Schwerer schwarzer BMW, von schräg vorn unten aufgenommen.
Die CO2-Emissionen im Verkehr sinken nicht, weil große, schwere Autos systematisch bevorzugt werden. (Foto: Sascha Trunt/​Pixabay)

In diesem Jahr bahnt sich auf den deutschen Straßen, wo 95 Prozent der verkehrsbedingten CO2-Emissionen entstehen, eine klimapolitische Offenbarung an. 2022 könnte der Verkehr sein im Klimaschutzgesetz vorgegebenes Budget um knapp 20 Millionen Tonnen CO2 übertreffen – fast das Siebenfache der diesjährigen Überziehung um rund drei Millionen Tonnen.

Diese Angaben macht das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) in einer heute veröffentlichten Untersuchung. Darin schlägt der Thinktank zugleich mehrere fiskalische Maßnahmen vor, um die sich immer weiter öffnende Klimalücke im Verkehr zu verringern.

Zu den Maßnahmen gehören die weitgehende Streichung umfangreicher Steuerprivilegien im Verkehr wie der Entfernungspauschale sowie des Diesel- und des Dienstwagenprivilegs.

Die Entfernungspauschale, begründen die FÖS-Autor:innen, sei umwelt- und klimapolitisch nachteilig, weil sie den Trend zu immer längeren Pendeldistanzen unterstütze. Auch sozialpolitisch stellt ihnen zufolge die zuletzt 2021 erhöhte Pauschale keine gute Kompensation dar, weil viele Menschen mit niedrigem Einkommen gar kein eigenes Auto haben und von dem Steuervorteil nur wenig profitieren.

Reformiert werden soll laut FÖS auch die Dienstwagenbesteuerung. Zwei von drei neuen Pkw würden gewerblich, also von Unternehmen zugelassen, argumentiert das Papier. Privatpersonen kauften überwiegend gebrauchte Fahrzeuge, häufig ehemalige Firmen- und Dienstwagen. Über diesen Kanal gelangten derzeit viele besonders klimaschädliche Dienstwagen in die deutsche Pkw-Flotte.

Zudem sei die Steuer für Dienstwagen-Verbrenner zu gering, um einen ausreichenden Anreiz für den Kauf umweltverträglicherer Fahrzeuge zu setzen. Insgesamt werde die Dienstwagennutzung jährlich mit 3,1 bis 5,5 Milliarden Euro subventioniert.

Nicht zum ersten Mal will der Thinktank auch das Dieselprivileg abschaffen. Der derzeitige Zustand, dass Dieselkraftstoff wegen des niedrigeren Tankrabatts teurer ist als Benzin, stellt für das FÖS eigentlich den Normalzustand auch für Nicht-Krisenzeiten dar.

Der deutlich niedrigere Energiesteuersatz auf Diesel ist für das FÖS eine umweltschädliche Wettbewerbsverzerrung, von der vor allem Fahrzeughalter mit hohen Fahrleistungen profitierten. Dies seien meist Unternehmen und einkommensstarke Haushalte.

CO2-Preis soll steigen

Neben der Abschaffung klimaschädlicher Subventionen setzt sich das FÖS für höhere CO2-Preise ein. So solle der Preis im nationalen Emissionshandel noch in diesem Jahr von den geltenden 30 auf 45 Euro je Tonne CO2 steigen.

Schon 2026 solle Kraftstoff mit 130 Euro je Tonne CO2 belastet werden, 2030 mit 215 Euro. Letzterer Preis entspreche dann den Schadenskosten einer Tonne CO2.

Darüber hinaus schwebt dem FÖS eine stärker CO2-basierte Zulassungssteuer für Neufahrzeuge vor. Das würde einen Anreiz schaffen, keine schweren Verbrenner mit hohem CO2-Ausstoß mehr zu kaufen.

In der Summe sollen die Maßnahmen nach FÖS-Angaben jährlich über zwölf Millionen Tonnen CO2 einsparen und die Klimaschutzlücke im Verkehr um etwa ein Drittel reduzieren – ein angesichts der umfassenden steuerlichen Maßnahmen etwas ernüchterndes Resultat.

Dennoch sieht FÖS-Vorständin Carolin Schenuit die Reduzierung als großen Klimabeitrag. Es zeige sich aber auch, dass es einen gut austarierten Instrumentenmix brauche, um das Klimaziel im Verkehr insgesamt zu erreichen. "Ein ganz entscheidender Hebel sind dabei die Investitionen in die Infrastruktur und den öffentlichen Verkehr", so Schenuit gegenüber Klimareporter°.

Fiskalische Maßnahmen ermöglichen sozialen Ausgleich

Die Maßnahmen würden aber nach FÖS-Angaben zugleich einen Spielraum im Bundeshaushalt von über 25 Milliarden Euro im Jahr schaffen. Diese Summe sollte nach dem Willen der Forscher:innen für soziale Entlastungen ausgegeben werden.

Auch kämen mehrere der gewährten steuerlichen Vorteile vor allem einkommensstarken Gruppen zugute, die eine Streichung gewissermaßen auch verkraften können. So würde die vorgeschlagene Reform des Dienstwagenprivilegs Personen aus einkommensstarken Gruppen mit hoher Privatnutzung betreffen.

Zudem steige der durchschnittliche Dieselverbrauch stark mit dem Einkommen. Gerade bei unteren und mittleren Einkommen seien Diesel-Pkw eher unüblich. Die Abschaffung des Dieselprivilegs wirke daher grundsätzlich progressiv.

Schließlich bevorteile auch die jetzige Entfernungspauschale Menschen mit hohen Einkommen, die meist höhere Werbungskosten und einen höheren Steuersatz haben.

Eine erneute Erhöhung der Entfernungspauschale, wie von Finanzminister Christian Lindner (FDP) vorgeschlagen, hält FÖS-Verkehrsexperte Matthias Runkel für klimapolitisch "völlig kontraproduktiv". Das signalisiere den Pendler:innen, dass sich an ihrem Mobilitätsverhalten nichts ändern müsse, sagt der Autor der Untersuchung zu Klimareporter°.

Runkel: "Das Geld ist besser eingesetzt für den Auf- und Ausbau von Mobilitätsalternativen wie einem guten Folgeangebot für das Neun-Euro-Ticket und für einen gezielten, einkommensabhängigen sozialen Ausgleich."

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