Die sechs jungen Hungerstreikenden auf einem improvisierten Podium vor dem Reichstag im Berliner Regierungsviertel.
Sechs der sieben Aktivist:innen des "Hungerstreiks der letzten Generation" traten am Mittwoch am Reichstagsgebäude vor die Medien. Für die Aktion selbst haben sie Zelte im Spreebogen am Paul-Löbe-Haus des Bundestages aufgeschlagen. (Foto: Jörg Staude)

Dass es ihnen ernst ist mit ihrem "Hungerstreik der letzten Generation", wie sie ihre Aktion nennen, daran ließen die sieben Aktivist:innen gestern in Berlin keinen Zweifel. Auf Nachfrage ließen mindestens zwei der Sieben offen, ob sie sich bei möglicher Einlieferung in ein Krankenhaus zwangsernähren lassen würden.

"Wir sind jung, aber wir sind bereit, unser Leben zu riskieren. Wir schätzen das Leben und wir wollen nicht sterben", heißt es in ihrer Erklärung zum Hungerstreik. Aber das Klima erhitze sich und Ökosysteme würden zerbrechen. Korruption und Machtkonzentration in den Händen Weniger raubten jede Hoffnung auf Wandel. Jetzt gehe es um "Leben und Tod für die junge Generation".

Entsprechend drastisch und deutlich systemkritisch äußerten sich die Aktivist:innen am Mittwoch auch in persönlichen Statements. "Seien wir ehrlich: Wir sind komplett am Arsch", erklärte Jacob Heinze. Derzeit nehme kein Wahlprogramm die unumkehrbaren Klima-Kipppunkte ernst. Die Parteien sollten die Menschen schützen, aber sie missachteten das Recht auf Leben.

Die sieben Aktivistinnen sind nach ihren Angaben zwischen 18 und 27 Jahre alt und kommen unter anderem aus Berlin, Dortmund, Hamburg, Essen und Greifswald. Ob sie sich vorher in Initiativen oder parteipolitisch engagiert haben, teilten sie am Mittwoch nicht mit. Sie verstehen sich als Angehörige der Generation, die noch eine kleine Chance und nur noch wenige Jahre habe, den menschengemachten Klimawandel aufzuhalten.

Aus ihren Statements, die sie am Mittwoch abgaben, spricht ein Gefühl offensichtlicher politischer Ohnmacht. Ob es ziviler Ungehorsam war, ob es die großen Klimademos und -proteste gewesen sind, an denen sie sich beteiligt hätten – all das habe nicht wirklich geholfen. Nun werde zum letzten Mittel eines Hungerstreiks gegriffen, um sich Gehör zu verschaffen. Ihre Aktion sei aber nicht als Aufruf zum Mithungern zu verstehen, hoben sie hervor.

"Mit CO2-Molekülen kann man keine Kompromisse schließen"

Bei ihrer Forderung nach einem sofortigen Gespräch mit den Kanzlerkandidat:innen Annalena Baerbock (Grüne), Olaf Scholz (SPD) und Armin Laschet (CDU) beziehen sich die Aktivist:innen vor allem auf den Umstand, dass es laut den Prognosen des Weltklimarats von den Treibhausgasemissionen der kommenden drei Jahre abhängt, ob wenigstens das Zwei-Grad-Ziel noch eingehalten werden kann.

"Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren", betonte Aktivist Henning Jeschke entsprechend. Die Klima-Maßnahmen müssten in der nächsten Legislaturperiode – also in den kommenden vier Jahren – von der jetzt zu wählenden Regierung beschlossen und umgesetzt werden.  

Die Aktivist:innen wollen mit den Kanzlerkandidat:innen ein "ehrliches Gespräch" führen und würden auch jeweils einzeln mit Baerbock, Laschet oder Scholz sprechen. Dabei gehe es "nicht um das politisch Mögliche, sondern um das physikalisch-naturwissenschaftliche Notwendige", sagte Jeschke. Mit CO2-Molekülen könne man keine Kompromisse schließen.

Das Gespräch mit den Kandidat:innen solle etwa zwei Stunden dauern und öffentlich übertragen werden. Am Ende soll nach dem Willen der Aktivist:innen auf jeden Fall die Zusage zu einem Bürger:innenrat stehen, dessen Teilnehmende – zufällig gelost, aber repräsentativ – in einer Art "Notfallsitzung" Maßnahmen gegen die Klimakrise treffen.

Die Verantwortung für den Ausgang ihrer Aktion sehen die Sieben jetzt bei Baerbock, Scholz und Laschet. Henning Jeschke: "Unsere Gesundheit liegt in den Händen der politisch Verantwortlichen."

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