Lavendelfeld zwischen Eichenbäumen.
Mit einem Fünftel der Anbaufläche ist Frankreich Vorreiter bei Agroforsten: Lavendelfeld zwischen Eichenbäumen in der Provence. (Foto: AGROOF/​Agforward/​Flickr)

Die Idee ist fast so alt wie die Landwirtschaft selbst: Schon vor Jahrhunderten haben Bauern ihr Grünland und ihre Äcker gezielt mit Bäumen bepflanzt. Eine zunehmend intensivere Bewirtschaftung der Böden hat die Agroforste jedoch in den letzten Jahrzehnten immer weiter zurückgedrängt.

Ein Fehler, wie eine wachsende Zahl wissenschaftlicher Publikationen inzwischen nahelegt. Denn vielen Analysen zufolge können die alten Nutzungsformen landwirtschaftlicher Flächen der globalen Erwärmung und den einhergehenden Extremwetterereignissen wie Dürren oder Starkregenfällen besser trotzen als moderne Anbaumethoden.

"Die Landwirtschaft steht vor großen Herausforderungen und muss sich damit auseinandersetzen, wie sie anzugehen sind", sagt Sonja Kay von Agroscope, dem landwirtschaftlichen Forschungszentrum des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung in der Schweiz.

Im Rahmen des EU-Projekts Agforward hat die Agrarexpertin in ganz Europa nach Standorten mit mangelhaften Umweltbedingungen gesucht. Auf einem Viertel der Landwirtschaftsfläche Europas bestehen demnach kaum Defizite wie Erosion, Nitratauswaschung oder Phosphorüberdüngung, auf rund neun Prozent der Fläche dagegen gravierende.

Betroffen sind vor allem intensive Ackerbaugebiete im Nordwesten Frankreichs, im Norden und Südwesten Italiens, in Zentralspanien und Griechenland sowie in manchen Graslandregionen Dänemarks und Großbritanniens.

Auf diesen Flächen könnten Agroforste Vorteile für die Böden und die Biodiversität bringen – und bis zu 43 Prozent der landwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen in Europa kompensieren. Über 230 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent ließen sich nach Kays Berechnungen so binden.

Waldweiden, Streuobstwiesen, Windschutzhecken

Agroforste zeichnen sich dadurch aus, dass Bäume und Hecken in verschiedenen Anordnungen neben den Nutzpflanzen wachsen. Auch Weideflächen für Rinder, Schweine oder Hühner können dazugehören.

Das Wesentliche sind die Bäume, die zur Steigerung der Ernteerträge beitragen: Sie nehmen Wasser auf und mobilisieren Mineralstoffe, gleichzeitig speichern sie Kohlendioxid. Der Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln kann reduziert, der Nitrateintrag in das Grundwasser verringert werden.

Außerdem schützen die Bäume gegen Wind, zu viel Sonne, Schädlinge und die Erosion der Böden. Mit ihren langen Wurzeln können sie Wasser aus tieferen Bodenschichten aufnehmen und konkurrieren daher nicht mit den vom Regenwasser abhängigen Ackerfrüchten. Sie bieten Habitate für viele Pflanzen und Tiere, was sich wiederum positiv auf Bestäuber und andere Nützlinge wie Spinnen auswirkt.

Einige Schweine laufen auf einem Weg in einem spanischen Korkeichenwald.
Schweine weiden unter Korkeichen: Dehesa in Spanien. (Foto: Jamón Selección/​Pixabay)

Überall in Europa finden sich bereits traditionelle Agroforstsysteme. In mediterranen Gebieten wie Spanien oder Portugal gibt es ausgedehnte Weideflächen, sogenannte Dehesas oder Montados, auf denen hauptsächlich Kork- oder Steineichen stehen, was sich gut mit der Schweinemast verbinden lässt: Die halbwild umherstreifenden Tiere fressen die Eicheln und finden unter den Bäumen Schatten.

In Mittel- und Nordeuropa gibt es Streuobstwiesen, bei denen der Obstbau mit Grasland oder Weiden kombiniert wird. Im Südosten Europas wie in Rumänien oder Bulgarien finden sich Ackersysteme, bei denen Baumreihen strategisch als Windschutz angelegt wurden.

Aus Sicht der Biodiversität und des Ressourcenschutzes sind solche Symbiosen vorbildlich. Aufgrund ihrer geringen Erträge waren sie lange Zeit allerdings größtenteils wirtschaftlich nicht attraktiv, die Bäume waren häufig zu eng gepflanzt oder die Kronen zu niedrig, sodass keine Erntemaschine darunter passte.

Mittlerweile passt man die alten Konzepte jedoch an die modernen Strukturen der Landwirtschaft an. Die Bäume werden dabei so integriert, dass sie von den gängigen Landmaschinen nicht verletzt werden.

Wie gut das funktioniert, hat sich am Beispiel Frankreichs gezeigt. Dort wurden in einigen Regionen schon vor 30 Jahren Bäume in parallel ausgerichteten Reihen auf Ackerland gepflanzt, auf den Feldstreifen dazwischen Gemüse, Getreide oder Obst angebaut.

Während in anderen Landstrichen das Getreide unter der Trockenheit litt und notreif wurde, konnten die Bauern auf den Mischanbauflächen selbst in Dürrejahren normale Ernten einfahren. Mittlerweile sind weit mehr als 20 Prozent der Anbauflächen Frankreichs als Agroforste angelegt.

Freilandtests im dürregeplagten Brandenburg

In Deutschland werden dagegen bislang nur 1,6 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Flächen so bewirtschaftet. Doch das könnte sich bald ändern. Im besonders von Bodenerosion geplagten Brandenburg laufen seit Mitte 2017 Freilandtests, um die ökologischen Wechselwirkungen von Bäumen auf dem Acker zu erforschen.

Tobias Cremer, Forstwissenschaftler an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE), hat gemeinsam mit dem Fachbereich Landschaftsnutzung und Naturschutz auf einer Ackerfläche im Löwenberger Land Reihen aus Setzlingen im Abstand von etwa 36 Metern angelegt: Baumhasel, Wildbirne, Elsbeere, Traubeneiche und Speierling, drum herum beackert ein Bauer konventionell sein Feld.

"Wir haben uns bemüht, Baumarten auszusuchen, die an die Fläche und die Standortbedingungen angepasst und die an Freistand gewöhnt sind", sagt Cremer. Als Windschutzhecke umranden Pfaffenhütchen, Weißdorn, Schwarzer Holunder, Schneeball und Hunds-Rose den Acker. Die heimischen Sträucher und Bäume sollen den Boden vor Wind- und Wasserschäden bewahren und so die Ackerkulturen schützen. Außerdem bietet die Hecke Lebensraum für Vögel und Insekten.

Die HNEE-Forscher messen Niederschlag, Temperatur, Luftfeuchtigkeit, beobachten Humusgehalt, Durchwurzelung und Laubfall und überprüfen die Artenvielfalt in Flora und Fauna. Die veränderte Landschaft soll auch eine andere Besiedelung mit Tieren nach sich ziehen.

"Gute Stämme lassen sich hochpreisig vermarkten"

Noch sind die Bäume nicht hoch genug gewachsen, um die erwünschten Effekte zu zeigen. Erste Ergebnisse gibt es aber bereits. "Überraschenderweise haben wir bei der Eiche bislang die meisten Ausfälle. Dabei ist sie eigentlich an Trockenheit angepasst", sagt Cremer.

Möglicherweise liege die Ursache darin, dass die verwendeten nährstoffreich aufgezogenen Setzlinge aus der Baumschule nicht so gut an die brandenburgischen Böden angepasst, dafür aber besonders schmackhaft für Wild seien und deshalb stark verbissen würden.

Andere Baumarten wie der Speierling und die Elsbeere kämen dagegen besser als erwartet zurecht. Insgesamt hätten die Pflanzen und Bäume die trockenen letzten Jahre erstaunlich gut überstanden. "Gewässert wird gar nicht, das wäre unwirtschaftlich und nicht praxisnah", sagt Cremer.

Drei mit Röhren gegen Verbiss geschützte Bäumchen wachsen neben einem Getreidefeld.
"Ackerbau(m)" heißt das Agroforstprojekt der HNEE im Löwenberger Land in Brandenburg. (Foto: Annika Bischof/​HNEE)

Zusätzlich zum Ernteertrag ihrer Felder haben Bauern bei Agroforstsystemen weitere Einkünfte durch den Verkauf der Früchte oder des Holzes ihrer Bäume. Auch Kurzumtriebsplantagen mit schnell wachsenden Pappeln oder Weiden, die alle zwei bis fünf Jahre gefällt und als Hackschnitzel für Bioenergie genutzt werden, seien möglich.

Alle Baumarten des brandenburgischen Versuchsfelds werden voraussichtlich nach dem Fällen in 40 bis 80 Jahren als hochwertige Hölzer industrielle Verwendung finden. "Das ist das Charmante", sagt Cremer. "Wenn die Baumstämme eine gute Qualität aufweisen, können sie als Furnier- oder Möbelholz genutzt und entsprechend hochpreisig vermarktet werden."

Das Reallabor soll nicht nur als studentisches Modellprojekt dienen, sondern auch Landwirte und Führungskräfte inspirieren. Besonders in Deutschland braucht es mehr Anschauungsobjekte, da neben Neugier auch viel Skepsis herrscht, wie Cremer erzählt.

"Natürlich stoßen da zwei Systeme aufeinander: einerseits Landwirte, die jedes Jahr aufs Neue entscheiden, mit welcher Frucht sie ihre Äcker bewirtschaften wollen. Und auf der anderen Seite der forstliche Ansatz: Waldbesitzer denken eher in 80- bis 120-Jahres-Zyklen."

Beide Seiten müssten sich erst aneinander gewöhnen, so Cremer. Landwirte seien unsicher, wie sie die Gehölzstrukturen anlegen können, welche Baumarten geeignet sind und welche Abstände sie wählen sollten. Das lasse sich schlecht verallgemeinern, im Vorfeld seien viel Planung und Beratung wichtig.

"Wir müssen offen sein für neue Kulturen"

"Ein optimales System ist an den Standort angepasst", sagt Agroscope-Forscherin Kay. Ein Agroforst, der in Spanien gut funktioniere, passe nicht unbedingt in Norddeutschland. Es gibt Baumarten, die an unterschiedliche Klimate angepasst sind. Vielleicht sei in Zukunft mit fortschreitendem Klimawandel auch die Pflanzung anderer Arten als der heimischen sinnvoll, sagt Kay. "Wir müssen einfach offen sein für neue Kulturen."

In Deutschland hat sich dafür vor zwei Jahren eigens der Deutsche Fachverband für Agroforstwirtschaft gegründet, in dem sich Praktiker und Wissenschaftlerinnen vernetzen und ihr Wissen austauschen können.

"Zwar muss nicht die Bewirtschaftungsweise umgestellt werden, es kommen aber weitere Komponenten hinzu", gibt Kay zu bedenken. "Das System wird komplexer, geeignete Management- und Vermarktungswege müssen gefunden werden." In den ersten Jahren sei überdies der Ertrag pro Fläche gering, die langsam wachsenden Gehölze bedeuten eine langfristige Kapital- und Flächenbindung.

Weitere Hürden sind die unterschiedlichen Bestimmungen der Staaten und die uneinheitliche Auslegung der EU-Förderverordnung. In der Schweiz wird das Pflanzen einzelner Bäume hoher Qualität seit Langem über die Biodiversitätsförderung unterstützt, und derzeit werden auch finanzielle Beihilfen für die Anpflanzung und den Unterhalt von Agroforsten im Rahmen eines geplanten Pilotprojekts gewährt.

In Deutschland dagegen werden Flächen, auf denen Bäume stehen, nach 20 Jahren als Wald deklariert. Hecken werden nicht als eine Form der Ackerbewirtschaftung anerkannt, als Landschaftselement sind sie vielmehr von den EU-Flächenprämien ausgenommen.

Runder Tisch in Brüssel

Von der EU-Ebene könnten die Agroforste jedoch bald mehr Unterstützung bekommen. Ende September debattierte die Europäische Kommission beim zweiten Roundtable ihrer "Carbon Farming Initiative" über Strategien, um den von Menschen in die Atmosphäre gebrachten Kohlenstoff wieder in den Boden zurückzuführen.

"Die Einführung einer neuen Agroforstwirtschaft in konventionellen Anbausystemen bietet Potenzial für zusätzliche Klimavorteile (sowohl zur Minderung als auch zur Anpassung) sowie für eine Reihe anderer Ökosystem- und Biodiversitätsdienste", heißt es im Bericht dazu.

Und weiter: Um eine "kontinuierliche unterstützende Bewirtschaftung kostengünstig zu erreichen, müssen vor Ort geeignete Systeme sorgfältig ausgewählt und die Bereitstellung anderer öffentlicher Umweltgüter belohnt werden, nicht nur die Reduzierung der Treibhausgasemissionen".

Zudem seien, um die Skepsis bei vielen europäischen Landwirten zu überwinden, "erhebliche beratende, technische und vorab durchgeführte Investitionsunterstützungen erforderlich". In den nächsten Monaten sollen Vorschläge erarbeitet werden.

Tobias Cremer und Sonja Kay begrüßen das, auch wenn sie der Meinung sind, dass sich die positiven Effekte für die Umwelt schwer in Geld umrechnen lassen. Schließlich würden allein schon durch die geringeren Stickstoffmengen, die bei Agroforstsystemen ins Grundwasser gelangen, die auf die Allgemeinheit abgewälzten Kosten der Landwirtschaft sinken. Und der zusätzliche Nutzen für Ökologie und Klima stehe außer Frage.

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