Klimaschützer in Deutschland haben offenbar eine neue Verbündete: Marie-Luise Wolff, am Dienstagabend wiedergewählte Präsidentin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW).
Die BDEW-Mitgliedsunternehmen vereinen nach eigener Darstellung jeweils rund 90 Prozent des bundesweiten Absatzes von Strom und Erdgas, bei Nah- und Fernwärme sind es gut 60 Prozent. Sie stellen 80 Prozent des Trinkwassers bereit und entsorgen rund ein Drittel der Abwässer – all das weist den BDEW als einen mächtigen Industrieverband aus.
Wolff, seit 2013 Vorstandschefin des Regionalversorgers Entega, war in ihrem Berufsleben auch zehn Jahre für Eon tätig – und das zu einer Zeit, als dieser Konzern erneuerbare Energien noch für eine Art Spielwiese für Spinner hielt.
In ihrer neuen Zeit als Präsidentin gehe es ihr darum, schlug sich Wolff gestern deutlich auf die andere Seite, den Klimaschutz wieder "ins Zentrum der Aufmerksamkeit" zu stellen. Es gehe nicht, zu sagen, Klimaschutz müsse man verschieben, weil man jetzt die Pandemie habe.
Für die Energie- und Wasserwirtschaft sei die Frage, wie man dem Klimawandel gerecht werden könne, das Hauptthema. "Das ist für mich das Allerwichtigste", so die Präsidentin wörtlich. Und wenn mit dem Green Deal der EU-Kommission eine Verschärfung der Klimaziele auf 50 bis 55 Prozent CO2-Einsparung anstehe, dann "müssen wir dafür sorgen, dass wir das umsetzen können", sagte Wolff.
Mehr Windkraft an Land und auf See
Natürlich sprach die Präsidentin das nicht in den luftleeren Raum, sondern erklärte sich passenderweise bei einem Medientermin, bei dem der BDEW am gestrigen Mittwoch das Konjunkturpaket und das Klimapaket der Bundesregierung auf seine Branchen herunterrechnete.
Der Verband kommt dabei zu dem Schluss, das sich mit den beiden Paketen bis 2030 Investitionen von insgesamt 320 Milliarden Euro auslösen ließen.
Die Investitionsoffensive speist sich dabei nicht nur aus dem 130-Milliarden-Corona-Konjunkturpaket, sondern auch aus zuvor schon beschlossenen Maßnahmen für Klimaschutz und Energiewende, wie dem 65-Prozent-Ökostrom-Ziel, dem Netzentwicklungsplan und der Wasserstoffstrategie.
Auch BDEW-Geschäftsführerin Kerstin Andreae stellte dabei auf die besondere Wirksamkeit von Klimaschutz-Investitionen ab. "Wenn wir jetzt immer hören, im Klimaschutz mal langsamer zu machen – dann ist das auch aus wirtschaftspolitischer Sicht falsch", sagte sie.
Die Energiebranche sei der Sektor, der Dekarbonisierung und Energiewende betreibe und gestalte. Per Klimaschutz könne man, schlug Andreae in die Kerbe von Wolff, auch in anderen Branchen Investitionen anreizen – und zugleich die Klimaziele erreichen.
"Dazu aber müssen Fesseln gelöst und Marktimpulse gesetzt werden", betonte Andreae und forderte einen "forcierteren Ausbau" von Windkraft an Land sowie auf See, beschleunigte Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie einen Abbau von Bürokratie. Dann würden sich "signifikante wirtschaftspolitische Impulse" ergeben.
EEG-Umlage bei fünf Cent einfrieren
Zu den "Entfesselungs"-Maßnahmen zählt der BDEW weiter: Senkung der EEG-Umlage ab 2021 auf maximal fünf Cent je Kilowattstunde und "Einfrieren" auf diesem Niveau, Absenken der Stromsteuer auf das europarechtlich zulässige Minimum, Vorantreiben der Wärmewende, verlässlicher Investitionsrahmen für Netze, schnellerer Ausbau der digitalen Infrastruktur sowie der Lade- und Tankinfrastruktur für klimafreundliche Mobilität.
Bei der EEG-Umlage ist dem Verband, wie Andreae auf Nachfrage erläuterte, weniger die absolute Senkung von derzeit 6,75 Cent auf fünf Cent wichtig, sondern das dauerhafte "Einfrieren" auf dem neuen Niveau. "Das große Problem bei der Umlage ist die fehlende Planungssicherheit", sagte die Verbandsgeschäftsführerin. Man wolle weg von andauernden Schwankungen.
Weiter sagte sie, der BDEW halte es auch im Hinblick auf den kommenden nationalen CO2-Preis für wichtig, das Fördersystem für die erneuerbaren Energien umzustellen.
Mit der Obergrenze von fünf Cent bei der EEG-Umlage reißt der BDEW allerdings keine Bäume aus. Die Bundesregierung hat im Corona-Konjunkturpaket bereits beschlossen, die EEG-Umlage 2021 und 2022 mit elf Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt bei sechs bis 6,5 Cent zu stabilisieren – das ist nicht weit von den fünf Cent entfernt.
Dennoch greift das Vorhaben der Koalition nach Ansicht von Andreae zu kurz, weil die Regierung nicht übers dauerhafte Einfrieren spreche.
Sicherheitsbereitschaft für "junge" Steinkohle
Beim derzeit im Bundestag behandelten Kohleausstiegsgesetz ist dem BDEW wichtig, dass die Umstellung der Kohlekraftwerke durch den Kohleersatz- und den KWK-Bonus ausreichend unterstützt wird. Bei "jungen, bilanziell noch nicht abgeschriebenen Steinkohlekraftwerken" würden sich viele Bürgermeister mit der Kritik melden, dass die geplante entschädigungslose Stilllegung solcher Anlagen sich direkt auf die kommunalen Haushalte niederschlage.
Konkret schlägt der BDEW hier vor, die "jungen" Steinkohlekraftwerke in eine Art "Versorgungssicherheitsreserve" zu überführen und diejenigen Kraftwerke, die nur Strom erzeugen, dabei zu unterstützen, sich eine CO2-neutrale Wärmeversorgung zuzulegen.
Diese teure Idee hat sich der Verband sicher bei der Braunkohle abgeschaut, wo derzeit mehrere große Blöcke in einer solchen "Sicherheitsbereitschaft" sind. Offiziell sollen diese Kraftwerke einspringen, wenn absolute Not im Stromnetz herrscht – davon ist aber immer weniger die Rede, seit mehr und mehr erneuerbarer Strom vorhanden ist. So werden die Braunkohle-Blöcke ohne sichtbaren Zweck, aber mit Millionenkosten betriebsbereit gehalten.
Ob eine solche Idee nun bei der Steinkohle viel mit dem wichtigen Thema Klimaschutz zu tun hat, darf man schon bezweifeln.