Erneuerbare Energie
Die Grünen legen ein sozial-ökologisch-marktwirtschaftliches Umbauprogramm vor. (Foto: Gustavo Quepón/​Unsplash)

Das Bild eines kranken Landes hat die Grünen-Spitze heute bei der Präsentation ihres Wahlprogramm-Entwurfs von Deutschland gezeichnet. Die Regierungsparteien seien nach den vielen Jahren großer Koalitionen erlahmt, sagte der Co-Vorsitzende Robert Habeck.

"Deutschland wirkt saturiert, müde, wandlungsunlustig – ja mittelmäßig." Mit dem Wahlprogramm legten die Grünen nun eine "Vitaminspritze" für das Land vor, betonte Habeck.

Klima- und energiepolitisch wird der Entwurf seinem Titel "Deutschland – alles ist drin" weitgehend gerecht, kein Bereich ist ausgespart. Insgesamt sind die Maßnahmen marktorientiert und betonen die eher die ökonomischen Chancen der vorgezeichneten sozial-ökologischen Transformation.

Die Unternehmen forderten deutlich ein, dass die "Märkte der Zukunft" klimaneutral sind, sagte Co-Vorsitzende Annalena Baerbock. Die kommende Dekade müsse ein "Jahrzehnt des Gelingens", eine Zeit des "mutigen Machens" und der "Modernisierung" werden.

Mit dem Programmentwurf bringe ihre Partei Deutschland endlich auf den 1,5-Grad-Pfad, betonte Baerbock. Zugleich werde klar definiert, wie ein "klimagerechter Wohlstand" für alle zu schaffen sei. Das schließe einen schnellen Kohleausstieg ein, aber auch die Schaffung eines Transformationsfonds für die Beschäftigten und die Regionen.

"CO2-Preis ist nicht alles"

Kritik riefen schon bei der heutigen Vorlage des Programms die wenig ehrgeizigen Ziele zur Bepreisung von CO2-Emissionen hervor.

Im grünen Entwurf heißt es dazu, wenn die Klimaziele allein über den CO2-Preis erreicht werden sollten, müsste der Preis bei 180 Euro pro Tonne liegen. Das würde "unweigerlich zu erheblichen sozialen Unwuchten führen". Einige könnten sich dann freikaufen, andere nicht mehr teilhaben.

Dass nicht der maximale CO2-Preis angesetzt werden soll, verteidigte Baerbock mit dem Hinweis, dass es im Programmentwurf einen "klimagerechten Dreiklang" gebe. An erster Stelle stehe dabei Ordnungsrecht. Zweitens müssten die Preise die ökologische Wahrheit sagen. Drittens gehe es um "starke Investitionen", um Industrie, Verkehr und Bauen klimaneutral umzugestalten.

Baerbock erklärte das Vorgehen so: Die Grünen seien überzeugt, dass mit Preisen allein kein klimagerechter Wohlstand geschaffen werden könne. Vielmehr würden dann "einige hinten runterfallen". Es gehe nicht nur um Klimarettung, sondern auch um eine solidarische Gesellschaft. Endgültig soll das Wahlprogramm auf einem Parteitag im Juni verabschiedet werden.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) kritisierte den Entwurf als zu wenig wachstumsfreundlich. Auch würden Forderungen nach höheren CO2-Preisen ohne ausreichende Alternativen die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands schwächen. Die vorgeschlagene Klimaverträglichkeitsprüfung schaffe mehr Bürokratie.

Zu den wichtigsten Vorschlägen für Klimaschutz und Energiewende im Entwurf des grünen Wahlprogramms gehören:

  • Vorlage eines Klimaschutz-Sofortprogramms, Anheben des deutschen Klimaziels für 2030 auf mindestens 70 Prozent CO2-Reduktion.
  • Klimapolitik als "kluger Mix aus CO2-Preisen, Anreizen und Förderung sowie Ordnungsrecht".
  • Der EU-Emissionshandel soll im Lichte des neuen EU-Klimaziels für 2030 reformiert werden – mit einer deutlichen Reduzierung von Emissionszertifikaten und der Löschung überschüssiger Zertifikate. Sollte das nicht schnell genug gelingen, soll es einen nationalen CO2-Mindestpreis im Emissionshandel für Industrie und Stromerzeugung geben.
  • Der nationale CO2-Festpreis soll ab 2023 auf 60 Euro steigen.
  • Einnahmen aus dem CO2-Preis sollen an die Bevölkerung zurückgegeben werden, indem die EEG-Umlage gesenkt und ein Energiegeld eingeführt wird.
  • In alle Gesetzesvorhaben soll eine CO2-Bremse eingebaut werden. Die Vorgaben des Pariser Klimavertrags sollen ins Grundgesetz. Für Genehmigungsverfahren soll es eine Klimaverträglichkeitsprüfung geben.
  • Der Kohleausstieg soll 2030 abgeschlossen sein. Niemand soll mehr für einen Braunkohletagebau sein Zuhause verlassen müssen.
  • Eine Million neue Solardächer in den kommenden vier Jahren. Solardächer sollen für Neubauten, dann auch für öffentliche und Gewerbegebäude sowie Dachsanierungen und schließlich im Bestand Standard werden.
  • Ausbau der Windkraft an Land um jährlich 5.000 bis 6.000 Megawatt. Auf See sind 35.000 Megawatt das Ziel für 2035.
  • Neue Gaskraftwerke oder Infrastrukturen, die für den Kohleausstieg gebraucht werden, sind bereits "Wasserstoff-ready" zu planen und zu bauen. Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe sollen nur dort eingesetzt werden, wo sie wirklich gebraucht werden: in Industrie oder Flugverkehr.
  • Kurzstreckenflüge sollen ab 2030 überflüssig werden, indem die Bahn massiv ausgebaut wird, Langstreckenflügen sollen verringert und dekarbonisiert werden.
  • Ab 2030 sollen nur noch emissionsfreie Autos neu zugelassen werden.
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