Es lohnt sich, den Weg nachzuzeichnen, der schließlich am vergangenen Donnerstag zu einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts über das Klimaschutzgesetz führte.
2015 hat das Pariser Klimaschutzabkommen die Welt wachgerüttelt. Bundestag und Bundesrat ratifizierten das Abkommen im Herbst 2016 einstimmig.
Was schon damals auffiel, war das sichtbare Missverhältnis zu dem noch vor der Sommerpause 2016 beschlossenen EEG 2017. Denn damit wurde der Ausbau der Windkraft an Land, des Leistungsträgers in der Energiewende, beschnitten. Der Ausbau brach von 5.000 Megawatt jährlich auf nur noch 1.000 Megawatt förmlich zusammen.
Nach der Bundestagswahl im Herbst 2017 war zunächst neue Hoffnung aufgekommen. Der Koalitionsvertrag formulierte das Ziel, dass erneuerbare Energien 2030 einen Anteil von 65 Prozent an der Stromerzeugung haben sollen. Sonderausschreibungen für die Windenergie wurden angekündigt. Danach aber wieder Stillstand.
Schließlich folgte ein langes Ringen der Koalition zum Klimapaket, zu Kohleausstieg und Klimaschutzgesetz. Aber weiter fehlte ein mutiger Rahmen für einen kräftigen Zubau der erneuerbaren Energien. Weder das Klimaschutzgesetz noch der Windgipfel oder die vom Bundeswirtschaftsminister verkündete "Aufgabenliste Wind an Land" markierten 2019 einen Schritt nach vorn.
Das vergangene Jahr war dann von einer den Aufbruch simulierenden Rhetorik geprägt. So wurde etwa die Nationale Wasserstoffstrategie als ein großer Schub für die Energiewende gefeiert. In Europa diskutierte man schon über neue Treibhausgasminderungsziele. Was von 2020 bleibt, ist schließlich eine mutlose EEG-Novelle, die Bundestag und Bundesrat im Dezember verabschiedeten.
Hermann Albers
ist seit 2007 Präsident des Bundesverbandes Windenergie (BWE). Er ist außerdem Landwirt sowie Geschäftsführer des nordfriesischen Bürgerwindparks Simonsberg und anderer Bürgerwindgesellschaften.
Und nun 2021: der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts. Nach fünf Jahren Stillstand ein in dieser Verbindlichkeit kaum erwarteter Auftrag an die Bundesregierung. Sie muss im Interesse künftiger Generationen zügig handeln. Nicht erst die nächste, sondern diese Bundesregierung muss jetzt noch (nach)liefern.
Für den Leistungsträger Windenergie heißt das: Die unzweifelhaft komplexen Fragen im Natur- und Artenschutzrecht, im Baurecht, im Planungs- und Genehmigungsrecht brauchen jetzt erste Lösungen – mindestens im Hinblick auf das Repowering. Für die Erneuerung des Anlagenparks lassen sich die Weichen zügig stellen, denn die erforderlichen gesetzlichen Präzisierungen liegen der Koalition vor. Sie muss sie klären und umsetzen.
Mit diesen Maßnahmen kann der Windkraft-Ausbau wieder auf 5.000 Megawatt anwachsen. Es geht darum, die Aufgaben des Klimaschutzes nicht weiter auf die Zeit nach 2030 zu verschieben und damit auf die nächste Generation.
Das ist es, was das Gericht von der Bundesregierung zu Recht einfordert. Dazu werden die wenigen Sitzungswochen bis zur Sommerpause vielleicht nicht mehr reichen. Aber: Die Hände in den Schoß legen, das geht nun nicht mehr.
Das Parlament kann sich nicht einfach über Monate abmelden. Zwischen dem 1. Juli und dem Wahltag am 26. September ist ausreichend Zeit zum Nacharbeiten. Das gebietet die politische Glaubwürdigkeit!