Im Westen Russlands hat der Holzeinschlag zugenommen. (Bild: Swetlana Glaskina/​Wikimedia Commons)

Der Krieg in der Ukraine verursacht nicht nur unfassbares menschliches Leid, er zerstört auch die Umwelt und beeinträchtigt Lebensräume. Böden werden kontaminiert, das Grundwasser ist vielerorts belastet. Aber die Kampfhandlungen zerstören oder beeinträchtigen auch einen immer größeren Teil der Waldflächen.

Damit wird ein Trend in Osteuropa verstärkt, den die Klimaforschung ohnehin mit Sorge sieht: Seit Längerem sinkt dort die Kapazität der Vegetation, Kohlendioxid aus der Luft aufzunehmen und zu speichern – und so die Erderwärmung zu begrenzen.

Die Umweltstiftung WWF meldete bereits nach einem halben Jahr Krieg, mehr als 280.000 Hektar des ukrainischen Waldes seien durch die Kämpfe zerstört worden, also fast drei Prozent der bewaldeten Gesamtfläche.

In diesem Frühjahr schätzten dann ukrainische und schweizerische Forstfachleute, dass bereits 16 Prozent zumindest "geschädigt" seien, unter anderem durch Waldbrände in den umkämpften Gebieten. Das wären rund 1,5 Millionen Hektar.

Die Ukraine ist mit gut 15 Prozent Waldbedeckung zwar ein eher waldarmes Land. Die Waldfläche ist mit insgesamt 9,4 Millionen Hektar jedoch fast so groß wie die von Deutschland.

Bereits vor Putins Angriff war der Zustand der ukrainischen Wälder den Fachleuten zufolge besorgniserregend. Probleme wie Klimawandel – Stichwort: Hitze- und Dürreperioden –, Raubbau durch Kahlschläge sowie mangelnde Bewirtschaftung durch Landflucht hätten sie geschädigt, schrieben sie in einem Fachartikel für die Schweizerische Zeitschrift für Forstwesen.

800.000 Hektar Wald seien abgestorben, und 2020 habe es eine nie dagewesene Brandsaison gegeben, mit schweren Feuern unter anderem in der Sperrzone um Tschernobyl. Von der ukrainischen Regierung geplante Reformen in der Forstwirtschaft verzögerten sich durch den Krieg.

CO2-Speicher neu berechnet

Die Ukraine, in der kein Ende des Kriegs absehbar ist, stellt natürlich einen besonders extremen Fall dar. Doch die Veränderungen in der Waldbewirtschaftung und andere Landnutzungsänderungen, ausgelöst durch die politischen Umwälzungen der letzten Jahrzehnte, führen praktisch in allen Ländern in Osteuropa zu einem Einbruch dieses klimastabilisierenden Faktors.

 

Dabei bergen gerade die osteuropäischen Wälder ein großes Potenzial als langfristiger "Kohlenstoff-Speicher", wie ein internationales Forschungsteam unter Mitwirkung des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) jetzt in einer Studie aufgezeigt hat.

Das Team um KIT-Expertin Karina Winkler hat die CO2-Speicher in Europas Vegetation mit aktuellen Daten neu berechnet. Dazu nutzte es Waldinventuren, nationale Statistiken, satellitengestützte Biomasse-Abschätzungen sowie Computermodelle.

Die Kohlenstoffbilanz ergab, dass die Landoberfläche Osteuropas im letzten Jahrzehnt pro Jahr rund 410 Millionen Tonnen "C" in Biomasse binden konnte. Das entspricht etwa 78 Prozent der gesamten Kohlenstoff-Speicherung des Kontinents in diesem Sektor. Auf den Westen Europas entfielen nur 22 Prozent.

Detailliert betrachtet wurden dafür die Daten aus 13 osteuropäischen Ländern – ein Gebiet von Polen im Westen bis zum russischen Uralgebirge im Osten, von der Halbinsel Kola im Norden bis nach Rumänien im Süden. Es zeigte sich, dass die größten Speicher im Grenzgebiet zwischen der Ukraine, Weißrussland und Russland, im südlichen Ural und auf der Kola-Halbinsel liegen.

Das Problem: Die Kohlenstoff-Aufnahme war in den untersuchten Jahren 2010 bis 2019 nicht konstant, sondern rückläufig. Das heißt, die osteuropäische Speicherfähigkeit wird kleiner.

Mehr Holzeinschlag

Als Hauptursache ermittelte das Team Änderungen in der Nutzung der Wälder und der Agrarflächen. Vor allem der festgestellte stärkere Holzeinschlag im Westen Russlands sowie eine Verringerung von Waldaufwuchs auf nicht mehr genutzten Agrarflächen wirkten sich hier aus.

Hinzu kamen Umweltfaktoren, darunter höhere Temperaturen und Dürreperioden. Leicht positiv auf die Speicherung wirkte sich die erhöhte CO2-Konzentration in der Luft aus, die Bäume und andere Pflanzen schneller wachsen lässt.

Das Forschungsteam befürchtet, dass die Speicherfähigkeit der osteuropäischen Wälder weiter abnehmen wird, wenn die Forstpraxis nicht geändert wird und der Klimawandel etwa durch weitere Trockenjahre noch stärker zuschlägt.

"Dabei wäre eine stabile, große Kohlenstoffsenke der osteuropäischen Wälder für den Plan der EU, netto null Emissionen zu erreichen, von wesentlicher Bedeutung", sagte KIT-Expertin Winkler gegenüber Klimareporter°. Um die Speicherung zu verbessern, sei eine angepasste, naturnahe Waldbewirtschaftung mit einem zuverlässigen Überwachungssystem dringend erforderlich.

 

In der Ukraine sollen die Reformen im Forstsektor trotz des Krieges weitergehen. Erklärte Ziele der Regierung in Kiew sind unter anderem eine nachhaltige Waldbewirtschaftung, die Anpassung an den Klimawandel und die Schaffung von Waldbeständen, in denen die Brandgefahr verringert ist. Beim Projekt "Green Country" zum Beispiel geht es um die Wiederaufforstung geschädigter Wälder – und damit die Stärkung des Kohlenstoff-Speichers.