Das neue Elektroauto-Modell VW ID 3 am Ende der Fertigungsstraße.
Vollelektrischer Volkswagen ID 3 im VW-Werk Zwickau: Nur jeweils rund 70.000 Fahrzeuge liefen 2020 und 2021 vom Band. (Foto: VW)

Dass Unternehmen mit Klimaschutz werben und dazu das Grüne vom Himmel versprechen, sind Medienleute gewohnt. Eher ungewöhnlich war es daher, dass die Versicherungsgruppe Debeka kürzlich Medien mit der Frage beglückte: "Welchen Antrieb soll das nächste Auto haben?"

Bei den von der Debeka mitgelieferten Antworten gab es klimapolitisch ziemlich entwaffnende Feststellungen zu lesen wie: Verbrennungs­motoren seien zwar ein Auslaufmodell – aber Langstreckenfahrer sollten sich eventuell doch lieber noch auf das gut ausgebaute Tankstellennetz für Verbrenner oder auf einen Plug-in-Hybrid mit schneller Ladezeit verlassen.

Bevor die Debeka wieder einmal über die Zukunft des Verbrenners fabuliert, sollte sie sich vielleicht die Studie "Geschäftsmodell Verbrenner" vornehmen, die der Thinktank Agora Verkehrswende und die Strategieberatung Boston Consulting Group (BCG) heute veröffentlichten.

Danach reicht es eben nicht aus, den Verbrenner einfach als "Auslaufmodell" zu sehen. Vielmehr würde ein schnellerer, ja beschleunigter Hochlauf der Elektromobilität weltweit den Herstellern die Kassen füllen – und auch dem Klimaschutz ein wenig nützen.

Laut den Angaben der Studie wird der globale Automarkt 2024 wieder das Vor-Corona-Niveau erreichen und bis 2040 jährlich um etwas mehr als ein Prozent auf dann 110 Millionen verkaufte Fahrzeuge wachsen.

2035 wird dabei der Anteil der rein batterieelektrisch angetriebenen Fahrzeuge weltweit bei 60 Prozent liegen, jedoch mit großen regionalen Unterschieden. In Europa werden mehr als 90 Prozent der neuen Autos solche battery electric vehicles (BEV) sein, mehr als in China oder Nordamerika.

"Ab 2030 mehr Gewinn mit E-Autos"

Die Attraktivität des Verbrenners für die Hersteller werde in den nächsten Jahren deutlich abnehmen, erklärt Kristian Kuhlmann von der Boston Consulting Group zu den Studienergebnissen. "Etwa vom Jahr 2030 an können Hersteller mit Elektrofahrzeugen mehr Gewinn machen als mit vergleichbaren Benzin- und Diesel-Pkw", sagt er.

Mit der Studie will Agora Verkehrswende ganz offensichtlich Zweifel entkräften, die da lauten: Für die Autoindustrie ist es besser, noch am Verbrenner festzuhalten und langsamer zur E-Mobilität überzugehen.

Für die Wirtschaftlichkeit der Unternehmen sei das gut, werde häufig noch gesagt, greift Agora-Chef Christian Hochfeld anlässlich der Präsentation der Studie die landläufige Meinung auf. Das Gegenteil sei aber letztlich der Fall. "Wenn wir nichts tun, werden wir den Herstellern etwas Schlechtes tun", betont Hochfeld.

Etwas tun heißt für ihn, sich nicht mit dem EU-Beschluss zum Aus für die fossilen Verbrenner ab 2035 zu begnügen, sondern den Markthochlauf der Batterieautos möglichst zu beschleunigen und Deutschland zu einem "Leitmarkt" für E-Mobilität zu entwickeln.

Die dazu bei der Präsentation der Studie verkündeten Instrumente klingen ziemlich vertraut: Ausbau der Ladeinfrastruktur, schneller Umbau des Steuer- und Abgabensystems, Orientierung der Kfz-Steuer und des Dienstwagenprivilegs an der E-Mobilität, Aufbau eigener Batteriekapazitäten in Europa.

Der Ausbau der Ladeinfrastruktur ist bekanntlich eins der Lieblingsthemen von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP). Vor einem Monat erst stellte er seinen neuen "Masterplan Ladeinfrastruktur II" vor.

Für die Klimaziele zu wenig

Christian Hochfeld fordert bei der Präsentation der Studie allerdings auch E-Quoten für die Betreiber von Autoflotten sowie die Einführung eines Bonus-Malus-Systems bei der Kfz-Steuer.

Bei so einem System würden Käufer von Fahrzeugen mit CO2-Emissionen unterhalb eines Schwellenwerts einen Zuschuss erhalten, während emissionsintensive Fahrzeuge bei der Anschaffung durch einen Malus zusätzlich belastet würden. So steht es in einem Konzeptpapier des Verkehrswende-Thinktanks, das inzwischen mehr als drei Jahre alt ist. Umgesetzt wurde davon bisher nichts.

Hochfeld ist auch klimapolitisch Realist. Im bislang nur in Eckpunkten existierenden Klimaschutz-Sofortprogramm müsse die Bundesregierung deutlich nachlegen, um die angestrebten 15 Millionen reinen E-Pkw bis 2030 auf die Straße zu bringen, fordert er.

Und selbst ein beschleunigter Hochlauf der E-Mobilität würde national und international nicht ausreichen, um die Pariser Klimaziele zu erfüllen. Allerdings würde die Klimalücke im Verkehr kleiner werden, sagt Hochfeld.

Das wäre doch schon mal besser als nichts.

Anzeige