Schatulle aus verschiedenen Sorten Bernstein, Danzig, frühes 17. Jahrhundert.
Geld ist genug da. (Foto: Martin Rulsch/​Wikimedia Commons)

Gab es schon eine dickleibige Untersuchung des Umweltbundesamtes (UBA), in der Forderungen von Fridays for Future zustimmend zitiert wurden? Vermutlich nicht.

Im heute vorgelegten Bericht über "Umweltschädliche Subventionen in Deutschland" loben die UBA-Autoren die Klimaaktivisten. Das Wirken der Klimabewegung habe dazu beigetragen, in der Bevölkerung das Bewusstsein für die "katastrophalen Folgen" des Klimawandels zu schärfen.

Gut findet das UBA auch, dass die Aktivisten "vehement" den umgehenden Abbau der Subventionen für fossile Energieträger verlangen.

Der 160-seitige Subventionsbericht liest sich dabei wie ein Ratgeber für die angehende Ampel-Koalition. Mit dem Abbau umweltschädlicher Subventionen entstünden "große gesellschaftliche Vorteile", heißt es da. Umwelt- und Klimaschutz sowie Ressourcenschonung würden effizienter und effektiver – und der Staat erhalte zusätzliche finanzielle Spielräume.

Und die UBA-Experten hoffen gehört zu werden. Angesichts der hohen Verschuldung des Staates durch die Corona-Pandemie und der Notwendigkeit, viel stärker in Klimaschutz, Digitalisierung und den Aufbau nachhaltiger Infrastrukturen zu investieren, gebe es jetzt die "große Chance", beim Abbau umweltschädlicher Subventionen voranzukommen.

Zudem seien die mit dem neuen Klimaschutzgesetz festgelegten Ziele ohne einen Abbau klimaschädlicher Subventionen kaum erreichbar, insbesondere im Verkehr.

Der Bericht macht auch die ganze Widersinnigkeit derzeitiger Öko-Finanzpolitik deutlich. Da wurden im Jahr 2018 Finanzhilfen von mehr als 16 Milliarden Euro für Umwelt- und Klimaschutz ausgegeben – während die umweltschädlichen Subventionen in dem Jahr bei über 65 Milliarden lagen. Ökologisch gesehen eine klare Minusbilanz.

Die 65 Milliarden Euro sehen die UBA-Autoren dabei als Untergrenze an. Im Bericht seien nur umweltschädliche Subventionen des Bundes erfasst, nahezu keine Förderprogramme der Länder und Kommunen. Außerdem sei es in einigen Fällen nicht möglich gewesen, den umweltschädlichen Anteil der Subventionen in Zahlen zu fassen.

"Gelegenheitsfenster" für Abbauplan und Sofortprogramm

Für das Jahr 2021 liegen die Subventionen in etwa auf dem Niveau von 2018, teilte Studienautor Andreas Burger auf Nachfrage mit. Einen starken Anstieg habe es seitdem nur auf der anderen Seite gegeben – bei den Mitteln, die für Umwelt und Klima ausgegeben wurden. Diese steigen 2022 deutlich auf jährlich rund 47 Milliarden Euro.

UBA-Präsident Dirk Messner zeigte sich heute bei der Präsentation des Berichts optimistisch, bei den Koalitionären Gehör zu finden. Die künftige Regierung wolle erklärtermaßen die Schuldenbremse anerkennen und keine Steuern erhöhen. Da könnten die Subventionen ein "Reservoir" sein, sagte Messner. Es gebe für den Subventionsabbau ein "Gelegenheitsfenster".

Seine Behörde, so der UBA-Chef, rate der neuen Regierung dringend zu diesem Weg. Die Subventionen stammten aus einer Zeit, in der Umwelt- und Klimapolitik am Rande gestanden hätten. Mittlerweile sei der Klimaschutz jedoch als Jahrhundertaufgabe erkannt worden, betonte Messner, den designierten Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zitierend.

Balkendiagramm: Die Emissionen der fossilen Stromerzeugung übersteigen die aus der erneuerbaren Erzeugung um ein Vielfaches.
Die Gesamt-Umweltkosten der fossilen (links) und erneuerbaren Stromerzeugung (rechts), gemessen am Ausstoß von Treibhausgasen (blau) und Luftschadstoffen (grün). (Grafik: aus dem UBA-Bericht)

Der UBA-Präsident sieht auch bei der FDP "Bewegung". Die Liberalen sähen Marktverzerrungen, wie sie durch Subventionen entstehen, bekanntlich kritisch.

Nach Ansicht des UBA könnten in den nächsten vier Jahren, also in der kommenden Legislaturperiode, bis zu 50 Prozent der umweltschädlichen Subventionen angebaut werden. Weitere 30 Prozent ließen sich umwidmen, dazu seien aber Änderungen auf europäischer Ebene nötig.

Für Deutschland forderte Messner einen "Subventions-Abbauplan" über die vier Jahre. Wichtig sei aber auch ein "Sofortprogramm", das vor allem Dienstwagenprivileg, Pendlerpauschale und Dieselbesteuerung betreffen könne.

Autonutzer mit hohen Einkommen profitieren – aber nicht nur sie

Der Verkehr kassiert mit einem Anteil von 47 Prozent den Löwenanteil der umwelt- und klimaschädlichen Zahlungen. Zweitgrößter Empfänger ist die Energiewirtschaft (39 Prozent). Mit großem Abstand folgt der Bereich Landwirtschaft einschließlich Forst und Fischerei (neun Prozent). Bau- und Wohnungswesen erhalten fünf Prozent.

Der Abbau von Subventionen sei "nicht zwangsläufig" mit negativen sozialen Wirkungen verbunden, betont das Umweltbundesamt. Denn von den Geldern profitierten neben Unternehmen vor allem einkommensstarke Gruppen, gerade im Verkehr.

Allerdings räumen die UBA-Experten ein, dass der Abbau umweltschädlicher Subventionen in einigen Fällen zu sozialen Härten führen kann. Dies gelte es durch eine geeignete Gestaltung der Reform und flankierende Maßnahmen zu vermeiden.

Diese Sicht hat das UBA beispielsweise auf die sogenannte Pendlerpauschale. Zwar würden auch von der Entfernungspauschale Haushalte mit hohen Einkommen "weit überdurchschnittlich" profitieren. Durch den Abbau der Zahlung könnten aber in Einzelfällen soziale Benachteiligungen entstehen.

Deshalb sei es sinnvoll, Wegekosten zur Arbeit künftig im Rahmen einer Härtefallregelung steuermindernd zu berücksichtigen. Dadurch würden diejenigen entlastet, die relativ zu ihrem Einkommen sehr hohe Fahrtkosten haben. Das betreffe vor allem Fernpendler, die aus sozialen oder beruflichen Gründen lange Arbeitswege in Kauf nehmen müssen.

Umweltschädliche Subventionen laut dem neuen UBA-Bericht

Das Umweltbundesamt listet für 2018 unter anderem folgende Euro-Milliardenbeträge auf:

8,4 Befreiung des Luftverkehrs von der Energiesteuer (Kerosinsteuerbefreiung)

8,2 Steuernachlass für Dieselkraftstoff (Dieselprivileg)

6,0 Steuerausfälle durch Entfernungspauschale (Pendlerpauschale)

5,4 Entlastungen stromkostenintensiver Unternehmen bei der EEG-Umlage (Besondere Ausgleichsregelung)

5,2 steuerliche Nachlässe für Lebensmittel tierischen Ursprungs, wie Fleisch, Milchprodukte, Fisch, Eier

4,0 Mehrwertsteuerbefreiung für grenzüberschreitende Flüge

3,7 Befreiung des Stroms aus eigener Erzeugung von der EEG-Umlage, vor allem bei Unternehmen

3,6 Entlastung der Wirtschaft bei der Konzessionsabgabe für Strom und Gas

3,1 pauschale Besteuerung privat genutzter Dienstwagen

2,1 Wert der 2018 kostenlos vor allem an energieintensive Unternehmen verteilten CO2-Emissionsberechtigungen

2,0 steuerliche Entlastung für Energieerzeugnisse zur Stromerzeugung in ortsfesten Anlagen, zum Beispiel Kohle

1,9 Energie- und Stromsteuerbefreiung für energieintensive Prozesse, Begünstigung der energieintensiven Industrie bei den Stromnetzentgelten

1,7 umweltschädlicher Anteil der KfW-Wohneigentumsförderung

1,7 Entlastung von Unternehmen bei der Ökosteuerreform von 1999

1,3 Steuerbefreiung für die nicht energetische Verwendung fossiler Rohstoffe, etwa zur Herstellung von Kunststoffen

1,2 umweltschädlicher Anteil der sozialen Wohnraumförderung

1,1 Ermäßigung bei Strom- und Energiesteuern für Unternehmen, Land- und Forstwirtschaft

1,0 Steuerbegünstigung für Biokraftstoffe aus Anbaubiomasse

0,9 Steuerbefreiung für Agrardiesel, Kfz-Steuer-Befreiung landwirtschaftlicher Fahrzeuge

0,3 Steuerfreiheit für Energieerzeugnisse, die Unternehmen für den eigenen Betrieb einsetzen (Herstellerprivileg)

0,3 bei der Braunkohle Verzicht auf Förderabgabe für Bodenschätze und weitgehende Freistellung von den Wasserentnahmeentgelten

0,1 Energiesteuerbefreiung für die Binnenschifffahrt

0,1 steuerliche Begünstigung der Kohle im Wärmemarkt

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