Rohre für eine Erdgasleitung liegen an der vorbereiteten Trasse, auf dem Feld daneben werden Windräder fertiggestellt.
Was vielen Stromkunden das Leben schwermacht, erleichtert den Bau neuer Wind-, Solar- und Gaskraftwerke. (Foto: OGE)

Die Strompreise an der Börse sind im letzten halben Jahr in ungeahnte Höhen gestiegen. Das hat eine ganze Reihe von Strom-Billiganbietern in die Pleite getrieben, deren Kunden nun in die teure Grundversorgung gefallen sind, und trifft in der Wirtschaft vor allem Industriebetriebe ohne eigene Erzeugung.

Doch es hat auch unerwartete Folgen für die Ökostrom-Finanzierung. Das von den Übertragungsnetzbetreibern geführte EEG-Konto weist seit dem Start der Förderung im Jahr 2000 erstmals ein Rekord-Guthaben von über zehn Milliarden Euro aus (siehe Grafik unten).

Um die Größenordnung zu verdeutlichen: Über das EEG-Konto erhielten die Ökostromerzeuger zuletzt jährliche Zuschüsse von insgesamt 22 bis 24 Milliarden Euro.

Aktueller Grund für den Rekordüberschuss, der Ende vergangenen Jahres rund 10,6 Milliarden Euro erreichte, sind die Börsenpreise, die höher liegen als die garantierten EEG-Fördersätze für viele Wind- und Solaranlagen und damit Zuschüsse für die Ökoenergie unnötig machen.

Seit 2010 muss der erzeugte Ökostrom an der Börse verkauft werden. Ein Großteil der Betreiber erhält nur dann Geld vom EEG-Konto, wenn der Verkaufserlös unter der zugesagten Einspeisevergütung liegt.

Derzeit wird das EEG-Konto in vielen Fällen nicht belastet, da die Strompreise am Spotmarkt der Börse von durchschnittlich fünf Cent pro Kilowattstunde im ersten Halbjahr 2021 auf über 22 Cent im Dezember gestiegen sind. Zum Vergleich: In den Ausschreibungen wurden den Betreibern von Solarstrom- und Windkraft-Anlagen an Land zuletzt Mindestvergütungen von nur noch fünf bis sechs Cent pro Kilowattstunde zugesichert.

Doch auch ältere Anlagen, die noch eine höhere Einspeisevergütung erhalten, belasten das EEG-Konto nicht mehr oder immer weniger.

"Viele haben sich an die Überkapazitäten gewöhnt"

Noch 2020 war das ganz anders. Damals lagen die Börsenstrompreise teils unter zwei Cent pro Kilowattstunde, und die Ökostrom-Forderung stieg so stark an, dass der Bund vor einem Jahr gut fünf Milliarden Euro aus dem Haushalt zuschoss, um das Loch im EEG-Konto auszugleichen. Zwei weitere Milliardenspritzen folgten.

Ein Hauptgrund für die niedrigen Börsenpreise sei der über Jahre gewachsene Stromanteil an erneuerbaren Energien gewesen, der zu einem Überangebot auf dem Strommarkt führte, so das Internationale Wirtschaftsforum Regenerative Energien (IWR) in Münster.

"An die jahrelangen Überkapazitäten mit extrem niedrigen Preisen auf dem Strommarkt haben sich viele Akteure gewöhnt und die Zeichen des Wandels nicht rechtzeitig erkannt", erläuterte IWR-Direktor Norbert Allnoch.

Als Ursachen für die seit einem halben Jahr so rasant steigenden Börsenstrompreise sieht das IWR unter anderem Stilllegungen von konventionellen Kraftwerken, geringere Kraftwerksverfügbarkeit durch Wartungsverschiebungen wegen Corona sowie Ausfälle von Atomkraftwerken aufgrund von Wartungsarbeiten und Reparaturen.

So habe die ungeplante Abschaltung von vier AKW in Frankreich vor Weihnachten laut dem Netzbetreiber RTE dort zu einem massiven Stromimport bis an die Kapazitätsgrenzen geführt – mit Auswirkungen auf die Strompreise in ganz Europa.

Jetzt rechnen sich neue Gaskraftwerke

Die IWR-Experten erwarten, dass die Zeiten des extrem billigen Börsenstroms erst einmal vorbei sind. Höhere Strompreise am Markt seien aber auch notwendig, damit in neue Kraftwerke investiert wird.

Allnoch dazu: "Auf der Kalkulationsbasis von zwei Cent pro Kilowattstunde Strom rechnen sich keine neuen Kraftwerke, weder neue Gaskraftwerke noch solche mit Grüner-Wasserstoff-Option."

Balkengrafik: Entwicklung des EEG-Kontos seit 2018, mit einem Absinken 2019 und 2020 und einem Anstieg 2021.
Entwicklung des EEG-Kontos seit 2018. (Grafik: Bruno Burger/​Fraunhofer ISE)

Die weitere Entwicklung der Börsenstrompreise werde vom Tempo der Stilllegung konventioneller Kraftwerke und des Ausbaus der Ökoenergien sowie vom Neubau von Gaskraftwerken abhängen.

In diesem Jahr werden hierzulande noch die restlichen drei AKW abgeschaltet, zudem plant die Ampel-Regierung einen Kohleausstieg "idealerweise" bis 2030. Im Gegenzug sollen die Solar- und Windenergie beschleunigt ausgebaut werden, zudem will die Ampel Erdgaskraftwerke errichten lassen, die später mit Wasserstoff betrieben werden können.

Die EEG-Umlage will die Regierung ab 2023 ganz abschaffen, die Erneuerbaren-Förderung soll dann komplett aus dem Bundeshaushalt finanziert werden. Bleiben die Börsenstrompreise hoch, kommt das den Bund deutlich billiger als bisher kalkuliert.

Die Abschaffung der Umlage soll die Verbraucher bei den Stromkosten entlasten sowie die Elektromobilität und den Umstieg auf Wärmepumpen beim Heizen attraktiver machen.

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