Im diese Woche beschlossenen Klimapaket wurde der Ausbau der Windkraft empfindlich zusammengestrichen. Vermutlich im Wissen darum verteilte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) vorher zu Wochenbeginn noch einen Bonbon an die Branche: einen Arbeitsplan zur Stärkung der Windenergie an Land.
Mit dem Plan reagiert Altmaier auf die Kritik an seinem "Windkraftgipfel" Anfang September, der eher ein Gipfel an Ergebnislosigkeit war.
Der am Montag veröffentlichte Arbeitsplan listet nun 18 Vorhaben der Gesetzgeber in Bund und Ländern auf, die noch 2019 oder 2020 umgesetzt werden sollen.
Darunter sind überfällige Maßnahmen zur Zulassung der sogenannten bedarfsgerechten Nachtkennzeichnung (Positionslichter an Windanlagen sollen nur dann blinken, wenn sich ein Flugzeug nähert) oder für geringere Abstände zu Funkfeuern der Flugsicherung.
Ein weiterer Teil der Maßnahmen dreht sich um mehr Beratung für noch zu vereinfachende Genehmigungen oder um weniger und kürzere Klagewege gegen Windkraftanlagen.
Lob aus der Erneuerbaren-Branche
Dafür erntet Altmaier Lob aus der Ökoenergiebranche. "Die meisten Punkte des Plans sind durchaus vernünftig und können dazu beitragen, endlich neue Flächen und Genehmigungen für Windenergieprojekte zu sichern", meint Naturstrom-Vorstandschef Thomas Banning.
Allerdings liege vieles nicht in der Zuständigkeit des Wirtschaftsministeriums selbst, sondern anderer Ministerien, schränkt Banning ein. Er hoffe, dass nicht nur Verantwortlichkeiten hin- und hergeschoben, sondern ernsthaft Auswege aus der selbstverschuldeten Windkraft-Krise gesucht werden.
"Altmaier weist vor allem seinen Kollegen in den anderen Ministerien die Verantwortung zu, den Genehmigungsstau zu lösen", bestätigt Hermann Albers, Präsident des Windenergieverbandes BWE. Zugleich meint Albers: Werden die Punkte nun zügig in die Tat umgesetzt, könne sich die Situation "nachhaltig verbessern".
Tatsächlich betreffen zehn der 18 Maßnahmen andere Ressorts, nur bei vier Punkten hält sich das Wirtschaftsministerium für allein zuständig. Ebenfalls vier Punkte des Arbeitsplans widmen sich dem Artenschutz, genauer gesagt, dessen Aufweichung.
Naturschützer kritisieren rechtliche Ausnahmen
Das ruft bei Naturschützern schon Verwunderung hervor. Nach ihrem Eindruck hat die Idee, das Bundesnaturschutzgesetz anzutasten, beim Windgipfel keine Rolle gespielt. Da sei vermutlich im Nachhinein noch kräftig lobbyiert worden.
Der Naturschutzbund Nabu sieht besonders kritisch, dass mit dem "Ausbau der erneuerbaren Energien" ein weiterer Ausnahmetatbestand im Naturschutzrecht geschaffen werden soll. "Es sollte kein Ausnahmegrund eingeführt werden, der dazu führt, dass Windenergie ohne weitere Prüfungen eine Ausnahme beim Artenschutz darstellt", betont Nabu-Klima- und Energieexperte Sebastian Scholz gegenüber Klimareporter°.
Auch die in Altmaiers Plan vorgeschlagene "Technische Anleitung Artenschutz" nennt Scholz "knifflig". Er befürchtet, dass Ausnahmen beim Artenschutz künftig mit dem Verweis auf den sogenannten Populationsansatz durchgewunken werden können.
Im Hintergrund geht es hier zum Beispiel um den Rotmilan, dessen Population in den letzten Jahren trotz Windkraftausbau zugenommen hat – was die Branche so interpretiert, dass der Raubvogel gut mit Windrädern leben kann. Andere sehen den Grund für die angewachsene Population gerade darin, dass der strenge Schutz des Rotmilans bisher nicht aufgeweicht wurde.
Wichtige Punkte bleiben offen
Bei den größeren politischen Brocken, die der Windkraft im Wege stehen, zeigt sich Altmaiers Plan eher zögerlich. So sollen im Rahmen des Grundsteuerreformgesetzes Kommunen stärker am Gewinn aus Windkraft beteiligt werden. Die Grundsteuer muss nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts noch in diesem Jahr neu geregelt werden. Offenbar sollen Kommunen, auf deren Grund und Boden Windkraftanlagen errichtet wurden, dann eine höhere Grundsteuer verlangen können.
Vor allem aber konterkarieren die im Klimaschutzprogramm vorgesehenen Mindestabstände von 1.000 Metern für Windräder die guten Ansätze des Klimapakets wieder, kritisiert Naturstrom-Chef Banning. "Was bringen zügigere Genehmigungsverfahren und eine teilweise erweiterte Flächenkulisse, wenn im Gegenzug direkt wieder die grundsätzlichen Möglichkeiten für neue Projekte stark eingeschränkt werden?", fragt er. Die Regierung müsse Farbe bekennen, ob sie die Energiewende wirklich voranbringen oder nur Placebos verteilen wolle.
"Werden die 1.000 Meter bundesweit umgesetzt, gerät das 65-Prozent-Erneuerbaren-Ziel für 2030 in Gefahr", rechnet der BWE vor. Der Verband appelliert an die Bundesländer, die im Klimaprogramm vorgesehene Möglichkeit für Länder-Regelungen mit flexiblen und größeren Abständen zu nutzen.
Der Nabu argumentiert sogar, dass 1.000-Meter-Abstände nicht zu mehr Akzeptanz führen werden. Weil damit deutlich weniger Fläche für Windenergie zur Verfügung steht, werde das dazu führen, dass sich der "Druck auf naturschutzfachlich wichtige Standorte erhöht und somit stärkere Konflikte zwischen Naturschutz und Windenergie zu erwarten sind", erläutert Nabu-Experte Scholz. Größere Abstände zu Wohnbauten für angeblich mehr Akzeptanz einzuführen, zugleich aber den Artenschutz aufzuweichen – das werde der Nabu nicht mitmachen.
Naturstrom-Chef Banning vermisst seinerseits die Bürgerenergie in Altmaiers Plan – das Papier sage dazu überhaupt nichts. Das Ökostrom-Unternehmen kann sich hier die Ausschöpfung der sogenannten De-minimis-Regelung vorstellen, sodass kleinere Windparks bis 18 Megawatt für Bürgerenergiegesellschaften außerhalb des Ausschreibungsregimes ermöglicht werden.