Moore, Wälder, Auen und Grünland – ihre Vegetation und die Mikroorganismen, die besonders im Boden und in bodennahen Schichten vorkommen, sind wertvolle Kohlenstoffsenken und ‑speicher. Diese unschätzbare Leistung vollbringen sie kostenlos und quasi nebenbei. Denn eigentlich nutzen wir sie für den Anbau von Nahrung und für Holz.

All diese höchst klimarelevanten Bewirtschaftungen werden in der Fachwelt unter dem kryptischen Begriff LULUCF zusammengefasst. Das Kürzel steht für "land use, land use change and forestry" – Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaft.

 

Der Landnutzungssektor ist – wie natürliche Ökosysteme überhaupt – die einzig verfügbare, ökonomisch sinnvolle und sichere Möglichkeit, Treibhausgase in großen Mengen der Atmosphäre zu entziehen, zu speichern und langfristig einzulagern.

Natürliche Senken stehen im Wechselspiel mit dem Klimawandel. Einerseits stellen sie, wie gesagt, auf absehbare Zeit die einzige CO2-Senke dar, die wir haben. Andererseits sind sie besonders anfällig gegenüber Hitze und Dürre sowie einer zu intensiven Bewirtschaftung.

Wälder an der Schwelle zur CO2-Quelle

So schrumpfte die Klimaschutzleistung der deutschen Wälder massiv in den besonders trockenen Jahren seit 2018. Forschende sehen die einheimischen Wälder erstmals an der Schwelle zur CO2-Quelle. Die Auswirkungen auf das Klima sind kaum zu überschätzen.

Ohne eine erhebliche Verbesserung der Landnutzungs-Klimabilanz ist nach derzeitiger Kenntnis das deutsche Klimaziel nicht zu erreichen. Denn um Treibhausgasneutralität bis 2045 und eine positive Klimabilanz nach 2050 zu erreichen, braucht es einen erheblichen Ausbau der natürlichen Kohlenstoffspeicher.

Für diesen Sektor sind im Klimaschutzgesetz von 2021 in Paragraf 3a sowie durch die EU mit der (novellierten) LULUCF-Verordnung von 2022 verbindliche Ziele festgelegt. So soll in Deutschland die jährliche Neuaufnahme von Treibhausgasen kontinuierlich gesteigert werden. Ab 2030 sollen dann jährlich 25 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent neu gebunden werden.

Doch ist Deutschland nicht nur weit von den eigenen Landnutzungs-Zielen entfernt, der Abstand wird laut den Prognosen sogar immer größer. Die aktuellen Klimaprojektionen des Umweltbundesamtes (UBA) zeigen überdeutlich, dass der Landnutzungssektor in Zukunft fast gar nicht mehr seiner einstigen Rolle als natürlicher CO2-Speicher nachkommen kann.

Bereits die UBA-Projektionsberichte 2021 und 2023 bilden eine deutliche Zielverfehlung im Landnutzungssektor ab. Und selbst diese Voraussagen gelten als zu optimistisch.

So sieht der Expertenrat für Klimafragen die vom UBA in den Projektionen angenommene Umsetzung der Wiedervernässung landwirtschaftlich genutzter Moorböden – die größte Emissionsquelle im Landnutzungssektor – als unwahrscheinlich an.

Prognosen berücksichtigen keine Extremwetterfolgen

Auch sind die Projektionen bisher nicht klimasensitiv modelliert. Das heißt, durch Extremwetterereignisse wie Dürren oder Stürme verursachte Schäden an Ökosystemen sind nicht abgebildet.

Die nächste Bundeswaldinventur im Herbst dieses Jahres berücksichtigt Daten bis 2022. Erst dann werden die Schäden der Trockenjahre an der größten deutschen Senke, dem Wald deutlich in ihren Auswirkungen auf die LULUCF-Senke werden.

Bild: privat

Milan Loose

hat Philosophie, Ökonomie, Umwelt­management und Umwelt­politik studiert und war Politik­berater bei der Deutschen Umwelt­hilfe im Bereich klima­positive Wald- und Holz­nutzung.

All diese alarmierenden Entwicklungen bei der Landnutzung gehen fast unter. Der LULUCF-Sektor emittierte nach Berechnungen des Umweltbundesamtes im Jahr 2023 rund 3,6 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent.

Das ist zwar gegenüber 2022 ein Rückgang um 17 Prozent – eigentlich aber sollte der Sektor in der Bilanz gar keine Klimagase emittieren, sondern in erheblichem Maße binden.

Mehr noch: Um die Erhöhung der CO2-Speicherfähigkeit durch die Landnutzung bis 2030 auf 25 Millionen Tonnen zu erreichen, müsste der Sektor jetzt und in Zukunft viel höhere Senkenleistungen erbringen.

Diese Entwicklung hat die Wissenschaft schon lange vorhergesehen. Schon Ende 2022 reichte die Deutsche Umwelthilfe deshalb Klage gegen die Bundesregierung ein und forderte sie auf, in Land- und Forstwirtschaft ihr Klimaschutzprogramm mit konkreten, umsetzbaren und sozial verträglichen Maßnahmen nachzuschärfen.

Seitdem wurden viele Maßnahmen angekündigt, die tatsächlich auch das Potenzial hätten, der Klimaleistung des Landnutzungssektors das dringend nötige neue Leben einzuhauchen.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke gelang hier am Anfang der Legislaturperiode ein Achtungserfolg: Für ihr Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz eiste sie ein Budget von vier Milliarden Euro in der Haushaltsplanung frei.

Bisher fließen nur Millionen statt Milliarden

Nach den Haushaltsverhandlungen und Sparauflagen des Jahres 2023 blieben davon immerhin noch 3,5 Milliarden Euro für den Zeitraum von 2023 bis 2027 übrig. In der Tat stellt das eine für den Naturschutz noch nie dagewesene Größenordnung an Mitteln dar, betont auch die Umweltministerin.

Doch wie viel Geld ist seitdem für das viel beschworene Aktionsprogramm tatsächlich geflossen? Die Summe beläuft sich laut dem Bundesfinanzministerium für 2023 auf 12,8 Millionen Euro.

Bild: Stefan Wieland

Peer Cyriacks

ist Leiter für nachhaltige Land­nutzung und inter­nationalen Natur­schutz bei der Deutschen Umwelt­hilfe (DUH). Nach Stationen an der Hoch­schule für nachhaltige Entwicklung Ebers­walde und bei einer Arten­schutz­stiftung ist der studierte Biologe seit 2018 bei der DUH.

Das Umweltministerium konnte also bisher nur Gelder im Promillebereich fließen lassen. Das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz ist bis jetzt ein Rohrkrepierer.

Dringend benötigte großflächige Wiedervernässungen trockengelegter Moore zum Beispiel in Ostfriesland und weiten Teilen Mecklenburg-Vorpommerns rücken so immer weiter in die Ferne.

In Mecklenburg-Vorpommern sind entwässerte Moore für 40 Prozent aller Treibhausgase verantwortlich. Damit das Land seine Klimaziele erreicht, müssten jährlich 9.000 Hektar Moor wiedervernässt werden. Eine herkulische Aufgabe, die in der Dimension des notwendigen Strukturwandels dem Kohleausstieg in nichts nachsteht.

Nicht viel besser als beim Aktionsprogramm sieht es bei seinem großen Bruder aus, dem EU-Gesetz zur Wiederherstellung der Natur. Dieses steht wegen mangelnder Unterstützung der Mitgliedstaaten in Brüssel kurz vor dem Scheitern.

Auch das Lieblingsökosystem der Deutschen, der Wald, ist in einem besorgniserregend schlechten Zustand. Nur noch jeder fünfte Baum ist frei von Schäden.

Freiwilligkeit und Förderung reichen nicht aus

Daher war es richtig, dass sich das Bundeslandwirtschaftsministerium zum Ziel setzte, das Bundeswaldgesetz zu modernisieren. Nachdem der erste Entwurf jedoch von den Forstverbänden hart kritisiert wurde, gab Landwirtschaftsminister Cem Özdemir nach und nahm an vielen Stellen Pflichten zur schonenden Bewirtschaftung der Wälder zurück.

Abgeordnete aus den Regierungsfraktionen scheinen dagegen die Dringlichkeit rund um den missachteten Landnutzungssektor etwas besser zu verstehen. In dem wenige Tage vor Verabschiedung des Klimaschutzgesetzes von SPD, Grünen und FDP vorgelegten Änderungsantrag fand sich mit Blick auf den LULUCF-Sektor diese Ergänzung: "Dem Beitrag dieses Sektors wird eine besondere Bedeutung eingeräumt".

Dieser Satz wurde auch so beschlossen und steht jetzt im neuen Klimagesetz.

Hintergrund der Einfügung sind offenbar Pläne der Bundesregierung, die technische Abscheidung (und Verpressung) von CO2 voranzutreiben. Einige Abgeordnete wollen aber nicht, dass die technischen CO2-Senken eine größere Rolle einnehmen als Klimaschutz mit Wald, Moor und Co.

Um die anspruchsvollen Klimaziele im Landnutzungssektor zu erfüllen, müssen die bestehenden rechtlichen Verhältnisse in Ökosystembewirtschaftungs- und ‑pflegepraktiken überführt werden. Nötig ist zudem Akzeptanz bei Wald- und Landbewirtschaftenden, die diese enorme Transformationsleistung erbringen sollen und dafür auch Wertschätzung erfahren müssen.

 

Die Projektionsberichte zeigen aber auch: Allein mit der bisherigen, auf Freiwilligkeit und staatlicher Förderung beruhenden politischen Steuerung sind die Ziele nicht zu erreichen. Freiwilligkeit und Förderung sind wichtige Prinzipien im Umgang mit Privatbesitz, sie können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich dieser private Besitz von Wald und Land schon jetzt in einem gesetzlichen Rahmen bewegt, der ihm zum Schutz des Klimas und der Artenvielfalt viel mehr abverlangt, als er erbringt.

Die Gemeinwohlleistungen, die wir verlangen, müssen honoriert und gefördert werden, gleichzeitig müssen schädliche Bewirtschaftungspraktiken in den Ökosystemen gesetzlich reguliert werden. Dazu kommt, dass auch die Flächen in staatlichem und öffentlichem Besitz einen proportional höheren Anteil an den Leistungen für die Allgemeinheit erbringen müssen.

Nur wenn all diese Botschaften auch die Verantwortlichen in der Bundesregierung erreichen und zu echten Richtungswechseln führen, haben Deutschlands Klimaziele noch eine Chance. Ohne gesunde Ökosysteme sind diese Ziele nicht zu erreichen.