Ein Windpark, eine Solar-Freiflächenanlage und Stromleitungen auf einem Feld.
Nach Windanlagen sollen künftig auch Solarparks eine Abgabe an umliegende Kommunen zahlen. (Foto: Jens Ickler/​Shutterstock)

Wer im Zuge der Klimadebatte erwartete, die große Koalition würde sich noch einmal zu wirksamen Sofortmaßnahmen aufraffen, muss diese Hoffnung jetzt endgültig begraben.

Höhere Ausbauziele für erneuerbare Energien, wie sie noch im Entwurf des Klimasofortprogramms enthalten waren, wurden in der heutigen Sitzung des Wirtschaftsausschusses nicht beschlossen.

Die beiden, Klimareporter° vorliegenden Anträge von Union und SPD – ein mehr als 100-seitiger Änderungsantrag zum Energierecht sowie ein Entschließungsantrag – beschränken sich auf minimale Verbesserungen. Dazu kommt noch eine Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, um das Repowering alter Windkraftanlagen zu erleichtern.

So bleibt es allein bei den seit Monaten bekannten Sonderausschreibungen für das kommende Jahr. Damit soll der Ausbau von Windkraft an Land um 1.100 auf 4.000 Megawatt und von Photovoltaik um 4.100 auf 6.000 Megawatt angehoben werden.

Bei der Photovoltaik verteilt sich der Zubau auf 2.000 Megawatt Freiflächen- und 2.000 Megawatt große Dachanlagen, hinzu kommen 100 Megawatt "besondere Solaranlagen" wie schwimmende oder Agriphotovoltaik.

Wie ebenfalls schon bekannt, sollen die Megawatt, die bei Wind an Land in den Ausschreibungen mangels Projekten nicht vergeben werden, in den Jahren 2022 und 2023 nachgeholt werden. Dazu soll es jeweils einen Extra-Ausschreibungstermin geben.

Nachteilig für die Windkraft ist im beschlossenen Antrag nun: Sollten die Windprojektierer auch in diesen zusätzlichen Ausschreibungen nicht genügend Gebote abgeben, soll jeweils ein Drittel der offen gebliebenen Mengen im Folgejahr – also 2023 und 2024 – im Rahmen von sogenannten Innovationsausschreibungen vergeben werden.

Bei diesen können sich zwar auch Windkraftprojekte beteiligen, doch bis dato setzten sich bei den Innovationsausschreibungen ausnahmslos Photovoltaik-Projekte durch. Die Koalition verteilt hier offenbar Strommengen von der ungeliebten Windkraft auf die verträglicher erscheinenden Solaranlagen um.

Repowerte Windräder müssen nur leiser sein als die alten

Zu den geplanten Erleichterungen beim Repowering von Windkraft gehört, dass künftig nicht mehr so umfangreich geprüft werden soll wie bei Errichtung einer neuen Windanlage. Bei der Genehmigung geht es dann vor allem darum, was sich mit der neuen gegenüber der älteren Vorgänger-Anlage ändert.

Eine Bedingung ist, dass die neue Anlage innerhalb von zwei Jahren nach Rückbau der alten errichtet wird. Der räumliche Abstand zwischen beiden kann bis zum Doppelten der Gesamthöhe der neuen Anlage betragen. Es muss also nicht ganz genau der bisherige Standort sein.

Der Prüfumfang soll schon dadurch gesetzlich reduziert werden, dass nachteilige Auswirkungen "erheblich" sein müssen. Nach dem Willen der Koalition soll die Genehmigung auch dann nicht versagt werden, wenn nach der Modernisierung nicht alle Richtwerte der Lärmschutzvorschrift TA Lärm eingehalten werden – sofern der "Immissionsbeitrag" der Windanlage nach der Modernisierung niedriger ist als der der ersetzten Anlage.

Vereinfacht gesagt: Wenn die neue Windanlage zwar nicht die TA Lärm einhält, aber leiser ist als die alte, kann die Genehmigung eigentlich nicht versagt werden.

Branchenvertreter halten das für einen ersten Schritt nach vorn. Ob die Regelungen aber vor Gericht Bestand haben werden, ist nicht sicher.

Keine konkrete Hilfe für alte Windanlagen

Eine weitere Verbesserung für die Windkraft scheint zu sein, dass eine Berichtspflicht der Bundesregierung eingeführt wird, wie die Installation von Windanlagen im Umfeld von Drehfunkfeuern der Flugsicherung erleichtert werden kann. Das erhöht den Druck in diesem Bereich weiter.

Das Wirtschaftsministerium hatte vor anderthalb Wochen verkündet, der Deutschen Flugsicherung finanzielle Mittel für die Umrüstung von Drehfunkfeuern zur Verfügung zu stellen, damit neue Wind-Flächen frei werden.

Die für 2021 und ursprünglich auch für 2022 geplanten Hilfen für ältere Windanlagen, die aus der EEG-Förderung fallen, sind für 2022 nun endgültig passé.

Die EU hatte die Beihilfe in diesem Jahr mit der Begründung genehmigt, Betreiber alter Windräder würden wegen des geringen Strombedarfs in der Pandemie überlebensgefährdende Einnahmeverluste erleiden. Für das kommende Jahr ließ die EU diesen Beihilfe-Grund aber nicht mehr gelten.

Eine andere Unterstützungslösung zog die Koalition offenbar nicht in Betracht. Für sie reichen die 2022 "am Markt erzielbaren Erlöse" für einen wirtschaftlichen Weiterbetrieb der Altanlagen aus, wie es im Antrag heißt.

Auch Freiflächen-Solaranlagen sollen Kommunen etwas abgeben

Die größte Änderung, zu der sich die Koalition aufraffen konnte, ist die Vorschrift für Betreiber von Solar-Freiflächenanlagen, wie schon bei der Windkraft Kommunen an ihren Erlösen finanziell zu beteiligen, und zwar ebenso mit 0,2 Cent pro erzeugter Kilowattstunde. Damit könnten "Planer und Projektierer von Freiflächenanlagen auf eventuelle Akzeptanzprobleme vor Ort reagieren", ist im Antrag zu lesen.

Bei der Windkraft gilt diese Beteiligung für Anlagen ab 750 Kilowatt. Die Betreiber können sich die Zahlungen an die Kommune aber vom Netzbetreiber im Rahmen der EEG-Zuschüsse erstatten lassen. Weil so die Anlagenbetreiber am Ende nicht belastet werden, wird angenommen, dass sie der – rechtlich im Kern freiwilligen – Zahlung an die Kommunen auch nachkommen.

Bei den Photovoltaik-Freiflächenanlagen ist die Lage anders. Hier gibt es EEG-geförderte, aber auch frei finanzierte Anlagen. Die mögliche finanzielle Beteiligung der Kommunen soll nach dem Willen von Union und SPD aber sowohl für geförderte als auch für ungeförderte Solar-Projekte gelten. Auch ist keine Mindestgröße vorgesehen.

EEG-geförderte Solaranlagen können sich ihre Zahlungen an die Kommune wie weiland die Windkraft aus dem EEG-Konto erstatten lassen – Investoren, die ihre Anlage selbst finanzieren, sollen diese Möglichkeit nicht haben. Ob diese sich dann herbeilassen, die Kommunen an ihren Gewinnen zu beteiligen, wird sich erst noch zeigen müssen.

EEG-Umlagebefreiung für alle H2-Erzeuger

Wie schon seit Monaten von der Branche gefordert, befreit die Koalition alle Erzeuger von "grünem" Wasserstoff – egal welcher Rechtsform und ob es ein Forschungs- oder Pilotprojekt ist – vollständig von der Zahlung der EEG-Umlage für den genutzten Ökostrom. Ausschlaggebend sei allein, ob der Strom zur Herstellung von grünem Wasserstoff in einer entsprechenden Einrichtung verbraucht wird, heißt es im beschlossenen Antrag.

Weitere Regelungen in dem mehr als 100-seitigen Papier betreffen den Ausbau der großen Gleichstromtrassen, das Netzmanagement, die Land-Anbindung von Offshore-Windparks, die Genehmigung von Smart-Meter-Gateways, den geplanten Energiekostenvergleich an großen Tankstellen sowie die Kraft-Wärme-Kopplung.

Weitere energiepolitische Wünsche einiger Branchen listete die Koalition noch in einem Entschließungsantrag auf. Darin wird die Bundesregierung – also vor allem die nach der Wahl – aufgefordert, auf EU-Ebene eine gemeinsame Regulierung und Finanzierung für den Wasserstoff und das Erdgasnetz zu ermöglichen.

Des Weiteren äußert die Koalition den Wunsch, die wirtschaftlich angeschlagenen Pumpspeicherwerke durch geringere Netzentgelte zu entlasten. Früher waren die Anlagen eine gute Ergänzung zu den gleichmäßig durchlaufenden Atom- und Kohlekraftwerken, heute werden dank der flexiblen Stromerzeugung durch Wind und Sonne immer weniger dieser Großspeicher gebraucht. In Deutschland gehören sie vielfach den großen Stromkonzernen. 

Schließlich soll die Bundesregierung auch prüfen, ob Gas- und Öl-Bohrungen in Deutschland nach Ende der fossilen Förderung möglicherweise für Geothermie-Zwecke genutzt werden können. Offenbar wollen die Gas- und Ölunternehmen ihre Löcher nicht einfach dicht machen, sondern suchen sich ein neues Geschäftsfeld für die Zeit in der Klimaneutralität.

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