Mit dem Smartphone vor einem Haus.
Die Tendenz, Geräte im Haushalt zu vernetzen, steigt. Das könnte den Stromverbrauch in die Höhe schnellen lassen. (Foto: Gerd Altmann/​Pixabay)

Vielleicht werden wir so leben: Eine Kamera am Eingang öffnet die Haustür mittels Gesichtserkennung automatisch. Im Kühlschrank liegt das auf Idealtemperatur gekühlte Feierabendbier bereit. Die Heizung hat das Wohnzimmer schon eine halbe Stunde vor Ankunft des Bewohners auf Wunschtemperatur gebracht. Jetzt kann er sich bei wohligen 21 Grad mit dem Bier in der Hand die aktuellste Ausgabe der bevorzugten Nachrichtensendung und die neuesten Facebook-Meldungen auf dem großen TV-Bildschirm anschauen, der sich natürlich von selbst eingeschaltet hat.

Wer erfahren will, wie sich das Wohnen der Zukunft anfühlen könnte, muss in den Ort Hartenfels im Westerwald fahren. Die Fertighausfirma Huf hat dort in ihrem Musterhauspark das Modell "Ausblick" gerade aufgebaut. Das Äußere besteht aus Glas und Holz. Im Innern sind überall Sensoren und alle mögliche andere Elektronik verbaut. Dafür war IBM zuständig. Der IT-Riese und der Fertighausbauer bezeichnen "Ausblick" als das "intelligenteste Haus der Welt". Künstliche Intelligenz (KI) analysiert die Verhaltensweisen der Bewohner und soll damit die gesamte Haustechnik den Gewohnheiten entsprechend optimieren, um ihr Leben angenehmer zu machen.

Das Gebäude in Hartenfels ist eine fortgeschrittene Ausprägung dessen, was unter dem Begriff Smart Home zusammengefasst wird. Georg Huf, Chef von Huf-Haus, gibt sich sehr selbstbewusst: "Mit unserem selbstlernenden Musterhaus setzen wir einen neuen Megatrend in der gesamten Baubranche."

Seit mindestens anderthalb Jahrzehnten werben IT- und Telekommunikationsfirmen für Smart Homes, weil sie ein Riesengeschäft wittern. Der Hightechverband Bitkom spricht gar von der "Wohnform des 21. Jahrhunderts". Doch die will nicht in die Gänge kommen, obwohl teilweise Interesse besteht. So hat eine Bitkom-Umfrage ergeben, dass Verbraucher Anwendungen zur Erkennung unverschlossener Wohnungstüren, angelassener Herde und nicht zugedrehter Wasserhähne gut finden.

Zu teuer, zu kompliziert und von fragwürdigem Nutzen

Eine groß angelegte internationale Befragung des US-Marktforschungsunternehmens Gartner hat vor allem eine Nachfrage nach Alarmanlagen zutage gefördert. Zwar wachse die Aufmerksamkeit fürs vernetzte Zuhause, doch Anbieter müssten nun Interesse wecken, das über den Kreis der "Early Adopter" hinausgehe, sagt Gartner-Analystin Amanda Sabia. Manager von IT- und Telekomunternehmen räumen ein, dass Smart-Home-Anwendungen oft zu teuer, zu kompliziert und von fragwürdigem Nutzen waren.

Darüber hinaus ist die Skepsis in puncto Datensicherheit groß. Inzwischen ruhen viele Hoffnungen auf einer einfachen Sprachsteuerung mittels lernfähiger digitaler Assistenten wie Alexa von Amazon oder Siri von Apple. Google setzt unter anderem auf eine Kombination seines Assistenten mit Produkten der Thermostat-Tochter Nest, um auf Zuruf die Heizung hoch- und runterzufahren oder Licht an- und auszuschalten.

Für das Musterhaus "Ausblick" werden laut IBM Wetterinformationen und Außentemperatur in der Datencloud gesammelt, damit das KI-System namens Watson Verbrauchswerte für Heizung und Strom einschätzen und selbstständig optimieren könne.

In puncto Energieeffizienz lässt sich einiges machen. Vor allem beim Heizen, 70 Prozent des gesamten Energiebudgets eines Durchschnittshaushalts gehen dafür drauf. Nach einer aktuellen Studie des Borderstep-Instituts im Auftrag des Umweltverbandes BUND kann der Energieverbrauch einer Heizung durch intelligente Systeme um bis zu 30 Prozent gedrückt werden.

Ein Programm – nach IBM-Lesart soll dies künftig ein selbstlernender Algorithmus sein – sorgt dafür, dass nur dann geheizt wird, wenn jemand im Haus ist. Das rechtzeitige Vorheizen, etwa im kühlen Winter, ist dabei kein Problem, weil der Algorithmus aufgrund ausgiebiger Daten-Analysen weiß, wann die Bewohner das Haus verlassen und wann sie wieder zurückkommen – das gilt auch im Urlaubsfall.

So ließen sich in einer durchschnittlichen Wohnung pro Jahr etwa 2.000 Kilowattstunden an thermischer Energie sparen, schreiben die Borderstep-Autoren. Das macht sich nicht nur im Geldbeutel der Bewohner bemerkbar, sondern dient auch dem Klimaschutz.

Vernetzung bedeutet permanenten Stand-by-Modus

Sind die Smart Homes also ein großer Segen für Menschheit und Umwelt und können zudem noch die Stromnetze entlasten? Die Sache ist kompliziert. Die Denkfabrik Agora Energiewende geht davon aus, dass sich der Stromverbrauch pro Haushalt in den nächsten Jahren zwar zumindest nicht erhöht, aber in etwa gleich bleibt.

Dahinter steckt der Gedanke: Im Haushalt kommen zunehmend moderne Geräte zum Einsatz, die immer weniger Strom verbrauchen. Schließlich wird der Gerätepark an "weißer Ware", wenn auch zögerlich, erneuert. Große Effekte sind zum Beispiel beim Austausch stromfressender Kühlschrank-Oldies zu erzielen. Zugleich wird allenthalben jedoch damit gerechnet, dass die Gesamtzahl der elektrischen Verbraucher pro Haushalt steigen wird.

Die Borderstep-Autoren warnen denn auch vor einer allumfassenden Digitalisierung zu Hause. Vor allem weil zur Vernetzung von Geräten gehöre, dass sie permanent angeschaltet sind. Wenn in einem Standardhaushalt die übliche weiße Ware, zehn Leuchten und die Heizung mit Schnittstellen ausgestattet sind, könnte dies allein einen Mehrverbrauch bis zu 330 Kilowattstunden pro Jahr bedeuten, was rund 100 Euro kostet.

Sollte sich der immer wieder beschworene Smart-Home-Boom tatsächlich einstellen, könne das für Deutschland einen zusätzlichen Standby-Strombedarf bis zu 15 Milliarden Kilowattstunden im Jahr 2025 bedeuten – was etwa dem Verbrauch von 4,5 Millionen Haushalten entspricht.

Dabei ist noch nicht bedacht: Vernetzung bedeutet auch, dass Smart-Home-Daten in Rechenzentren gespeichert und verarbeitet werden, was laut Borderstep-Studie einen weiteren Mehrbedarf von vier Milliarden Kilowattstunden pro Jahr in der EU bedeutet.

Aber gilt hier nicht doch der alte Sinnspruch "Wo Gefahr ist, wächst das Rettende auch"? Genauer gesagt in der Kombination aus künstlicher Intelligenz und intelligenten Stromzählern, die den Verbrauch steuern.

So könnte künftig vollautomatisch dafür gesorgt werden, dass im Kühl- und Gefrierschrank nicht nur alles frisch bleibt, sondern dass dies auch energieeffizient und netzdienlich, wie Fachleute sagen, geschieht. Steht Energie im Überfluss zur Verfügung – etwa wenn sich nachts Windräder heftig drehen –, könnte Gefrorenes auch schon mal bis auf minus 25 Grad heruntergekühlt werden. Ist die elektrische Energie mittags oder am Abend ein knappes Gut, könnte das Tiefkühlgerät für mehrere Stunden beim Strombezug aussteigen. Alles dank der Smart Meter, über die ebenfalls seit mindestens anderthalb Jahrzehnten diskutiert wird.

Datensicherheit fast wie in Militäranlagen

Die EU hat vorgegeben, dass bis 2020 mehr als 195 Millionen Geräte bei 72 Prozent der EU-Bevölkerung installiert sein sollen. Doch die Umsetzung läuft erheblich langsamer, auch in Deutschland. Erst 2016 wurde im Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende festgelegt, dass frühestens von 2020 an zunächst größere Verbraucher – mehr als 6.000 Kilowattstunden pro Jahr – mit den Zählern ausgestattet werden müssen.

Doch auch dieser Termin kann nach Ansicht des Verbands kommunaler Unternehmen und des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft wohl nicht eingehalten werden. VKU und BDEW haben Ende vorigen Jahres in einem Schreiben an die Bundesnetzagentur festgestellt, dass sich die flächendeckende Umrüstung auf Smart Meter in jedem Fall bis Ende 2021 verzögern werde.

Der Hintergrund: Das Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) dringt auf hohe Standards bei der Datensicherheit. Fast das Niveau für militärische Anlagen soll erreicht werden. Der Einbau der neuen Zähler darf erst dann im großen Maßstab beginnen, wenn drei Geräte vom BSI zertifiziert sind. Wann dies der Fall sein werde, könne man nicht sagen, so ein BSI-Sprecher.

Neun Geräte seien derzeit in der Prüfung, es gelte das Motto Sorgfalt vor Schnelligkeit. Der Sprecher weist darauf hin, dass es in Ländern mit einem zügigen Rollout, wie den Niederlanden, nun erhebliche Probleme mit der Datensicherheit gebe.

In der Tat geht es um extrem Sensibles: Das Herzstück der intelligenten Messgeräte ist ein sogenanntes Gateway. Dort laufen die Daten jedes Haushalts zusammen, und dort sollen sich auch Netzbetreiber und Dienstleister einklinken. Gateways müssten gegen Hacker abgesichert sein, um zum einen den Diebstahl persönlicher Daten von Stromkunden zu vermeiden, so der BSI-Sprecher. Zum anderen müsse verhindert werden, dass von Kriminellen über Gateways Geräte per Fernsteuerung zu- und abgeschaltet werden. Denn damit ließen sich Blackouts provozieren.

Stromspar-Chancen durch intelligente Systeme

Und wie sehen die Effekte aus, wenn es in zwei, drei Jahren mit den intelligenten Messgeräten tatsächlich so weit ist und Stromlasten der Haushalte verschoben werden können? Die Prognosen gingen weit auseinander, sagt Tobias Federico vom Analyse- und Beratungshaus Energy Brainpool. "Sie reichen für das deutsche Stromnetz unter Berücksichtigung privater Haushalte und Unternehmen von 1.000 bis 14.000 Megawatt."

Dabei gelte die Grundformel: Je stärker Lasten verschoben werden sollen – etwa vom Tag in die tiefe Nacht –, umso geringer das Umsetzungspotenzial.

Die Borderstep-Experten haben hochgerechnet, dass durch den flächendeckenden Einsatz kluger Kühl- und Gefriergeräte in deutschen Haushalten die Netzlast bundesweit um fast 800 Megawatt reduziert werden kann, was etwa der Leistung eines großen Gaskraftwerks entspricht. Für Waschmaschinen und Trockner kommt eine verschiebbare elektrische Leistung von 156 Megawatt hinzu. Sie müssten dann allerdings vorwiegend nachts laufen.

Die Auswirkungen auf die Portemonnaies der Verbraucher dürften indes überschaubar sein. Zwar geht mit dem Smart Meter das Versprechen einher, dass dann flexible Strompreise angeboten und schlaue Stromzähler darauf programmiert werden, möglichst viel billigen Nachtstrom zu kaufen. Doch das komme, so Federico, beim Endkundenpreis nur mit wenigen Cent pro Kilowattstunde an, da etwa 20 Cent des Durchschnittspreises von 30 Cent pro Kilowattstunde mittlerweile durch Steuern und Abgaben bestimmt würden.

Gleichwohl, Helmut Edelmann vom Prüfungs- und Beratungsunternehmen Ernst & Young lässt keinerlei Zweifel: "Wir brauchen intelligente Messgeräte, ansonsten werden unsere Stromnetze kollabieren." Edelmann bezieht das allerdings nicht auf die aktuelle Lage, sondern auf die Zeit, wenn zwei zusätzliche Faktoren hinzukommen, die auch in Smart-Home-Konzepten eine wichtige Rolle spielen werden.

Erstens: Zum Feierabendszenario des "Ausblick"-Bewohners gehört auch, dass er sein Elektroauto in der Garage parkt und das Ladekabel in die Steckdose steckt. Wann und wie stark dies durchschlägt, lässt sich schwer vorhersagen. Das Öko-Institut hat hochgerechnet: "Bei sechs Millionen Elektrofahrzeugen, die die Bundesregierung als Ziel für das Jahr 2030 genannt hat, liegt der zusätzliche Strombedarf bei weniger als 20 Terawattstunden pro Jahr. Dies entspricht in etwa vier Prozent des gesamten Stromverbrauchs des Jahres 2014 in Deutschland."

Stromsystem wird komplexer

Doch es geht nicht nur um jährliche Gesamtmengen, sondern auch darum, wann und wo die Autos geladen werden. Edelmann erwartet, dass in nicht allzu ferner Zukunft Millionen Pendler dies wochentags um 18 Uhr herum gleichzeitig tun könnten. "So wird eine neue Lastspitze entstehen", sagt der Ernst-&-Young-Experte, der zu einem Team gehört, das im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums künftig regelmäßig über den Status der Digitalisierung der Energiewende berichten soll; ein erster Report ist für den Herbst geplant.

E-Autos könnten für Verteilnetzbetreiber besonders in dicht besiedelten Gebieten ein Problem werden, erläutert Edelmann. Um eine übermäßige Stromnachfrage zu einem Zeitpunkt zu vermeiden, müssten intelligente Zähler dafür sorgen, dass der Ladevorgang kontrolliert abläuft und die Auslastung der Netze mitberücksichtigt.

Aber was wird aus Autofahrern, die abends oder zur Mittagszeit dringend Strom tanken müssen? Dafür brauche es einen Regelmechanismus und Anreizsysteme, sagt Edelmann. Naheliegend wäre eine Steuerung über flexible Tarife: Wer unbedingt zwischen 18 und 19 Uhr laden will, muss dafür einen höheren Preis pro Kilowattstunde zahlen.

Zweiter Faktor: "Neubauten werden künftig vornehmlich mit Wärmepumpen und in Kombination mit Wärmespeichern ausgestattet werden", sagt Veit Bürger vom Öko-Institut. Das dürfte also auch auf das Ausblick-Haus zutreffen. Wärmepumpen werden mit elektrischer Energie angetrieben. Je kälter es draußen wird, umso mehr werden zumindest die heute bei Neubauten bevorzugten Luftwärmepumpen zu einer reinen Stromheizung.

Wie hoch die Last sein wird, die Netzbetreiber künftig durch Wärmepumpen schultern müssen, hänge davon ab, in welchem Ausmaß diese zukünftig auch in bestehenden Gebäuden eingesetzt werden. Bürger erwartet für das Jahr 2050 einen Marktanteil von rund 25 Prozent.

Netzdienlich sei in jedem Fall, wenn Smart Meter dafür sorgen, dass die Wärme dann erzeugt wird, wenn viel erneuerbarer Strom im Netz ist. Zu einer automatisierten Regulierung der Nachfrage sehen viele Experten nur eine Alternative: einen extrem aufwendigen und kostspieligen Ausbau der Verteilnetze.

Wobei für Helmut Edelmann klar ist, dass das künftige Stromversorgungssystem noch erheblich komplexer wird, weil zusätzliche Bausteine hinzukommen. Etwa Batterien in Gebäuden, die Solaranlagen auf dem Dach haben. Eine verstärkte Dezentralisierung werde weitere Komplikationen bringen, zum Beispiel mit Mikronetzen für Stadtquartiere, wo auch Blockheizkraftwerke zum Einsatz kommen.

Dazu können dann noch Blockchain-Anwendungen kommen, die es ermöglichen, dass Nachbarn untereinander über das Internet mit einem sicheren Verfahren Strom kaufen und verkaufen. Das könnte auch für Ausblick-Bewohner eine interessante Sache werden. "Aber dafür brauchen wir dann in jedem Fall Smart Meter, um die erzeugte und verbrauchte Energie zeitlich exakt messen und abrechnen zu können", sagt Edelmann.

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