Ein Windpark, im Vordergrund liegen neue Rotoren für das Repowering.
Beim Repowering hat die Windbranche noch Hoffnungen auf Beschleunigung. (Foto: Jens Meier/​BWE)

Ohne massiven Ausbau der Windkraft an Land gibt es keine Klimaneutralität. Für die Bedeutung der Windkraft onshore gibt es inzwischen viele Sprachbilder: Sie sei das "Rückgrat" der Energiewende oder das "Arbeitspferd" oder das "Last- und Zugpferd".

Das letztere Bild vom schuftenden Vierbeiner findet sich in einem offenen Brief an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Umweltministerin Svenja Schulze (SPD), unterzeichnet von 40 Energieunternehmen und Verbänden, darunter kommunale Spitzenverbände und große Naturschutzorganisationen.

Gefordert wird in dem Schreiben, die Finanzierung der Fachagentur Windenergie an Land (FA Wind) noch vor der Bundestagswahl langfristig zu sichern. Die Fachagentur genieße Achtung und Anerkennung – bei den Verbänden und Unternehmen, den Ländern und auch den Naturschutz- und Umweltverbänden.

Die FA Wind leiste eine immense Arbeit, um Ausbauhemmnisse für die Windkraft zu analysieren, unterschiedliche Akteure zusammenzubringen und konsensfähige Lösungen zu erarbeiten.

Wer sich hierzulande mit Windkraft befasst, kann sich nur wundern, warum mit dem Infragestellen der Fachagentur dem "Arbeitspferd" de facto ein Bein weggeschlagen werden soll. "Diese Agentur wird gebraucht", betont auch Wolfram Axthelm, Geschäftsführer des Windenergieverbandes BWE. "Sie ist neutral und anerkannt und begleitet den Ausbau der Windenergie durch viele Hilfestellungen", sagte Axthelm Ende letzter Woche bei einem Branchentermin.

Die FA Wind, rechtlich ein gemeinnütziger Verein, erhält zwar Beiträge von den ordentlichen und fördernden Mitgliedern. Laut Satzung sind das aber ergänzende Finanzmittel. Die wesentlichen Gelder stammen aus Förder- und Drittmitteln, aus Forschungsaufträgen und Zuwendungen.

Wirtschaftsministerium soll sich bekennen

Wichtigster Finanzier des Jahresetats der Fachagentur ist laut Medienberichten das Bundeswirtschaftsministerium, das nahezu eine Million Euro besteuern soll. Ob dieser Zuschuss ab Ende 2022 erneut verlängert wird, ist aber seit Monaten ungeklärt.

Offizieller Grund für das Zögern soll, soweit zu hören ist, sein, dass eine weitere Finanzierung der FA Wind nur als sogenannte institutionelle Förderung möglich wäre. Dafür sei im Haushalt des Ministeriums aber kein Platz.

Beobachter fragen sich allerdings, warum angesichts der Milliarden, mit denen derzeit etwa "grüne" Wasserstoffprojekte gefördert werden, nicht eine Million für die fachliche Begleitung von Windkraft an Land aufzutreiben sein soll – zumal Windkraft auch für die Wasserstoffwirtschaft das "Arbeitspferd" sein müsste, um genügend Ökostrom bereitzustellen.

Für Axthelm, der selbst im Vorstand der FA Wind sitzt, ist es "völlig unverständlich", wie das Wirtschaftsministerium sich hier verhält. Das Ministerium müsse sich zur Fachagentur "jetzt bekennen – oder eben auch nicht", sagte er. "Man muss mal Ja oder Nein sagen an dieser Stelle. Das wird man nicht über den Wahltag hinausschleppen."

Die Hängepartie um die Fachagentur aber ist bei Weitem nicht die einzige regierungsoffizielle Enttäuschung, mit der die Windbranche derzeit hadert.

Auch Axthelm beobachtet, dass mit dem Klima-Urteil des Verfassungsgerichts und dem neuen Klimaneutralitätsziel 2045 der Druck "sehr groß" wird, etwas gegen die Hemmnisse beim Windausbau zu tun. Für ihn müssen auf die hohen Ziele im neuen Klimagesetz nun auch Maßnahmen folgen.

Klimapolitische Bremsspur der Koalition

Der BWE-Geschäftsführer äußerte aber große Zweifel, ob die Bundesregierung die Kraft dazu habe und den Ausbau der erneuerbaren Energien doch noch einmal beschleunige. Es gebe es keine Anzeichen, dass die Regierung die bisherigen Ausbaumengen bei der Windkraft an Land – für 2022 sind jetzt 4.000 Megawatt geplant – erweitern wolle.

Tatsächlich zeigt sich bei der großen Koalition eher eine klimapolitische Bremsspur. Ein Indiz dafür ist, dass aus dem berühmten Entschließungsantrag der Groko aus dem Dezember 2020, der die allerneueste EEG-Novelle begleitet, "ganz wichtige Punkte immer noch nicht berücksichtigt sind", wie Axthelm beklagt. Und zwar alles, was Änderungen am Baugesetzbuch, am Raumordnungsgesetz und am Bundesnaturschutzgesetz betreffe.

Der einzige Punkt, der für Wind an Land noch geregelt werden könnte, sind voraussichtlich Änderungen im Bundes-Immissionsschutzgesetz, um das Repowering alter Windanlagen zu beschleunigen.

Ironie der Geschichte hier: Windbranche und Länder halten den bisherigen Regelungsvorschlag der Koalition, wie er im entsprechenden Gesetzentwurf gemacht wird, für ungeeignet und nicht anwendbar. Laut Axthelm reden die Koalitionsfraktionen aber wenigstens noch übers Repowering miteinander.

"Die Barrieren müssen weg"

Unklar ist allerdings auch, ob die Branche die für 2022 von der Koalition beschlossene Aufstockung der Windkraft-Ausschreibungen um 1.100 auf 4.000 Megawatt überhaupt mit Projekten abdecken kann.

So war die erste Auktion dieses Jahres im vergangenen Februar deutlich unterzeichnet – von den ausgeschriebenen 1.500 Megawatt konnten mangels Projekten für nur 691 Megawatt Zuschläge erteilt werden. Der starke Fehlbetrag sei "doch etwas überraschend" gewesen, räumte Axthelm ein.

Infolge der Unterzeichnung hatte die Bundesnetzagentur dann, wie gesetzlich vorgeschrieben, die jüngste Ausschreibung im Mai von 1.500 auf 1.243 Megawatt reduziert. Seit Wochen warte die Branche hier aber auf die Ergebnisse, kritisierte der Verbandsgeschäftsführer.

Die 2021 nicht ausgeschriebenen Mengen sollen laut dem Koalitionswillen im nächsten Jahr nachgeholt werden. Damit die Windbranche dann genügend Projekte in die Ausschreibungen geben kann, müssten schon dieses Jahr deutlich mehr Anlagen genehmigt werden – um die 4.000 Megawatt, schätzt Axthelm.

Das erfordere eben, dass die Bundesregierung nochmal zügig und schnell nachsteuere, wiederholte er sich. "Wir müssen die Barrieren wegschaffen."

Eine schnelle Idee hat Axthelm auch. Der Bundesverkehrsminister könne bei den Drehfunkfeuern der Flugsicherung "mit einem Federstrich" die international üblichen Abstände auch für Deutschland gelten lassen. Das würde mehr als 2.000 Megawatt sofort in die Nähe der Genehmigung bringen, rechnete er vor.

Vielleicht braucht es ja zehn Zugpferde, um den Verkehrsminister hier zum Federstrich zu zerren.

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