Der Planet Erde ist das ultimative Gemeingut der Menschheit – unser aller Allmende. Und genau das könnte die Tragik unseres Heimatplaneten sein.
Die Nutzung der Erde als Nahrungs- und Rohstofflieferant sowie als Müllkippe übertrifft deren Kapazität. Mittlerweile haben wir sechs der neun planetaren Grenzen überschritten. Unser Gemeingut ist daher in einem immer schlechteren Zustand.
Schlimmer noch: Wir drohen Kipppunkte zu erreichen, an denen Elemente des Erdsystems plötzlich in einen anderen Zustand wechseln. So könnte etwa der Regenwald im Amazonasbecken austrocknen und durch eine Savannenlandschaft abgelöst werden. Dadurch können weitere Kipppunkte ausgelöst werden und es kommt zu einer Kettenreaktion.
Die Menschheit muss also einen Weg finden, die Übernutzung der Erde zu stoppen, wenn diese auch in Zukunft noch so bewohnbar sein soll wie jetzt.
Glücklicherweise ist es kein Naturgesetz, dass Allmenden übernutzt werden. Die US-Ökonomin Elinor Ostrom hat gezeigt, dass ein nachhaltiges Management von Gemeingütern möglich ist, wofür sie im Jahr 2009 den Wirtschaftsnobelpreis erhielt.
Eine globale Institution für das Erdsystem
Eine neue Studie nutzt nun Ostroms Ansatz zur Governance von Gemeingütern und leitet daraus ein Modell für die Erde ab. Ausgangspunkt sind die bereits bestehenden Gemeingüter: die Hochsee und der Meeresboden, die Atmosphäre, die Antarktis und der Weltraum. Für deren Nutzung und Schutz gibt es bereits mehr oder weniger ausgefeilte Regelsysteme.
Am erfolgreichsten ist bislang das Montreal-Protokoll. Dank des Abkommens schrumpft das Ozonloch seit Jahren. Aber auch der Antarktis-Vertrag, die UN-Seerechtskonvention und die UN-Klimakonvention haben zumindest einen mäßigenden Einfluss auf das Handeln der Länder.
Zur Gewährleistung der "Kernfunktionen des Erdsystems, die die Widerstandsfähigkeit des Planeten regulieren" reicht das laut der Studie aber nicht aus. Zentrale Elemente des Erdsystems wie etwa der Amazonasregenwald unterliegen allein nationalem Recht.
Zudem gibt es keine übergeordnete Institution, die sicherstellt, dass die verschiedenen Verträge und Organisationen zusammen die "Kernfunktionen des Erdsystems" sichern können. In der Studie heißt es daher: "Ein Erdsystem-Governance-Ansatz erfordert eine übergreifende globale Institution, die für das gesamte Erdsystem verantwortlich ist."
Denkbar wäre hier, dass die UN-Generalversammlung diese Aufgabe übernimmt, in der jeder Staat eine Stimme hat. Diese könnte aber auch den UN-Treuhandrat damit beauftragen. Dieser war für die Dekolonisierung verantwortlich und hat nun keine Aufgabe mehr. Daher könnte man ihn zum Treuhänder des Erdsystems machen.
"Vielleicht zu träge und zu verpolitisiert"
Obwohl im Völkerrecht Ansatzpunkte existieren, um den Planeten nachhaltig zu managen, käme der "Erdsystem-Governance-Ansatz" dennoch einer Revolution gleich. Die Menschheit würde sich eingestehen, dass wir im Erdzeitalter des Menschen, dem Anthropozän, leben und damit auch die Verantwortung für das Wohlergehen des Erdsystems haben.
Dann müsste sie sich auf ein Ziel einigen, in welchem Zustand dieses System erhalten werden soll. Dieses Ziel wäre dann die Grundlage für "planetare Treuhandverpflichtungen". Im Fall von Brasilien und den anderen Ländern des Amazonasbeckens wäre dies der Erhalt des Regenwalds.
Umgekehrt würden diese Länder für ihre treuhänderische Tätigkeit auch entlohnt: "Eine rechtlich verbindliche Entschädigungsregelung wäre erforderlich für die Gastgeberländer und diejenigen, die direkt für die Verwaltung der planetaren Gemeinschaftsgüter verantwortlich sind."
Das unter rund 200 Staaten auszuhandeln, sei "herausfordernd, aber dringend erforderlich und möglich", schreiben die Autoren der Studie, darunter der Co-Direktor des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung, Johan Rockström.
Franz Perrez, Leiter der Völkerrechtsdirektion im Schweizer Außenministerium, hat allerdings Zweifel, dass die bestehenden Umweltabkommen in einen größeren Rahmen eingebettet werden sollten. "Ich bin mir nicht sicher, ob ein derart umfassender Ansatz nicht zu träge, zu bürokratisch und zu verpolitisiert würde", sagt Perrez.
Außerdem würden die Verhandlungen "mehrere Jahre" dauern und nicht zwingend zu einem Erfolg führen, warnt der Umweltjurist. Denn durch ein solches Abkommen würden "bestehende Rechte auch von großen Nationen eingeschränkt, ohne dass diese direkt davon einen Vorteil hätten".
Und damit wären wir wieder bei der "Tragik der Allmende", wo die Summe der Einzelinteressen die Kapazität eines Gemeinguts übersteigt.