräuchte es aber selbst in einem annähernd perfekten Kreislauf weiterhin große Mengen an "frischer" Biomasse sowie große Mengen an Prozessenergie.

Bei der Verbrennung gehen die physikalisch-morphologischen und chemischen Eigenschaften des Holzes verloren – das ist bekannt. Aber auch die Aufarbeitung und Verwertung biogener Sekundärrohstoffe bleibt absehbar aufwendig und kostspielig. Die stoffliche Verwertung steht damit naturgemäß immer in direkter Konkurrenz mit der "energetischen Verwertung", sprich Verbrennung.

Eine durch Beccs künstlich angereizte Verbrennung von solchen sekundären Holzrohstoffen, die auch stofflich wiederverwertet werden könnten, stünde somit in Widerspruch zur Entwicklung und Etablierung einer ressourceneffizienten Kreislauf- und Bioökonomie.

Die angestrebte Defossilisierung der Industrie könnte sogar abgewürgt werden – durch künstlich hohe Gewinne infolge der Beccs-Verbrennung eines begehrten und knappen Rohstoffs einerseits und durch geringere Verfügbarkeit einer geeigneten biogenen Rohstoffbasis für die stoffliche Bioökonomie andererseits. Zumindest würde ein teurer Subventionswettlauf zwischen beiden Anwendungen entstehen.

Verheerende Umwelt- und Klimabilanz 

Beccs anzuwenden, planen gegenwärtig vor allem Betreiber großer Hackschnitzel-Heizkraftwerke, etwa Ørsted in Dänemark und Stockholm Exergi in Schweden, sowie auf Holzpellets umgerüsteter Kohlekraftwerke wie Drax in Großbritannien und RWE in den Niederlanden, perspektivisch auch Onyx in Wilhelmshaven.

Das überrascht nicht, denn in Großanlagen lohnt sich die Investition eher. Auch winken staatliche Fördermittel, zusätzlicher Profit durch den Handel mit Emissionsrechten und nicht zuletzt ein grünes Image.

Sven Selbert

ist Referent für Wald­natur­schutz und nachhaltige Wald­nutzung beim Nabu. Er hat Biologie und Geografie studiert und war zuvor für verschiedene Nicht­regierungs­organisationen und in der inter­nationalen Entwicklungs­zusammen­arbeit zu Waldthemen tätig.

Doch bei genauer Betrachtung zeigen solche Beccs-Kraftwerke eine verheerende Klima- und Umweltbilanz. Die in den Beispielen eingesetzten Holzpellets stammen zu großen Teilen aus den USA oder Kanada. Dort beziehen die weltgrößten Hersteller Enviva und Drax für ihre Pelletproduktion regelmäßig Holz aus Kahlschlägen in artenreichen Wäldern.

Auch Wälder in Skandinavien, im Baltikum und in Osteuropa geraten durch die Nachfrage nach Energieholz und entsprechend hohen Holzeinschlag zusätzlich unter Druck. Die CO2-Speicherfähigkeit dieser Wälder ist bereits stark eingeschränkt.

Auch Betreiber von Industrieanlagen mit hohem Wärmebedarf und hohen CO2-Emissionen könnten auf Holzverbrennung im großen Stil setzen. Prozessbedingte CO2-Emissionen, die als schwer oder gar nicht vermeidbar gelten, wie in der Kalk- und Zementherstellung, sollen demnach spätestens im Schornstein technisch abgeschieden werden. Da nachhaltig produziertes Holz als erneuerbar gilt, soll so mithilfe von Beccs aus einer starken Quelle von Emissionen perspektivisch sogar eine Netto-Senke werden.

Eine Studie im Auftrag des Naturschutzbundes kommt zum Ergebnis, dass die Industrie in Deutschland für Prozesswärme ab 2045 jährlich etwa 27 Millionen Tonnen Holz verbrennen könnte – mehr als dreimal so viel wie heute. Beccs ist hierbei noch nicht mitgedacht, könnte aber der ohnehin bedenklichen Nachfrageentwicklung zusätzliche Dynamik verleihen.

Dieselbe Biomasse wird mehrfach verplant

Auch die Szenarien, die der Thinktank Agora Energiewende für den künftigen Einsatz von Beccs berechnet hat, lassen aufmerken. Demnach würden im Industriesektor in Deutschland 2045 durch feste Biomasse, Holz vor allem, 177 Terawattstunden Energie erzeugt. Das entspricht dem Einsatz von etwa 60 Millionen Tonnen Holz. Aus Biomasse erzeugt Deutschland heute gerade einmal 33 Terawattstunden.

Im Ergebnis geht Agora Energiewende davon aus, dass künftig fast die gesamte bisher energetisch genutzte Biomasse in Deutschland in den Industriesektor fließt und dort mit Beccs genutzt wird.

Dieselbe Biomasse wird derzeit allerdings für private Pelletheizungen, kommunale Heizkraftwerke oder dezentrale Biogasanlagen eingeplant.

Technologisch muss daher so weit wie möglich auf die erneuerbaren Alternativen zur Bioenergie gesetzt werden. Das sind auch im industriellen Bereich zumeist Wärmepumpen und in manchen Fällen grüne Gase.

Grundsätzlich muss die Verminderung von Emissionen klare Priorität haben. Finanzielle Anreize und regulatorische Vorgaben müssen dem schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien, der Effizienz und alternativen Industrieverfahren und Baustoffen sowie dem Ausbau der natürlichen Senken dienen.

Letzteres kann auch große Vorteile für die Biodiversität bieten, wenn Moore und Wälder besser geschützt werden. Auch das ist von extremer Bedeutung, denn neben der Klimakrise muss auch auf die Naturkrise eine glaubwürdige Antwort gefunden werden, um das Artensterben zu bremsen und die überlebenswichtigen Versorgungsleistungen der Ökosysteme zu sichern.

 

Fazit: Richtig gesteuert, kann Beccs ein Baustein im Kampf gegen die Klimakrise werden. Falsch angewendet, führt es jedoch zu Problemen: mehr Emissionen durch Übernutzung der Ökosysteme, weniger Klimaresilienz, Verhinderung einer fossilfreien Bioökonomie. Der Innovationsdruck für alternative Verfahren muss hochgehalten werden, damit Beccs nicht als einfache Weiter-so-Lösung erscheint.

Derzeit steigt die Gefahr von Fehlentwicklungen gerade bei der Holzverbrennung in Kraftwerken, angefacht durch die Beccs-Euphorie in der Industrie bei einer gleichzeitig immer deutlicher werdenden Zielverfehlung bei der CO2-Reduktion.

Um zu verhindern, dass Beccs von einer partiell sinnvollen Klimaschutztechnologie in ein teures Risikogebräu mit vielen unerwünschten Nebenwirkungen kippt, braucht es klare politische Rezepte und Vorgaben für die Anwendung.

Leitgedanke muss hierbei sei, den Einsatz von Beccs auf die energetische Verwertung stofflich nicht zu nutzender Reststoffe zu begrenzen. Dazu gehören Abfallprodukte wie belastetes Altholz oder Klärschlamm. Neben der Beschränkung auf nachhaltige Quellen ist es auch nötig, die Mengen an Biomasse zu steuern, die für Beccs, Pyrolyse und andere Biomasse-basierte CO2-Entnahme-Methoden verfügbar gemacht werden.

Politische Weitsicht ist jetzt nötig, um Lock‑in-Effekte durch Investitionen in eine teure und langlebige, aber nicht nachhaltige Energieinfrastruktur zu vermeiden. Für die Ampel-Koalition bedeutet das: Eine kluge nationale Biomassestrategie, ein starkes neues Bundeswaldgesetz sowie ein Umsetzungsgesetz für die EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur müssen noch kommen. Die Zeit drängt.