In großen finanziellen Schwierigkeiten steckt die Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP, weil ihr das Bundesverfassungsgericht 60 Milliarden Euro gestrichen hat.

Das oberste Gericht gab am Mittwoch einer Klage der oppositionellen Unionsfraktion statt, indem es eine Übertragung nicht benötigter Staatsschulden aus der Corona-Krise in den Klimafonds der Bundesregierung als Verstoß gegen die Schuldenbremse einstufte.

Daraufhin verhängte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) eine Ausgabensperre für den Fonds ab 2024, bis ein neuer Wirtschaftsplan ausgearbeitet sei.

Kurz nach der Bundestagswahl im Herbst 2021 und der Bildung der Ampel-Regierung hatten SPD, Grüne und FDP im Februar 2022 beschlossen, 60 Milliarden Euro nicht verbrauchter Corona-Kredite aus dem Bundeshaushalt 2021 in den Klima- und Transformationsfonds zu überführen und damit für die Zukunft verfügbar zu halten.

Damit legte die neue Koalition ein Finanzpolster an, um Investitionen in Klimaneutralität zu ermöglichen, gleichzeitig offiziell aber auch die Schuldenbremse im Grundgesetz ab 2023 wieder einzuhalten. Letzteres war vor allem der Wunsch von Finanzminister Lindner.

"Mit dem Grundgesetz unvereinbar und nichtig"

Das Bundesverfassungsgericht urteilte jedoch nun, dass "das Zweite Nachtragshaushaltsgesetz 2021 mit dem Grundgesetz unvereinbar und nichtig ist". Zur Begründung hieß es, der Zusammenhang zwischen der Corona-Pandemie als außergewöhnlicher Notsituation und der späteren Verwendung des Geldes sei nicht klar.

 

Außerdem verstoße eine Verschuldung auf Vorrat gegen das Prinzip der "Jährigkeit" der Haushaltsführung. Schließlich sei der Bundeshaushalt 2021 bereits abgeschlossen gewesen, als die neue Koalition 2022 nochmal nachträglich in ihn eingriff.

"Die Entscheidung hat zur Folge, dass sich der Umfang des Klima- und Transformationsfonds um 60 Milliarden Euro reduziert", erklärte das Gericht.

Die Richterinnen und Richter legen also Wert darauf, dass die 2021 geplanten Schulden für Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie gedacht waren – und nicht beispielsweise für die Förderung von Solarkraftwerken, für die sie nach Beschlüssen der Ampel unter anderem dienen sollen. Die Ampel hatte argumentiert, der Zusammenhang sei gegeben, weil es auch darum gehe, die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise zu überwinden.

Für Klimaschutzmaßnahmen wird es schon 2024 eng

Ohne die 60 Milliarden Euro könnte es im Klimafonds schon kommendes Jahr eng werden. Die regelmäßigen Einnahmen des Fonds belaufen sich auf 20 bis 30 Milliarden pro Jahr, unter anderem aus dem Verkauf von Emissionszertifikaten an Unternehmen. Die bisher geplanten Ausgaben für dieses und das nächste Jahr betragen dagegen jeweils 100 Milliarden Euro.

Das Geld soll unter anderem in diese Vorhaben fließen: Zuschüsse für Immobilieneigentümerinnen und -eigentümer zur klimafreundlichen Sanierung von Gebäuden, Ladesäulen für E‑Autos, Ersatz von Kohle durch Wasserstoff in der Industrie, Förderung von Solar- und Windkraftwerken, Investitionen in den Ausbau des Schienennetzes, Subventionen beispielsweise für eine Chipfabrik des US-Konzerns Intel.

Auch die 60-Milliarden-Reserve im Klimafonds ermöglichte es der Ampel bisher, ihre interne Balance zu halten. Grüne und SPD konnten Investitions- und Förderprogramme finanzieren, Lindner gleichzeitig die Schuldenbremse im Kernhaushalt einhalten.

Das wird künftig sehr viel schwieriger. Die Ausgabensperre gelte mit Ausnahme von Maßnahmen zur Förderung der Energieeffizienz und der erneuerbaren Energien im Gebäudebereich, sagte Finanzminister Lindner.

Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck (Grüne) betonte, alle zugesagten Verpflichtungen würden eingehalten. Als Beispiele nannte er die Übernahme der EEG-Umlage und damit die Senkung der Stromkosten für die Verbraucherinnen und Verbraucher, die Förderung von Gebäudesanierung durch Fenstertausch und Dämmung, die Förderung von Elektromobilität inklusive Ladeinfrastruktur, die Unterstützung von Geothermie-Projekten und den Ausbau der Fernwärme.

"Neue Steuern dürfen keine Tabus sein"

"Das höchste deutsche Gericht hat der rot-grün-gelben Haushaltstrickserei einen Riegel vorgeschoben und die Grenzen der Schuldenbremse klar aufgezeigt", kommentierte CSU-Haushaltspolitiker Sebastian Brehm den Erfolg seiner Fraktion.

Das Urteil betreffe "die gesamte Haushaltspolitik", sagte Unionsfraktionsvize Mathias Middelberg. Möglicherweise werde auch der Wirtschaftsstabilisierungsfonds, ein weiterer Nebenetat, dadurch "infiziert".

"Mit der unsinnigen Schuldenbremse haben sich SPD, Grüne, FDP und CDU/​CSU selbst ein Bein gestellt", erklärte Gesine Lötzsch, Vizechefin der Linksfraktion. Die Schuldenbremse diene nur der leichteren Durchsetzung von Kürzungen im Sozialbereich.

 

Katja Mast, Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD im Bundestag, zeigte sich offen für eine Debatte über die Schuldenbremse. Auch die Grünen senden entsprechende Signale.

"Wir brauchen ein Update für unsere Verschuldungsregeln, wenn wir künftig in die Zukunft des Landes investieren, die Verteidigungsausgaben wie versprochen steigern, den Umbau unserer Energieversorgung langfristig sichern und daneben noch Schulden bei steigenden Zinsen tilgen wollen", sagte der grüne Finanzminister von Baden-Württemberg, Danyal Bayaz.

Martin Kaiser, Vorstand der Umweltorganisation Greenpeace, betonte: "Kredite, neue Steuern und der Abbau klimaschädlicher Subventionen dürfen keine Tabus sein." 

Lesen Sie dazu unseren Kommentar: Ampel im Klimanotstand 

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