Mechanisierte Ernte von Rohrkolben mit einem Erntefahrzeug auf Raupen und drei Leuten Besatzung.
Ernte von Rohrkolben auf einem nassen Moorstandort: Paludikultur bringt Einnahmen und ist klimaneutral, aber nicht klimapositiv. (Bild: Tobias Dahms)

Moore sind ein beliebtes Politik-Objekt in Deutschland. Mit der jüngsten Novelle des Bundes-Klimaschutzgesetzes wird natürlichen CO2-Senken wie Mooren jetzt eine "besondere Bedeutung" zuerkannt.

Ende April gründete sich eine "Allianz der Pioniere", bestehend aus Stiftungen, den Bundesministerien für Umwelt und Landwirtschaft sowie dem Greifswald Moor Centrum.

Die Allianz will sich um eine Idee kümmern, die gefühlt seit Jahrzehnten helfen soll, trockengelegte Moore wiederzuvernässen und zu CO2-Speichern zu entwickeln: die Paludikultur.

Namhafte Unternehmen wollen in den kommenden Jahren, teilen die Initiatoren mit, im Schulterschluss mit Landwirtschaft und Wissenschaft Pilotprojekte initiieren, Marktkräfte aktivieren und wachsende Wertschöpfungsketten auf Basis von Paludi-Biomasse aufbauen.

Die Land- und Forstwirtschaft auf wiedervernässten Mooren biete "erhebliche Potenziale" für den Klima- und Artenschutz, aber auch für alternative Einkommensquellen der Agrarbetriebe und für regionale, fossilfreie Rohstoffe, wird geworben.

Der Bundeslandwirtschaftsminister gibt für die Pilotprojekte 1,8 Millionen Euro über drei Jahre, nicht aus seinem Haushalt, sondern aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF).

Steigende Mengen verwertbarer Biomasse aus Mooren gibt es aber nur, wenn bisher trockengelegte Moore wiedervernässt werden. Über die größten Potenziale dafür verfügen die acht moorreichsten Bundesländer: Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt sowie im Süden Baden-Württemberg und Bayern.

Konkrete Angaben nur aus Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg

Auf eine Anfrage an alle acht Länder, wie viele Moorflächen im vergangenen Jahr für die Wiedervernässung gesichert wurden, nennen nur die Umweltministerien Schleswig-Holsteins und Baden-Württembergs konkrete Zahlen.

Die Angaben aus Schleswig-Holstein stammen von der Stiftung Naturschutz des Landes. Andere Akteure, die ebenfalls Moore wiedervernässen, tauchen darin nicht auf. Die von der Stiftung 2023 gesicherten Flächen betragen demnach insgesamt 133 Hektar. Eine Mehrfachnutzung wie durch Paludikultur sei auf den Flächen nicht geplant, teilt das Landesministerium weiter mit.

In Baden-Württemberg begannen 2023 Planungen, um künftig etwa 170 Hektar Niedermoor wiederzuvernässen, antwortet das dortige Umweltressort. 100 Hektar davon würden auch nach der Wiedervernässung in einer extensiven, an den Wasserhaushalt angepassten Nutzung bleiben, vor allem also als Grünland. Die weiteren 70 Hektar sind Hochmoor und würden auch künftig nicht genutzt. In den Zeiten zuvor wurden in Baden-Württemberg im Schnitt etwa 32 Hektar jährlich wiedervernässt, teilt die Behörde vergleichshalber mit.

Weiter sehen die Ziele Baden-Württembergs im Moorschutz vor, dass in den kommenden Jahren die zur Wiedervernässung freigegebenen Flächen deutlich größer werden, sowohl im Bereich der Renaturierung, also des Naturschutzes, als auch für die moorbodenerhaltende Landnutzung.

Zwei der zuständigen Ministerien, die in Bayern und in Niedersachsen, antworten bislang überhaupt nicht. Bayern hatte dies auch schon bei einer gleichgelagerten Anfrage von Klimareporter° zu den 2022er Daten nicht getan.

Viele Bundesländer sind noch bei der Datenerfassung

Die anderen vier Bundesländer können keine aktuellen Zahlen zum Stand der Wiedervernässung nennen. Mecklenburg-Vorpommern erklärt, die Daten würden zurzeit noch bei den unteren Wasser- und Naturschutzbehörden angefragt und erst dann in die Datenbank eingearbeitet und ausgewertet.

Auch Nordrhein-Westfalen arbeitet derzeit noch an der Datenerfassung und kann aufgrund der laufenden Arbeiten noch keine Zahlen zur Verfügung stellen, so die Auskunft. Im entsprechenden "Naturschutz-Fachkonzept" will das Bundesland unter anderem den Bestand wertvoller Moorflächen zur Erhaltung und Optimierung sowie die Potenziale für die Wiederherstellung von Mooren erfassen.

Brandenburg und Sachsen-Anhalt heben in ihren Antworten die Arbeit an Pilotprojekten hervor, in denen verschiedene Nutzungen und Wiedervernässungsgrade getestet würden. In Brandenburg geht es nach Auskunft der Behörde vorrangig darum, Moore nach der Wiedervernässung weiter nutzen zu können. Nur vereinzelt sei Naturschutz das Hauptziel.

Das sachsen-anhaltische Umweltministerium betont seinerseits, eine Mehrfachnutzung sei grundsätzlich möglich. Hier soll ebenfalls eine Datenbank aufgebaut werden, die unter anderem die wiedervernässten Flächen erfassen soll.

Auch das Thünen-Institut für Agrarklimaschutz in Braunschweig arbeitet an einem Moorbodenmonitoring, wie die Forschungseinrichtung des Bundes auf Anfrage informiert. Erfasst werden sollen der aktuelle Status der Moore und die Treibhausgasemissionen ebenso wie Minderungsmaßnahmen durch Wiedervernässung und Paludikultur.

 

In Deutschland waren einst etwa fünf Prozent der Landesfläche mit Mooren bedeckt. Von dem verbliebenen 3,6-Prozent-Anteil sind immer noch über 95 Prozent entwässert und werden genutzt. Diese trockengelegten Moore verursachen etwa sieben Prozent der deutschen Klimaemissionen – jährlich rund 53 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent.

Pro Hektar und Jahr emittieren entwässerte Moorböden 20 bis 40 Tonnen CO2. Für die fünf Millionen Tonnen, die die Bundesregierung hier ab 2030 jedes Jahr einsparen will, müssten also bis dahin rein rechnerisch 125.000 bis 250.000 Hektar vernässt werden.

Wie viel davon bereits geschafft sind, kann derzeit niemand sagen. Klar ist nur: Jedes Jahr kommt, wie die Anfragen erneut zeigen, viel zu wenig vernässte Moorfläche hinzu, um auch nur näherungsweise auf den nötigen Renaturierungspfad zu kommen.

Daran ändern auch "besondere Bedeutungen" und weitere Pilotprojekte erstmal so gut wie nichts. Aber wenigstens politisch vermitteln sie ein gutes Gefühl.