Ein fast quadratischer Teich inmitten von Weinstöcken ist fast vollständig mit schwimmenden Solarmodulen bedeckt.
Schwimmende Photovoltaik – hier auf dem Bewässerungsteich eines kalifornischen Weingutes – könnte auch hierzulande das Platzproblem der erneuerbaren Energien lösen helfen. (Foto: SPG Solar/​Wikimedia Commons)

Fläche ist die neue Währung bei den erneuerbaren Energien, prophezeite Felix Christian Matthes vom Öko-Institut im Oktober 2018. Der Energieexperte stellte damals eine Studie vor, die sich fragte, wie viele Quadratkilometer in Deutschland denn für die Energiewende mit Windrädern und Solarmodulen bestückt werden müssen.

Für das Zieljahr 2050 kam die Studie auf einen Flächenanteil von 1,9 Prozent – bei großen regionalen Unterschieden. Im Süden Deutschlands würde wegen der stärkeren Sonnenscheindauer die Photovoltaik dominieren, der Norden bliebe Domäne der Windkraft.

Allein bei Photovoltaik müsse die installierte Leistung bis 2050 von derzeit 50.000 auf mehr als 300.000 Megawatt steigen, so die Studie weiter. Zwei Drittel des Zubaus sollen dabei auf gebäudeintegrierte Solaranlagen vor allem auf Dächern entfallen und ein Drittel auf Freiflächenanlagen.

Für eine erfolgreiche Energiewende braucht Deutschland sogar bis zu 500.000 Megawatt Photovoltaik, das Zehnfache der heutigen Kapazität, sagt nun das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg voraus.

Um die neue Ökowährung Fläche ist schon jetzt ein Kampf entbrannt. Das zeigt nicht nur die mit harten Bandagen ausgetragene Debatte um die 1.000-Meter-Abstände für Windkraft. Auch um Flächen für neue Solarstrom-Anlagen wird scharf gestritten.

Weil sich von der gleichen Fläche mit Solaranlagen zehn- bis hundertmal mehr Energie gewinnen lasse als mit sogenannten Energiepflanzen wie Mais, plädieren Teile der Ökostrombranche dafür, die Äcker besser für Freiflächen-Solaranlagen zu nutzen, zumal dann auch nachteilige Monokulturen wegfielen.

Das kontert wiederum die Bioenergie-Branche: Biogas gegen Solarstrom zu stellen sei ein Äpfel-und-Birnen-Vergleich, weil Biogas von vornherein einen Energiespeicher darstelle, während man bei Ökostrom extra Aufwand für das Speichern treiben müsse.

Solarstrom vom Baggersee

Bei dem – so oder so – enormen Bedarf an großen Solar-Freiflächenanlagen ist für die ISE-Forscher aber abzusehen, dass auch deren massiver Ausbau zu "Konflikten und Akzeptanzproblemen" führen wird, wie das Institut in einem kürzlich veröffentlichten Positionspapier mahnt.

Um das Flächenproblem zu entschärfen, schlagen die Forscher vor, die Photovoltaik viel stärker in die vorhandene Infrastruktur zu integrieren – in die Hüllen von Gebäuden und Fahrzeugen, in Fahrwege sowie eingebunden in Agrar- und Wasserflächen. Dadurch könnten "riesige Flächen" für Solarstrom erschlossen werden.

Hoffnungen richten sich dabei auf die sogenannte Floating-Photovoltaik – auf Seen ruhende Solarmodule. International soll es schon mehr als 100 solcher Anlagen geben, ein Großteil davon in Japan und China.

Als Vorreiter in Europa gelten die Niederlande mit mehreren Wasser-Solarparks. In der Schweiz ging vor Kurzem eine schwimmende Photovoltaik-Anlage auf dem Alpen-Stausee Lac des Toules in 1.800 Metern Höhe mit rund 450 Kilowatt Anschlussleistung in Betrieb.

In Deutschland befindet sich die derzeit größte schwimmende Solar-Anlage auf dem Baggersee Maiwald in Renchen, am Oberrhein südlich von Baden-Baden. Im Juli 2019 in Betrieb gegangen, geben die schwimmenden Module knapp unter 750 Kilowatt ab.

Der erzeugte Gleichstrom wird durch Wechselrichter und einen Trafo in 20.000-Volt-Starkstrom umgewandelt und kann so die Anlagen eines Kieswerks des Bauunternehmens Ossola antreiben. Zwei Drittel des Stroms werden vom Kieswerk selbst genutzt, ein Drittel wird über den Versorger Erdgas Südwest ins öffentliche Netz eingespeist.

Erdgas Südwest wirbt bundesweit mit den Vorteilen der Baggersee-Photovoltaik: Der industrielle Großverbraucher gleich nebenan nehme den Strom ab, der Baggersee sei kein Badesee und kein Naturidyll – man nehme also Menschen wie auch Tieren und Pflanzen keine Fläche weg. Auch sei die solare Stromausbeute dank der Kühlung und der Reflexion durch das Wasser deutlich besser – um zehn bis 20 Prozent, heißt es.

Allein entlang des Oberrheins hat Erdgas Südwest rund 150 geeignete Baggerseen ausgemacht. Auf den meisten wird nach jetzigem Stand die Floating-Photovoltaik aber nicht einschwimmen.

Im deutschen Ausschreibungssystem chancenlos

Haupthindernis sind die Kosten. Nach Angaben von Harry Wirth, der sich beim Fraunhofer ISE um die integrierte Photovoltaik kümmert, ist der schwimmende Solarstrom derzeit um ein bis zwei Cent pro Kilowattstunde teurer als der aus Freiflächenanlagen.

Ein bis zwei Cent bedeuten aber bei Angeboten von fünf bis sechs Cent, für die die Solar-Ausschreibungen der Bundesnetzagentur derzeit weggehen, dass Floating-Solarprojekte derzeit keine Aussichten auf Förderung durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz haben.

Deswegen wurde die Anlage auf dem Baggersee Maiwald auch knapp unter der Grenze von 750 Kilowatt gehalten, aber der sie zwingend in die Ausschreibung hätte gehen müssen.

Letztlich hat deswegen, so die Auskunft von Erdgas Südwest, Ossola die schwimmende Anlage finanziert. Wie hoch die Kosten insgesamt waren, dazu werden keine Angaben gemacht.

Eine Folge des Ausschreibungskorsetts ist damit auch, dass die Fläche von Seen nicht optimal genutzt werden kann. Gut und gern könnte auf einem Baggersee dreimal so viel Leistung wie im Maiwalder Fall installiert werden, rechnet Erdgas Südwest vor.

Wie viel "schwimmender" Solarstrom bundesweit aus Sand- und Kiesgruben oder Speicherseen kommen könnte, kann ISE-Forscher Wirth mangels Daten noch nicht sagen. Bisher hat er nur die Wasserflächen gefluteter Tagebaue bewertet – allein auf diesen könnte die enorme Menge von 55.000 Megawatt Photovoltaik installiert werden. Das ist in etwa so viel, wie es überhaupt erst in Deutschland gibt.

Damit sich der Floating-Solarstrom freischwimmen kann, plädiert Wirth für spezielle Innovations-Ausschreibungen für "neue, flächenneutrale Photovoltaik-Kraftwerke, die einen Marktanschub benötigen". Dazu gehören für ihn nicht nur Solarmodule auf Seen, sondern auch auf Agrarflächen.

Um aufwändige Änderungsverfahren zum Flächennutzungsplan zu vermeiden, hält der ISE-Forscher es auch für angebracht, schwimmende Photovoltaik im Baugesetzbuch zu privilegieren. In den Genuss dieser rechtlichen Vorteile kommen bereits Anlagen für Wind- und Wasserkraft, für Photovoltaik an und auf Gebäuden – und auch kerntechnische Anlagen, solange sie nicht der Stromerzeugung dienen.

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