Kran hebt Container mit Wasserstoff-Elektrolyseur auf Platz neben einem alten Beton-Schornstein.
Wasserstoff-Elektrolyseure landauf, landab – das war vor allem der Wunsch der SPD. (Foto: Thüga)

Den größten Erfolg im 130-Milliarden-Konjunkturpaket der Bundesregierung können ganz offensichtlich die Befürworter des Wasserstoffs für sich verbuchen. Sieben Milliarden Euro sollen für den "Markthochlauf von Wasserstofftechnologien in Deutschland" und weitere zwei Milliarden für "internationale Partnerschaften" bereitgestellt werden, heißt es – noch gelb markiert – in einem Klimareporter° vorliegenden Entwurf der Nationalen Wasserstoffstrategie. Dieser datiert auf den 4. Juni und enthält schon die Ergebnisse des Koalitionsgipfels.

Die Gipfel-Einigung beendete eine monatelange Hängepartie um die Zukunft des Wasserstoffs. Der Streit, vor allem zwischen den Ressorts Wirtschaft, Forschung und Umwelt, wurde am Ende zwar vor allem dank neuer Milliarden aufgelöst. Gegenüber dem ersten Strategie-Entwurf aus dem Wirtschaftsministerium von Anfang Februar ist das jetzige Papier aber deutlich grüner und nachhaltiger.

So spielte im Ursprungsentwurf der grüne Wasserstoff eher eine Nebenrolle, jetzt steht der mithilfe von Ökostrom hergestellte Energieträger klar im Vordergrund. Aus Sicht der Bundesregierung, heißt es nun im Entwurf, ist nur solcher Wasserstoff "auf Dauer nachhaltig", der auf Basis erneuerbarer Energien hergestellt wird. Ziel der Regierung sei es daher, für grünen Wasserstoff einen – wortgleich zum Konjunkturpaket – "zügigen Markthochlauf" zu sichern und entsprechende Wertschöpfungsketten zu etablieren.

Der bisher gerade vom Wirtschaftsministerium aufs Schild gehobene "blaue" Wasserstoff – meist aus Erdgas gekoppelt mit CCS – kommt eher beiläufig in den Markt. Die Regierung gehe davon aus, heißt es dazu, dass sich in den nächsten zehn Jahren ein globaler und europäischer Wasserstoffmarkt herausbildet. Auf diesem Markt werde auch CO2-neutraler – "blauer" oder "türkiser" – Wasserstoff gehandelt werden und deswegen auch in Deutschland eine Rolle spielen.

Europäische Importe im Vordergrund

Damit zeichnet sich auch ab, dass die Bundesregierung sich von der Idee, in Deutschland selbst "blauen" Wasserstoff herzustellen, weitgehend verabschiedet hat. Die Vorstellung, man würde zum Beispiel aus Norwegen Erdgas importieren, daraus hier "blauen" Wasserstoff gewinnen und das abgespaltene CO2 wieder in Richtung Norwegen schaffen und dort in leere Erdgasfelder versenken, klingt auch nicht sehr ökonomisch. Das können die Skandinavier selbst alles viel effizienter tun und gleich den "blauen" Wasserstoff liefern.

Dank der zusätzlichen Milliarden wurde im Entwurf nun auch die geplante Kapazität von Elektrolyseuren aufgestockt – zu den bisher vorgesehenen bis zu 5.000 Megawatt bis 2030 sollen bis 2035, aber "spätestens bis 2040" weitere 5.000 Megawatt hinzukommen.

Mit der selbst erzeugten Menge kommt die Bundesrepublik natürlich nicht weit. Der Bedarf wird riesig sein, nicht nur, um Grundstoffindustrien wie die Stahlbranche zu dekarbonisieren. Wasserstoff soll ausdrücklich auch genutzt werden, um strombasierte Kraftstoffe, sogenannte E-Fuels, herzustellen.

Raffinerien, die das tun, sollen sich die Herstellung solcher Kraftstoffe sogar emissionsmindernd anrechnen können. Und es findet sich in der Strategie sogar der Vorschlag zu einer (Beimischungs-)Quote für strombasiertes Flugzeugkerosin – 2030 sollen solche Power-to-Liquid-Kraftstoffe mindestens zwei Prozent Anteil am Flugzeugkraftstoff haben.

Trotz des erhöhten eigenen Ausbaus geht die Regierung in der aktuellen Wasserstoffstrategie weiter davon aus, dass der größte Teil des Wasserstoffs importiert wird. Aber auch hier sind die Schwerpunkte verschoben: Nicht mehr Regionen wie Nordafrika oder der Nahe Osten stehen im Fokus, sondern es wird erst einmal auf die europäischen Potenziale verwiesen.

Keine EEG-Umlage für grünen Wasserstoff

Die EU, heißt es, verfüge über "einige ertragreiche Standorte" für erneuerbaren Strom. Dazu wolle man mit anderen EU-Staaten zusammenarbeiten, besonders in der Nord- und Ostseeregion, aber auch in Südeuropa. Dabei komme der Offshore-Windkraft eine besondere Rolle zu.

Dahinter steht unter anderem das sich langsam herumsprechende Konzept sogenannter Wasserstoff-Inseln. Die sollen, umgeben von einem großen Windpark, den Wind auf See ausschließlich dazu nutzen, um grünen Wasserstoff in rauen Mengen zu erzeugen – und diesen dann an Land liefern.

Ein letzter entscheidender Punkt, der aus dem Konjunkturpaket praktisch direkt in die Wasserstoffstrategie wanderte, ist die Befreiung der Erzeugung des grünen Wasserstoffs von der EEG-Umlage.

Warum diese Jahre alte Forderung der Branche wie auch der norddeutschen Länder jetzt von der Koalition endlich aufgegriffen wurde, liegt ebenfalls am Konjunkturpaket. Dort sollen im kommenden Jahr zunächst bis zu elf Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt aufgebracht werden, um die EEG-Umlage zu senken – wenigstens ein bisschen.

Entscheidend für den Wasserstoff ist dabei nicht die Umlagesenkung. Mit dem Zuschuss aus dem Bundeshaushalt ändert sich in den Augen derjenigen in der Regierung, die eine Bevorzugung von Wasserstoff über gesenkte Umlagen bisher ablehnten, die Förderlogik des EEG. Dadurch werde der "Markthochlauf" des grünen Wasserstoffs ja nicht mehr von den Stromkunden bezahlt, sondern direkt von den Steuerzahlern – im Sinne einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe also, während die EEG-Umlage eben nur dazu da sei, die Ökostromerzeugung zu fördern und nicht irgendwelche Industrien.

Wie dem auch sei – letztlich wird den Unternehmen, deren Projekte seit Jahren vor sich hin dümpeln, jede spitzfindige Begründung recht sein, wenn der grüne Wasserstoff dadurch nur endlich aus der Mini-Nische des Marktes kommt.

Ergänzung am 12. Juni: Die Bundesregierung hat am Mittwoch die Nationale Wasserstoffstrategie verabschiedet und der Presse vorgestellt.

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