Drei aufsteigende Münzstapel, auf denen ein Pflänzchen entspringt.
Erneuerbare Energien sollen entlastet werden, damit sie die fossilen schneller ablösen können. (Foto: Nattanan Kanchanaprat/​Pixabay)

Klimareporter°: Herr Untersteller, Sie haben vorgeschlagen, den Strompreis radikal zu senken – von heute rund 30 auf nur noch 20 Cent pro Kilowattstunde. Was bezwecken Sie damit?

Franz Untersteller: Wir wollen damit Haushalte, Gewerbe und Industrie entlasten sowie Bürokratie abbauen. Die Strompreise in Deutschland sind hoch, und ein Großteil des Preises sind staatliche Abgaben – unter anderem die EEG-Umlage und die Stromsteuer. Ich glaube, dass insbesondere die EEG-Umlage nicht mehr benötigt wird.

Wie soll die Preissenkung konkret funktionieren? Seit 2000 ist Strom immer nur teurer geworden, unter anderem wegen der EEG-Umlage.

Wir schaffen die EEG-Umlage komplett ab und senken die Stromsteuer auf das europarechtliche Minimum. Damit reduzieren wir den Strompreis auf einen Schlag um ein Drittel.

Aber um da keinen falschen Eindruck entstehen zu lassen: Wir wollen und können beides nicht ersatzlos streichen beziehungsweise reduzieren.

Was uns vorschwebt, ist ein Modell, bei dem der Strom entlastet wird, der immer erneuerbarer und sauberer wird, dafür aber CO2-intensive Energieträger stärker belastet werden. Damit erzielen wir eine Lenkungswirkung Richtung Klimaschutz. Und die ist dringend geboten, wenn wir unsere Klimaschutzziele erreichen wollen.

Zur Person

Franz Untersteller (Grüne) ist seit 2011 Umweltminister von Baden-Württemberg, zuerst in einer grün-roten, jetzt in einer grün-schwarzen Koalition. Zuvor war er energie­politischer Sprecher der Grünen im Landtag. Untersteller ist Diplom­ingenieur, er war langjähriger Mitarbeiter und Vorstandsmitglied beim Öko-Institut in Freiburg.

Wie viel würde ein Haushalt beim Strom sparen?

Ein Musterhaushalt – vier Personen, Jahresverbrauch 4.000 Kilowattstunden – würde etwa 400 Euro sparen.

Wie groß wäre der Einnahmeausfall dadurch?

Wir gehen von einer Gesamtsumme von rund 34 Milliarden Euro aus, etwa 27 Milliarden Euro allein durch die EEG-Umlage.

Der Haken ist doch: Sie wollen im Gegenzug Sprit und Heizen teurer machen. Wie viel Belastung käme auf die Bürger dadurch konkret zu – also beim Tanken, beim Kauf von Erdöl oder Erdgas?

Die Preissteigerungen werden sich im Schwankungsbereich der letzten Jahre bewegen. Es passiert also preislich nichts, was wir nicht schon gesehen hätten.

Mein Ziel ist, die Abgabensystematik so zu ordnen, dass wir saubere Energie fördern und CO2-intensive Energieträger unattraktiver machen.

Deshalb muss der Strompreis runter, und deshalb müssen Benzin, Diesel und Heizöl teurer werden. Alles andere ist Energie- und Klimapolitik von gestern.

Was wäre der Effekt?

Im Verkehrsbereich bekommt die E-Mobilität einen Schub, weil sie für die Verbraucher finanziell attraktiver wird. Im Wärmebereich wird zum Beispiel der Einsatz von Wärmepumpen angereizt. Wir bekommen also Strom in Anwendungen, die heute eher fossil dominiert sind.

In der Energiewirtschaft hat die Kohlekommission mit ihren Beschlüssen den Weg zu einer immer klimafreundlicheren Erzeugung gewiesen. Für die Sektoren Verkehr und Wärme fehlen uns noch die Instrumente. Unser Vorschlag kann diese Sektorkopplung aber spürbar voranbringen.

Ist das nicht ein Nullsummenspiel für die Bürger? Strom billiger, Autofahren und Heizen teurer ...

Ein Nullsummenspiel wäre schön, aber so einfach ist es nicht. Es wird Haushalte geben, die unterm Strich einsparen, es wird aber auch andere Haushalte geben, die erstmal draufzahlen.

Wer wenig Strom braucht, aber viel fährt, wird mehr bezahlen müssen, wer jetzt schon mit Fernwärme heizt und mit dem Fahrrad zur Arbeit kommt, wird sich über eine Entlastung freuen.

Deshalb gehört es zu unserem Vorschlag dazu, dass wir eine soziale Ausgleichsystematik entwickeln. Die Schweiz etwa macht das über ein sogenanntes Energiegeld, das an die Bürger ausgezahlt wird. Etwas in der Art könnte ich mir auch vorstellen.

Zum Beispiel Auto-Pendler mit langen Fahrwegen, die viel Sprit tanken müssen, um zur Arbeit zu kommen, würden stärker belastet. Was sagen Sie denen?

Wie gesagt, wir müssen uns Gedanken darüber machen, wie wir verhindern, dass es bei der Umsetzung unseres Vorschlags Verlierer gibt. Es ist aber deutlich zu früh, jetzt Lösungen zu präsentieren.

In Frankreich hat eine angekündigte CO2-Steuer für Kraftstoffe die Gelbwesten-Bewegung ausgelöst. Haben Sie keine Sorge, dass das auch hierzulande die wegen der Dieselfahrverbote begonnenen Proteste verstärken würde?

Es gibt keinen Grund, Angst zu haben. Selbstverständlich werden wir erklären müssen, was wir vorhaben, und wir werden über die konkrete Ausgestaltung unserer Idee intensiv diskutieren.

Ich glaube aber, dass es möglich ist, ein Modell zu erarbeiten, das überzeugt. Das ist in Frankreich nicht der Fall gewesen.

Wie sind die Reaktionen auf Ihren Vorschlag? Sehen Sie eine Chance, dass der Bund mitzieht?

Ich hoffe es. Wie gesagt: Am Klimaschutz führt kein Weg vorbei. Und was wir heute nicht tun, wird morgen um ein Vielfaches teurer.

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