Klimareporter°: Herr Fell, auf dem EEG‑Konto, von dem die gesetzliche Förderung für Windkraft, Photovoltaik und Bioenergie bezahlt wird, waren letztes Jahr noch 15 Milliarden Euro, Anfang 2024 war es keine Milliarde mehr. Warum ist das Guthaben so schnell geschmolzen?
Hans-Josef Fell: Wegen der sehr hohen Erdgaspreise gab es 2022 und 2023 auch sehr hohe Strompreise an der Börse. Diese spülten erhebliche Einnahmen auf das EEG-Konto. Durch den Ausbau der erneuerbaren Energien ist deren Einspeisung ins Netz stetig gestiegen.
Weil Ökostrom viel billiger als Strom aus Erdgas ist, sanken damit die Strompreise an der Börse stark, auch sind die Erdgaspreise zurückgegangen. Jetzt verzeichnet das EEG-Konto also kaum noch Einnahmen.
Der Vorgang zeigt, wie verfehlt die 2009 vom damaligen Umweltminister Sigmar Gabriel angestoßene EEG-Novelle war, wonach der gesamte EEG-Strom an der Strombörse verramscht werden musste.
Wenn das EEG-Konto wirklich in die Miesen rutschen sollte, erhalten die EEG-geförderten Anlagen dann kein Geld mehr für den erzeugten Strom, obwohl sie einen gesetzlichen Anspruch darauf haben?
Nein, das käme einem grundgesetzwidrigen Eingriff in das private Eigentum gleich. In Spanien beispielsweise hatte der Gesetzgeber vor 15 Jahren eine rückwirkende Senkung der Vergütung von Bestandsanlagen beschlossen. Diese ist aber vor Gerichten gescheitert und der Staat musste hohen Schadenersatz zahlen.
Nach vorläufigen Schätzungen müssen in diesem Jahr bis zu zehn Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt fließen, um die EEG-Förderung abzusichern. Die großen Netzbetreiber fordern jetzt offenbar weitere Milliarden vom Bundeswirtschaftsministerium.
Bisher kam das Geld aus dem Klima- und Transformationsfonds, dem aber letztes Jahr bekanntlich 60 Milliarden Euro durch das Urteil des Verfassungsgerichts verloren gingen. Kann der Fonds die Förderung dennoch aufbringen?
Wenn diese zehn Milliarden nicht aus dem Klimafonds bezahlt werden können, müssen sie eben aus dem generellen Steuerhaushalt genommen werden.
In beiden Fällen bedeutet es aber, dass an anderer Stelle massiv gekürzt werden muss, um die Schuldenbremse einzuhalten. Das könnte dann andere wichtige Hilfen für Klimaschutzinvestitionen betreffen, wie den Umbau der Wärmeversorgung oder den Umstieg auf E-Mobilität. Es könnte aber auch Finanzierungen aus den Etats für Soziales, Bildung oder Verkehr betreffen. In jedem Fall ein erheblicher Eingriff für die Betroffenen.
Würde dagegen endlich bei den bis zu 70 Milliarden Euro an fossilen Subventionen massiv gekürzt, dann wäre die Finanzierung der EEG-Umlage gesichert und es wäre sogar noch ein erheblicher Beitrag für den Klimaschutz verfügbar.
Am schlimmsten aber wäre, käme eine Debatte auf, neue EEG-Anlagen nicht mehr zu fördern, weil das Steuergeld dafür fehle. Das wäre eine massive Ausbaubremse für die erneuerbaren Energien und ein riesiger Schaden für den Klimaschutz.
Bis Mitte 2022 wurde die EEG-Förderung aus der EEG-Umlage bezahlt, die Stromverbraucher auf jede Kilowattstunde zu zahlen hatten. Die Umlage wurde abgeschafft, weil man den Strompreis senken wollte.
Sie warnten damals, dass die Verschiebung der EEG-Förderung in den Bundeshaushalt die erneuerbaren Energien der politischen Willkür aussetzt. Ist das sogar schneller eingetreten, als Sie es befürchteten?
Der Wechsel war von vornherein Unsinn. Da fast alle Stromkunden auch Steuern zahlen, ist das für die Steuer- und Stromzahler ohnehin nur eine Umschichtung aus der linken in die rechte Tasche.
Hans-Josef Fell
ist Präsident der Energy Watch Group, eines internationalen Energiewende-Thinktanks. Als langjähriger Bundestagsabgeordneter der Grünen war er Mitautor des Erneuerbare-Energien-Gesetzes von 2000 und einer der wichtigsten Vorantreiber der Energiewende in Deutschland und Europa.
Zeitgleich mit der Abschaffung der EEG-Umlage stieg der Strompreis sogar, wegen höherer Erdgaspreise. Die Abschaffung hat den gewünschten Effekt also komplett verfehlt.
Aber die längerfristigen Effekte sind nun schlimm: Zum einen spricht jetzt der Finanzminister, der die Schuldenbremse einhalten muss, bei der Finanzierung der EEG-Umlage mit. Er schaut zuerst auf die Beschränkung der Ausgaben.
Wegen der Steuerfinanzierung erhielt die EEG-Förderung nun den Status einer EU-Beihilfe, womit die EU-Kommission ihren Zugriff auf die Gestaltung des EEG bekam.
Die EU-Kommission muss wegen des Euratom-Vertrages dem Ausbau der Atomenergie den Vorrang einräumen und hat auch Erdgas als grüne Energie etikettiert. Dem Ausbau von Atom und Erdgas steht der Ausbau der Erneuerbaren diametral entgegen.
Daher bremst die Kommission hier massiv, beispielsweise indem sie Druck auf die Mitgliedsstaaten ausübte, den Ausbau der Erneuerbaren auf Ausschreibungen umzustellen statt auf eine feste Einspeisevergütung. Das hat der Bürgerenergie und dem Ausbau von Ökostrom insgesamt sehr geschadet.
Sie fordern, wieder zur EEG-Umlage auf den verbrauchten Strom zurückzukehren. Das würde gerade für private Haushalte und Gewerbebetriebe, die einst den Löwenanteil der Umlage bezahlten, den ohnehin hohen Strompreis weiter erhöhen. Gibt es keine andere Möglichkeit?
Die Lösung, alle neuen EEG-Anlagen wieder aus dem Strompreis zu finanzieren, bleibt die sinnvollste. Der Strompreis würde jetzt kaum mehr belastet, weil der Neubau von Ökostromanlagen auch in Verbindung mit Speichern inzwischen viel kostengünstiger geworden ist als der Neubau und sogar der Weiterbetrieb von Atom-, Erdgas- oder Kohlekraftwerken.
Damit würde der Strompreis so gut wie nicht mehr steigen, sondern mit dem allmählichen Abschalten von Kohle und Erdgas immer mehr sinken.
Zudem hätten wir keinen Spardruck mehr vom Finanzminister und vor allem auch keine Gängelung mehr von der EU-Kommission, weil die Vergütungen für EEG-geförderte Neubauten keine Beihilfe mehr wären.
Immerhin ist nach dem Lissabon-Vertrag jeder Mitgliedsstaat frei, seinen Energiemix selbst zu bestimmen. Nur über das Beihilferecht kann die EU-Kommission ihre Atom- und Erdgaspolitik gegen die erneuerbaren Energien durchdrücken.
Im vergangenen Monat, also selbst im Winter, sank der Kilowattstundenpreis an der Strombörse auf wenige Cent, war teilweise sogar negativ. An der Börse ist die Elektrizität wieder fast so preiswert wie vor dem Ukraine-Krieg – nur offenbar haben die privaten Haushalte davon bisher nicht viel. Wie kann das geändert werden?
Ja, es ist verrückt. Die erneuerbaren Energien sind die Billigmacher. Aber die Stromkunden der großen Energiekonzerne spüren das nicht, trotz Erneuerbaren-Ausbau.
Daher muss endlich das Merit-Order-Prinzip an der Strombörse abgeschafft werden, denn dieses bewirkt, dass der teure Erdgasstrom die Börsenstrompreise insgesamt hochtreibt.
Gelingen kann das, wenn es endlich eine zielführende Strommarktreform gibt. Dazu könnte man eine zweite Strombörse nur für Ökostrom schaffen, an der auch alle einkaufen können. Dann würden viele schnell nur den billigen Ökostrom ordern wollen.
Solange die Politik dies nicht schafft, gibt es einen alles entscheidenden Rat: Investieren Sie selbst in eigene Selbsterzeugung und Selbstverbrauch mit Ökostrom, privat oder in der Gemeinschaft mit anderen.
In wenigen Jahren werden Sie fein raus sein und was der fremde Strombezug dann kostet, kann Ihnen egal sein. Machen Sie das mit Eigenversorgung im Privathaus, mit der Mietergemeinschaft oder im eigenen Produktionsbetrieb. Oder Sie kaufen den Strom bei einem Ökostromhändler, der heute meist einen billigeren Tarif anbieten kann als die Konzerne.
Auch private PPA-Verträge mit Stromeinkauf von anderen Ökostrominvestoren, die Ihnen einen günstigen Strom mit Langfristverträgen anbieten, sind vor allem für größere Stromkunden wie Betriebe eine kostengünstige Alternative. Am Ende profitiert nicht nur Ihr Geldbeutel, sondern auch das Erdklima.