Abschlussplenum zum UN-Hochseeschutzabkommen.
Nach zähen Verhandlungen auf UN-Ebene ist ein internationales Abkommen zum Schutz der hohen See geschlossen worden. (Foto: Mike Muzurakis/​IISD/​ENB)

Konsens durch Erschöpfung. Diese altbewährte Methode der internationalen Umweltdiplomatie hat erneut zum Erfolg geführt. Am Samstagabend um 22 Uhr war in New York ein Abkommen ausverhandelt, das einen besseren Schutz der Hochsee ermöglicht.

"Das Schiff hat die Küste erreicht", sagte Konferenzpräsidentin Rena Lee nach einem 38‑stündigen Verhandlungsmarathon am Schluss der zweiwöchigen Konferenz. Auf dieser wurde ein Abkommen zur Umsetzung der UN-Seerechtskonvention Unclos ausgehandelt, das erstmals die Möglichkeit schafft, Hochsee-Gebiete unter Schutz zu stellen und dort Fischfang oder Unterwasserbergbau zu verbieten.

Die Hochsee oder hohe See umfasst alle Meeresgebiete außerhalb der 200‑Meilen-Zone (370 Kilometer) und macht zwei Drittel der Meeresfläche aus – knapp die Hälfte der Erdoberfläche. Bislang war dort die Ausweisung von Schutzgebieten nicht möglich, da weder das Gewohnheitsrecht noch Unclos dafür eine Rechtsgrundlage boten.

Das neue Abkommen schafft die Möglichkeit, das UN-Artenschutzabkommen, das im vergangenen Dezember verabschiedet wurde, auch für das Meer anzuwenden. Das Artenabkommen hat zum Ziel, bis zum Jahr 2030 Schutzgebiete auszuweisen, die 30 Prozent der Land- und Meeresfläche des Planeten abdecken. Ohne die Möglichkeit, auch Hochseegebiete unter Schutz zu stellen, wäre dieses Ziel auf See schon rein rechnerisch kaum zu erreichen gewesen.

"Dies ist ein historischer Tag für den Naturschutz und ein Zeichen dafür, dass in einer geteilten Welt der Schutz der Natur und der Menschen über die Geopolitik triumphieren kann", sagte Greenpeace-Meeresexpertin Laura Meller.

Das neue Abkommen muss auf einer Folgekonferenz noch formell verabschiedet werden. Es tritt in Kraft, sobald 60 Länder es ratifiziert haben. Anschließend kann auf Konferenzen der Vertragsparteien entschieden werden, wo die neuen Schutzgebiete sind.

Entscheidend ist hier, dass dafür kein Konsens erforderlich ist, sondern Abstimmungen möglich sind. Laut Presseberichten soll dabei eine Dreiviertelmehrheit ausreichen. So kann nicht ein einzelnes Land ein Schutzgebiet verhindern.

Tiefseebergbau nur mit Umweltprüfung 

Der größte Streitpunkt war die Aufteilung der Gewinne aus der Nutzung genetischer Ressourcen im Meer. Bislang sind rund 230.000 Tier- und Pflanzenarten im Meer bekannt, aber wahrscheinlich gibt es mehrere Millionen Arten. Das Erbgut noch unbekannter Arten könnte den Schlüssel für die Entwicklung neuer Medikamente enthalten und daher sehr wertvoll sein.

Die Erforschung der Tiefsee ist jedoch kostspielig und wird daher nur von den reichen Ländern betrieben. Aus Sicht der Entwicklungsländer sind die Hochsee und die dortige Artenvielfalt aber ein "gemeinsames Erbe" der Menschheit. Daher fordern sie, von der Kommerzialisierung der genetischen Ressourcen ebenfalls finanziell zu profitieren.

Wie genau dieses Problem in New York schließlich überwunden werden konnte, war direkt nach Abschluss der Konferenz aber noch unklar, weil der Text noch nicht veröffentlicht wurde.

Ein weiterer Knackpunkt waren Umweltverträglichkeitsprüfungen für Aktivitäten, die eine Gefahr für die Artenvielfalt im Meer darstellen, wie etwa Unterwasserbergbau. Der Meeresboden ist an manchen Stellen reich an verschiedenen Metallen wie Mangan. Firmen aus einigen Ländern, darunter auch Deutschland, wollen diese Vorkommen ausbeuten.

Dabei wird viel Sand aufgewirbelt, was eine Gefahr für Arten und Ökosysteme darstellen kann. Aus diesem Grund fordern viele Staaten ein Moratorium für den Unterwasserbergbau. Die Internationale Meeresbodenbehörde ISA hat allerdings nicht die Möglichkeit, Anträge für Abbaulizenzen pauschal abzulehnen.

Indem das neue Abkommen nun Umweltverträglichkeitsprüfungen für derartige Aktivitäten vorschreibt, ist die ISA künftig besser in der Lage, ökologische Aspekte bei der Vergabe von Abbaulizenzen zu berücksichtigen. Wie genau die Regeln für diese Prüfungen aussehen, lässt sich aber mangels Text noch nicht sagen.

Geld war diesmal nicht das große Problem

Im Gegensatz zu vielen anderen UN-Umweltkonferenzen war Geld bei den soeben beendeten Verhandlungen nur ein Nebenthema. Die EU hat 40 Millionen Euro zugesagt, um ärmere Länder bei der Ratifizierung und Umsetzung des neuen Abkommens zu unterstützen.

Zudem wurden bei einer anderen Konferenz, die ebenfalls am Samstag zu Ende gegangen ist, weitere Gelder zugesagt: Die EU investiert dieses Jahr 816 Millionen Euro in der Erforschung der Meere und die USA stellen knapp sieben Milliarden Dollar für einen nicht näher benannten Zeitraum zur Verfügung. Zudem sind einige große wohltätige Organisationen im Meeresschutz aktiv.

Sobald das neue Abkommen in Kraft getreten ist, sollten also relativ schnell deutliche Fortschritte beim Schutz der Meere möglich sein.

Kommentar von Christian Mihatsch:

Kommentar von Joachim Wille:

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