Butter hat sich zuletzt deutlich verteuert. Die Gründe sind vielfältig, heißt es aus der Branche. Generell werde weniger Milch erzeugt und das Milchfett auch stärker zur Käseherstellung benötigt. Da bleibt weniger für die Butter.
Die Statistik zeigt: Deutschland erzeugt stabil 32 bis 33 Millionen Tonnen Milch jährlich. Allerdings wird weniger Milch getrunken. Laut dem Bundesinformationszentrum Landwirtschaft sank der Pro-Kopf-Verbrauch sogenannter Konsummilch 2023 auf unter 46 Kilogramm – ein neues Rekordtief.
Schuld daran ist auch der zunehmende Absatz pflanzlicher Milchalternativen. Klimapolitisch ist das ein guter Trend. Die Herstellung eines Liters Hafer- oder Sojamilch verursacht nur 0,3 bis 0,4 Kilogramm CO2. Kuhmilch übertrifft das um ein Mehrfaches – je nachdem, wo und wie die Kühe weiden und womit sie gefüttert werden.
Das zeigt ein am Dienstag veröffentlichter Report der Verbraucherorganisation Foodwatch und des tierhaltungskritischen Vereins Faba Konzepte.
Drei Kilo CO2 pro Liter Stallmilch
Demnach entstehen für einen Liter Kuhmilch bei normaler Weidehaltung 0,9 bis 1,1 Kilo CO2, eingerechnet darin sind die Effekte der Klimagase Methan und Lachgas, die in Agraremissionen eine entscheidende Rolle spielen.
Werden Kühe wie in Deutschland teilweise auf entwässerten Mooren gehalten, kann die Emissionslast eines Liters Milch auf 1,4 Kilo CO2 steigen. Stehen die Rinder vor allem auf Ex-Moorböden oder wird ihr Futter importiert und werden dafür zum Beispiel anderswo Wälder abgeholzt, kann der Liter Milch bis zu knapp neun Kilo CO2-Äquivalent verursachen, rechnet der Report in weiteren Varianten vor. Bei importierter Sojamilch ergibt so eine Opportunitätsrechnung Emissionen von 1,1 Kilo CO2.
Der hohe CO2-Fußabdruck der Milch ist für die Agrarlobby bisher kein großes Problem. Selbst die neueste Studie der Agora-Thinktanks zum klimaneutralen Deutschland geht davon aus, dass die deutsche Landwirtschaft 2045 immer noch 23 Millionen Tonnen CO2 emittiert. Dafür müssten bis dahin der hiesige Fleischkonsum sowie die Tierhaltung in etwa halbiert werden, gibt die Agora-Studie an.
Die künftigen 23 Millionen sind knapp die Hälfte der heutigen Agraremissionen von jährlich 52 Millionen Tonnen CO2. Eigentlich sind dazu aber noch die rund 40 Millionen Tonnen Klimagase hinzuzurechnen, die derzeit aus landwirtschaftlich genutzten Moorflächen entweichen, aber gemäß der internationalen CO2-Bilanzierung dem Sektor Landnutzung ("LULUCF") zugeordnet werden.
Im Agrarsektor wird klimapolitisch schöngefärbt
Die klimapolitische Schönfärbung des Agrarsektors wird im Foodwatch-Report scharf kritisiert – nicht nur, weil die Mooremissionen oft "vergessen" werden. Mit Konzepten wie "Klimamilch" oder "Net Zero Farms" werde versucht, das Image der Milchproduktion zu verbessern und ihre negativen Auswirkungen zu verharmlosen, schreiben die Autor:innen.
So suggeriere die Milchlobby, die Kühe würden auf grünen Wiesen grasen und die Nutzung dieser Flächen sei aktiver Umwelt- und Klimaschutz. Tatsächlich kämen in der Milchwirtschaft aber nur 31 Prozent der Kühe die Sommermonate über auf eine Weide.
Auch sei der Anteil der Milchkühe, die in einem Vollweidesystem produzieren, seit Jahren rückläufig und liege inzwischen deutlich unter zehn Prozent, merkt der Report weiter an. Der Großteil des Futters für die Kühe stamme nicht von Wiesen und Weiden, sondern vom Acker.
Der Report kritisiert auch die häufig von der Agrarindustrie propagierte Optimierung der Kuhfütterung. Diese sei nur im Stall anwendbar. Das verdränge die Weidehaltung weiter und verschlechtere die Lebensbedingungen der Kühe.
Alles in allem zeigt die Foodwatch-Analyse: Nicht die Kuh an sich ist ein Klimakiller, es sind vor allem die industriellen und wenig nachhaltigen Methoden, nach denen die Tiere im Agrarbusiness gehalten werden.
Zahl der Milchkühe schnell halbieren
Foodwatch und Faba Konzepte fordern entsprechend eine schnelle Reduktion von Tierzahlen und Milchkonsum. Die Zahl der fast 3,7 Millionen Milchkühe in Deutschland müsse in kurzer Zeit zumindest halbiert werden.
Würden Milchprodukte hierzulande durch Alternativen aus Soja, Kichererbsen und Linsen mit gleichem Eiweißgehalt ersetzt und die dann frei werdenden Flächen renaturiert, könnten 30 bis über 80 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden, beziffert der Report die möglichen Klimaeffekte. Diese kämen aber nicht allein der deutschen Klimabilanz zugute.
Foodwatch und Faba Konzepte gehen mit ihren Forderungen auch über eine Maxime hinaus, die unter anderem von Greenpeace aufgestellt wird. Danach sollten Landwirte nur noch so viele Tiere halten, dass sie ihr Futter auf eigenem Grünland erzeugen können.
Zwar würde sich mit diesem Grünland-Szenario die erzeugte Milchmenge mehr als halbieren, erklärt Autorin Friederike Schmitz von Faba Konzepte auf Nachfrage. Aus Klimasicht sei das aber nicht unbedingt die sinnvollste Variante, betont Schmitz. Denn zur Grünlandnutzung durch Rinderhaltung gebe es künftig umwelt- und klimafreundlichere Alternativen wie die Umwandlung in Naturschutzflächen oder die Aufforstung.
Grünland als CO2-Senke nicht gut genug
Klimapolitisch macht diese Position Sinn: Gerade, um die Restemissionen der Landwirtschaft ausgleichen zu können, müssen in Deutschland bisherige Grünlandflächen mit Biomasse "aufgefüllt" werden. Die Agora-Studie schlägt hierzu vor, die Leistung natürlicher CO2-Senken durch neue Waldflächen zu erhöhen sowie Gehölze auf landwirtschaftlichen Flächen in Form von Kurzumtriebsplantagen, Agroforstsystemen und Hecken wachsen zu lassen.
Für einen schnellen Übergang zu einer klimaverträglichen Agrarwirtschaft fordert der Foodwatch-Report seinerseits einen gesetzlichen Plan zur Reduktion der Tierzahlen, vergleichbar mit dem Kohleausstieg oder dem Verbrenner-Aus. Rinder haltende Betriebe sollten dazu Anreize wie Ausstiegsprämien erhalten.
Für trockengelegte Moore verlangen die Autor:innen eine Pflicht zum Ausstieg aus der Rinderhaltung sowie zur Wiedervernässung. Vorgeschlagen wird auch die Einführung eines Emissionshandels für die Landwirtschaft und für landwirtschaftlich genutzte Moore.
Der Report plädiert zudem für eine klimafreundliche Preisbildung. Fleisch- und Milchprodukte sollten verteuert werden, um Umweltschäden zu berücksichtigen – pflanzliche Nahrungsmittel könnten dagegen vergünstigt werden. Eine pflanzenbasierte Ernährung könnte in der Gemeinschaftsverpflegung in Schulen, öffentlichen Kantinen oder Krankenhäusern als Standard etabliert werden. Tierische Produkte sollten als Alternative im Angebot bleiben.
Dass die Politik die Forderungen aufgreift, ist nicht nur wegen der starken Agrarlobby in Deutschland wenig wahrscheinlich. Der Agrarsektor wird auch, Stand heute, sein gesetzliches Klimaziel für 2030 von 58 Millionen Tonnen locker einhalten können.
Benjamin Bodirsky, Klimaforscher am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und nicht an der Foodwatch-Analyse beteiligt, weist hier darauf hin, dass eine frühzeitige Senkung gerade der besonders klimawirksamen Methan-Emissionen aus der Tierhaltung ermöglichen würde, das 1,5-Grad-Klimaziel sehr viel günstiger zu erreichen.
Generell gehe es zum Schutz des Klimas darum, die Landwirtschaft schneller zu einer CO2-Senke zu machen, betonen die Foodwatch-Autor:innen ihrerseits.