Das Bild von einer Berlin-Blockade könnte in den kommenden Tagen eine neue Bedeutung bekommen. Die Protestgruppe "Letzte Generation" will die Stadt ab morgen so blockieren, dass die Menschen innehalten, kündigte Sprecherin Carla Hinrichs am Dienstag in Berlin bei einer Pressekonferenz an.
Bis dato haben sich auf dem Online-Portal der Gruppe etwa 850 Menschen für die Aktionen in Berlin angemeldet. Das wäre nach allem, was bekannt ist, die bisher größte Beteiligung an derartigen Protesten.
Zunächst sollen sich die Aktionen auf das Regierungsviertel der Hauptstadt konzentrieren. Die derzeitige Bundesregierung habe keinen Plan, wie sie ihre Pflichten aus den Pariser Klimazielen und dem Klimaurteil des Bundesverfassungsgerichts einhalten will, begründete Hinrichs den Schwerpunkt.
Zuletzt habe die Regierung die Klimaziele auch nicht wegen eines aktiven Klimaplans erreicht, sondern aufgrund der Wirkungen der Pandemie und der durch Putin ausgelösten Energiekrise, erklärte Hinrichs weiter. "Wir werfen der Regierung nicht vor, dass sie gar nichts macht, aber es gibt keinen zusammenhängenden Plan."
Solange es keinen solchen Plan gebe, auf den man vertrauen könne, der das Leben schütze und die Zukunft sichere, so lange sei die Klimabewegung in der Pflicht, diesen Plan mit allen zur Verfügung stehenden friedlichen Mitteln einzufordern, betonte die Sprecherin.
Inzwischen weist die "Letzte Generation" auch stärker auf die sozialen Unterschiede im Klimawandel hin. Das reichste eine Prozent der Bevölkerung in Deutschland verursache 35-mal soviel CO2 wie jemand, der sozial benachteiligt ist, erklärte Sprecherin Aimée van Baalen heute. "Es sind die Reichen, die die Klimakatastrophe befeuern."
So seien im letzten Jahr so viele Flüge mit Privatjets gemacht worden wie nie zuvor, zitierte van Baalen aktuelle Untersuchungen. Auch wenn die CO2-Preise in die Höhe schießen würden, mache das den Reichen wenig aus.
Klimapolitischer Gesellschaftsrat soll Gesetze erarbeiten
"Die Regierung versagt im Klimaschutz sogar doppelt", kritisierte die Aktivistin. Zum einen seien die Klimaschutzbemühungen absolut unzureichend, zum anderen werde die soziale Gerechtigkeit vergessen.
Van Baalen erläuterte auch den aktuellen Vorschlag der "Letzten Generation" für einen klimapolitischen Gesellschaftsrat. Für diesen sollen 160 Bürgerinnen und Bürger repräsentativ ausgelost werden, ähnlich wie beim Klima-Bürgerrat vor zwei Jahren. Das stelle dann eine Art "Mini-Deutschland" dar, erläuterte die Aktivistin.
Als Ziel der Maßnahmen bezeichnete van Baalen, dass Deutschland die Nutzung fossiler Energien bis 2030 beendet. Ein solcher Gesellschaftsrat vertrage sich gut mit der parlamentarischen Demokratie, so die Aktivistin. Denn die Beschlüsse des Rates sollten dann ins Parlament eingebracht werden, sodass letztlich die Abgeordneten entscheiden.
Der einzige Unterschied sei, so van Baalen, dass die Gesetze nun nicht mehr in Ministerien unter Einfluss von Lobbyinteressen erarbeitet würden, sondern von Bürgerinnen und Bürgern, die die gesamte Gesellschaft repräsentierten.
Wegen der geplanten Blockaden sah sich die "Letzte Generation" in den letzten Tagen wachsender Kritik ausgesetzt, auch aus der Klimabewegung selbst. Gesellschaftliche Lösungen für die Klimakrise seien nicht dadurch erreichbar, dass Menschen im Alltag gegeneinander aufgebracht würden, hieß es etwa bei Fridays for Future.
Die "Letzte Generation" spielte die Kritik am Dienstag herunter. Man sei ständig im Austausch mit den anderen Gruppen, wurde betont. Letztendlich wollten auch alle in der Klimabewegung dasselbe.