Die alten, chromglänzenden Zeiten der "Internationalen Automobil-Ausstellung" sind vorbei. Das soll schon der neue Name signalisieren. "IAA Mobility" heißt die Show der Autobranche jetzt, die bis zum Sonntag in München stattfindet. Eine Protz-Ausstellung, wie jahrzehntelang in Frankfurt am Main zu besichtigen, wo das riesige Messegelände komplett mit glitzernden Karossen auf penibel gesaugten Teppichböden gefüllt war, passt nicht mehr in die Zeit.
Zuletzt war in der Main-Metropole der Besucherzuspruch ohnehin schon stark gesunken. Und der Wechsel nach München – ausgelöst durch kritische Äußerungen des früheren Frankfurter Oberbürgermeisters Peter Feldmann (SPD) über die IAA und die PS-Branche an sich sowie anschwellende Proteste von Autogegnern – bot die Chance für eine Neuerfindung.
Es gehe bei der IAA Mobility "nicht um ein einziges Verkehrsmittel", gab die Präsidentin des Autoindustrieverbands VDA, Hildegard Müller, als Losung aus. Allerdings: Die Hoffnungen auf die Neuerfindung der Verkehrswelt in München haben sich nicht erfüllt.
Die neue IAA ist zwar wesentlich kleiner. In den alten Zeiten konnte sich kein Autobauer erlauben, beim PS-Hochamt in Frankfurt nicht vertreten zu sein, diesmal sind die Reihen der Aussteller auf dem Münchner Messegelände arg ausgedünnt. Es reicht gerade für fünf Messehallen, neben den deutschen Herstellern haben nur Renault und drei chinesische Anbieter größere Stände.
Zwar sind auch Technologiekonzerne, die Mobilitätslösungen anbieten, und Fahrradhersteller vertreten, ebenso 100 Start‑ups aus dem Verkehrssektor. Trotzdem handelt sich in erster Linie um eine Automesse. Und zwar um eine, die zeigt, wie schwer es gerade die deutschen Autobauer haben, den Anschluss an die sich radikal verändernde Welt zu finden.
Deutsche Autoindustrie fährt hinterher
Einerseits geht es dabei um die Elektromobilität. Dass die Verbrenner keine Zukunft mehr haben, liegt auf der Hand. Die deutschen Autokonzerne erkannten die Zeichen der Zeit zu spät. Sie hielten lange an Benzin- und Dieselautos fest, während Tesla in den USA sowie chinesische Hersteller schon massentaugliche Elektroautos bauten.
Den Tesla-Shock glaubten die deutschen Autobosse noch wegstecken zu können. Doch auf der Automesse in Shanghai in diesem Frühjahr mussten sie erstaunt feststellen, wie viele technisch gute, trotzdem günstige und sofort lieferbare E‑Autos dort ausgestellt wurden. In München wird nun deutlich, wie stark die Deutschen hier im Hintertreffen sind.
VW, Mercedes und BMW arbeiten zwar an neuen Elektro-Plattformen, die zum Beispiel enorme Reichweiten von 700 Kilometern versprechen. Doch es gibt nur Konzeptfahrzeuge dazu, in Serie sollen sie erst in zwei Jahren zu haben sein. Und ob der Volumenhersteller VW es dann wirklich schafft, dem Namen Volkswagen gerecht zu werden und preiswerte E‑Modelle anzubieten, die auch ohne Subventionen gefragt sind, steht in den Sternen.
Unsicher ist auch, ob bis dahin nicht die chinesische Konkurrenz weit enteilt ist, sowohl in ihrem riesigen Heimatmarkt mit jährlich 25 Millionen Pkw-Verkäufen als auch in Europa, wo sie nun Fuß fassen will. Mercedes-Chef Ola Källenius gab in München offen zu, wie weit die Deutschen zurückliegen. Er verglich die E‑Mobilität zum wiederholten Mal mit einem Marathonlauf und sagte: "Wir sind erst bei Kilometer acht." Von bekanntermaßen über 42.
Eine Mitschuld an dem langsamen Tempo bei der Elektrifizierung trägt auch die hiesige Politik. Die war immer gut im Ausrufen ambitionierter Ziele, machte aber nicht genügend Druck, etwa für den Aufbau der Ladeinfrastruktur.
Wer traut sich, weniger Autos zu fordern?
E‑Autos mit "Reichweitenangst" im Gepäck verkaufen sich aber schlecht. Deswegen sind auch die 15 Millionen reinen E‑Autos, die die Ampel-Bundesregierung 2030 auf den Straßen sehen will, nur bei stark verbesserten Rahmenbedingungen zu schaffen, derzeit gibt es erst gut eine Million davon.
Immerhin hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) jetzt auf der IAA Mobility einen Schub für den Ausbau der Ladestationen versprochen. Das Ziel sei zwar nicht neu, sagte er, aber "neu ist, dass wir es auch umsetzen", was fast schon selbstkritisch klang.
Und dann gibt es noch das "Andererseits": eine Zukunftsblindheit, mit der sowohl die Autobauer als auch die Politik, auch die FDP-gesteuerte Ampel, geschlagen sind. Beide halten nämlich an der Fiktion fest, dass eine Antriebswende ausreicht, um die aus Klima-, Ressourcen-, Sicherheits- und sozialen Gründen nötige Verkehrswende zu schaffen. Motto: Wenn alle aufs E‑Pedal statt aufs Gaspedal treten, wird alles gut.
Das funktioniert aber nicht, weil ein überbordender Autoverkehr in den Städten und auf den trotz Klimakrise weiter ausgebauten Autobahnen nicht verträglich ist. Auch nicht in der elektrischen Variante, und auch dann nicht, wenn die nötigen Ökostrom-Mengen, die Batterie-Rohstoffe und die vielen Supercharger-Netzanschlüsse erreichbar sein sollten.
Wir brauchen Politikerinnen, Manager und Gewerkschafterinnen, die sagen: "Weniger Autos sind besser als mehr" – und das mit einer Vision verbinden, wie der Verkehr dann aussieht, mit neuen Geschäftsmodellen, Umsatzchancen und Jobs.
Lesen Sie dazu auch die Kolumne von Andreas Knie: Die IAA Mobility: Master of Desaster