Die Abschaffung der EEG-Umlage würde Haushalte entlasten – das würde aber ein steigender CO2-Preis mit der Zeit in eine Belastung verwandeln. (Foto: Tim Reckmann/​Flickr, CC BY 2.0)

Nahezu erwartungsgemäß hat der Grünen-Parteitag am Freitagabend Änderungsanträge zum ersten Kapitel des Wahlprogramms ("Lebensgrundlagen schützen") abgelehnt. Dank deutlicher Zwei-Drittel-Mehrheiten bleibt es bei den Forderungen nach einem CO2-Preis von 60 Euro ab 2023, einem Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen und einem Energiegeld von 75 Euro, verbunden mit der von der Bundesregierung und grün mitregierten Ländern bereits beschlossenen Absenkung der EEG-Umlage auf zunächst 6,5 Cent.

Den Änderungsantrag, warum es nicht bei den 75 Euro pro Tonne CO2 bleiben sollte, begründete am Freitagabend Hermann Schrag vom Kreisverband Pfaffenhofen. Bei konsequenter Rückgabe der gesamten Einnahmen aus der CO2-Bepreisung könnten jedem Menschen in Deutschland pro Jahr nicht 75, sondern 200 Euro als Energiegeld gezahlt werden, rechnete er vor.

"Das ist sozial gerecht", erklärte Schrag, selbst Inhaber eines Solarunternehmens. Denn eine Strompreissenkung durch eine geringere EEG-Umlage, wie sie "auch Laschet, Scholz und Lindner wollen" – also Union, SPD und FDP –, bevorzuge Wohlhabende, die meist auch mehr Strom verbrauchten.

Die Senkung der Umlage aus den CO2-Einnahmen verschwende außerdem viele Milliarden für die Subventionierung jeder Art von Stromverbrauch, auch den von Kohle- und Atomstrom, kritisierte der Grüne. Die Parteitags-Delegierten sollten sich auch nicht erzählen lassen, Strom müsse billiger werden, damit sich die Leute Wärmepumpen und Elektroautos kaufen könnten.

"Fatale Botschaft im Wahlkampf"

Eine indirekte Folge des Antrags wäre – im Fall, die Forderungen würden durchgesetzt –, dass aus der CO2-Bepreisung nicht mehr die Milliarden zur Verfügung stünden, um die EEG-Umlage abzusenken. In diesem Jahr wird die Umlage aus einem Teil der CO2-Einnahmen bei 6,5 Cent pro Kilowattstunde stabilisiert, in kommenden Jahr soll sie weiter auf sechs Cent sinken.

Dass der von Schrag vorgetragene Änderungsantrag gar nicht so sehr aufs Energiegeld, sondern im Kern auf die Forderung im grünen Wahlprogramm abzielt, die EEG-Umlage schrittweise abzuschaffen, erkannte auch Bundestags-Fraktionsvize Oliver Krischer.

In seiner Gegenrede ging er mit keinem Wort auf die 75 oder 200 Euro ein, sondern erzählte die alte Geschichte, wie die Grünen dank ihrer politischen Länder-Macht Ende 2020 dafür sorgten, dass die Gelder aus der CO2-Bepreisung nicht – wie es die große Koalition wollte – im Bundeshaushalt verschwanden, sondern dass über die Senkung der EEG-Umlage ein "gewisser sozialer Ausgleich" stattfand.

Krischer warf den Antragstellern vor, sie wollten die Senkung der EEG-Umlage "jetzt wieder rückgängig machen" und die Botschaft aussenden, dass der Strompreis in den nächsten Jahren wieder steigen werde – "um zwei oder drei Cent", bezifferte der Energiepolitiker den Anstieg sogar genau. Er, Krischer, halte das im Wahlkampf für eine "absolut fatale Botschaft".

Nicht ursachengerecht

Es verwundert schon, warum Krischer einen politischen Kompromiss mit der Groko nunmehr als originär grüne Politik verkauft. Denn es ist völlig klar, dass eine vollständige Rückgabe der CO2-Bepreisung übers Energiegeld gerade benachteiligte und prekäre Haushalte am Ende viel mehr entlasten würde, als diese für CO2-Preis und EEG-Umlage in alter Höhe zusammen zahlen müssten. Diese Haushalte verbrauchen eben insgesamt vergleichsweise wenig Energie.

200 Euro pro Kopf und Jahr – das wäre die klare Botschaft, dass Klimaschutz nicht zulasten der Ärmeren gehen soll. Zudem sagen die Prognosen ziemlich klar, dass die EEG-Umlage in den nächsten Jahren ohnehin sinkt – einfach, weil die teuren Förder-Jahrgänge langsam herausfallen.

Grüne
Grüne Energiepolitik hat schon mal mehr Durchblick erlaubt. (Bild: Grüne NRW/​Flickr)

Dem gegenüber steht eine schwammige Strompreissenkung. Für wen wollen die Grünen den Strom eigentlich verbilligen? Für die energieintensive Industrie, die sich preiswert am Strommarkt bedient und ohnehin größtenteils keine EEG-Umlage zahlt?

Für die Solardach-Eigenheimer, die seit der letzten EEG-Novelle ohnehin keine EEG-Umlage mehr für den Eigenverbrauch zahlen? Für die grüne Industrie, die nach dem Willen der Bundesregierung künftig für den Ökostrom, mit dem sie grünen Wasserstoff herstellt, auch keine Umlage mehr bezahlen muss?

Soll der Ladestrom für E-Autos billiger werden? Der aber ist teuer, weil dort durch Untätigkeit des Gesetzgebers eine Abkassiermentalität zugelassen wurde. Auch beim Haushaltsstrom ist der größte Preisbrocken nicht die EEG-Umlage, sondern es sind die Netzentgelte – vor allem wegen der staatlich garantierten Mondrenditen für die Netzbetreiber.

An alldem ändert die Senkung der EEG-Umlage nichts – sie ist, wie es politisch heißt, nicht ursachengerecht.

Grüne Politik der Mitte?

Krischer ist natürlich Realpolitiker: Für ihn – und mit ihm die Grünen-Spitze – ist das Energiegeld vor allem ein Wahlkampfschlager, um den klimapolitisch nötigen Aufschlag beim CO2-Preis sozial plausibel zu machen.

Allerdings sind die 75 Euro viel zu gering, als dass sich betroffene Familien ein großes Plus ausrechnen können. Eine komplette Rückgabe in Höhe von 200 Euro ist zugleich aber politisch utopisch.

Damit krankt das Energiegeld so oder so an fehlender sozialer Glaubwürdigkeit. Eine weitere Senkung der EEG-Umlage ist dagegen weitgehender Konsens in der Parteienlandschaft. Dafür lassen sich die wahlaffinen Schichten der Mitte auch viel mehr begeistern als beispielsweise wahlferne Haushalte, denen der Stromanschluss gesperrt wurde.

Über der Wahltaktik drohen den Grünen aber grundlegende Positionen verloren zu gehen. Im Wahlprogramm (dessen Endfassung erst in ein, zwei Wochen vorliegt) stellen die Grünen ganz direkt einen Zusammenhang zwischen der Förderung erneuerbarer Energien und dem Strompreis her: "Durch die Senkung der EEG-Umlage sorgen wir für bezahlbare Strompreise", heißt es auf Seite 36.

Umgekehrt bedeutet das nichts anderes als: Die EEG-Umlage hat Strom unbezahlbar werden lassen. Das können künftige Regierungspartner wie Union und FDP problemlos unterschreiben. Leute, die sich der urgrünen Idee verschrieben haben, eher nicht.

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