Die erste Rede eines US-Regierungsvertreters zum Auftakt der COP 29 – voraussichtlich eine der wenigen auf dem Klimagipfel in Baku – gleicht einem Drahtseilakt. John Podesta, der als Klimasondergesandter Anfang des Jahres John Kerry ablöste, betont gleich zu Beginn, wie "zutiefst deprimierend" der Wahlsieg von Trump sei.
Der Republikaner werde einen Großteil der US-Klimaerfolge zurückdrehen. "Im Januar wird ein Mann zum Präsidenten ernannt, dessen Verhältnis zum Klimawandel mit den Worten 'Schwindel' und 'fossile Brennstoffe' umschrieben werden kann."
Gleichzeitig lobt Podesta die Biden-Administration für ihre Führungsrolle bei den globalen Klimaanstrengungen. Mit Blick auf die kommenden vier Jahre sei er zuversichtlich, dass die USA Klimaschutz weiter vorantreiben.
Bundesstaaten, lokale Regierungen und der private Sektor würden weiterhin "den Weg weisen". Welcher Weg das genau sein soll, den die USA in der Vergangenheit gewiesen haben sollen, mögen sich manche Zuhörer:innen fragen.
Surreal wirken auch die anschließenden Pressefragen ausgewählter Medienvertreter:innen an Podesta. So etwa, ob eine Erweiterung des Kreises der Geberländer eine Voraussetzung für die USA seien, um einem neuen Klimafinanzierungsziel zuzustimmen.
Da es keinen Zweifel daran gibt, dass Trump erneut aus dem Pariser Klimaabkommen aussteigen wird – und möglicherweise gleich aus der gesamten Klimarahmenkonvention –, ist die Verhandlungsposition der scheidenden Regierung im Grunde obsolet. Podesta antwortet natürlich trotzdem brav, wie entscheidend die Auflösung der Zweiteilung in Industrie- und Entwicklungsländer sei.
Die Frage, ob nun, nachdem die USA wohl für mindestens vier Jahre ausfallen, China die Führung beim Klimaschutz übernehmen wird, will der Klimagesandte nicht so richtig beantworten. Stattdessen betont er, wie viel China zu tun habe, um seiner Verantwortung gerecht zu werden.
Dasselbe ließe sich natürlich auch über die USA sagen, selbst wenn die Präsidentschaftswahlen anders ausgegangen wären.
Keine Überraschung ist, dass Präsident Joe Biden angesichts der demokratischen Wahlniederlage nicht auf dem Gipfel auftreten wird – zumal er schon letztes Jahr in Dubai die Konferenz nicht mit seiner Anwesenheit beglückt hat.
Lange Liste der Abwesenden
Überraschender ist die lange Liste an weiteren Staatschefs, die der COP 29 fernbleiben.
Mit Xi Jinping, Narendra Modi und Wladimir Putin haben die Länderchefs mit dem größten und dem dritt- und viertgrößten Treibhausgas-Fußabdruck ihre Teilnahme abgesagt. Alle drei scheuten allerdings auch in der Vergangenheit meist die Konferenz.
Bundeskanzler Olaf Scholz hätte eigentlich am Dienstag vor der Weltgemeinschaft sprechen sollen, hat aber aufgrund der "aktuellen politischen Lage" in Deutschland seine Reise kurzfristig abgesagt.
Da während des ersten Abschnitts der Klimakonferenz, dem sogenannten High-Level-Segment, nur Staatschefs sprechen dürfen, kann sich weder Scholz noch ein anderer Staatslenker vertreten lassen. Nach dem Scheitern der Ampelkoalition ist Deutschlands Verhandlungsposition zudem deutlich geschwächt.
Auch Frankreich als zweitgrößte Wirtschaftsnation der EU wird nicht von seinem Präsidenten Emmanuel Macron repräsentiert. Wie berichtet wird, sind die schlechten Beziehungen mit dem Gastgeberland Aserbaidschan dafür verantwortlich.
Das schon lange angespannte Verhältnis der beiden Nationen hatte sich massiv verschlechtert, nachdem Frankreich die aserbaidschanische Militäroffensive in Bergkarabach letztes Jahr verurteilte und Waffen an Armenien lieferte.
Die aserbaidschanischen Behörden haben als Reaktion vergangenes Jahr drei französische Staatsbürger inhaftiert. Darunter ist ein Künstler, der für ein Graffiti zu drei Jahren Haft verurteilt wurde.
Frankreich hat deshalb eine grundsätzliche Reisewarnung, auch im Zuge der COP 29, für seine Bürger ausgesprochen. Es wirkt fast wie eine Provokation, dass die aserbaidschanische COP-Präsidentschaft einen der Pressekonferenzräume – indem unter anderem John Podesta seine Rede hielt – "Karabach" getauft hat.
"Absolute Zeitverschwendung"
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen begründete ihre Abwesenheit damit, sich auf ihre zweite Amtsperiode vorbereiten zu müssen, die am 1. Dezember beginnt. Das sei enttäuschend, findet David Ryfisch von der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch. "Dies wäre der Moment, um die Green-Deal-Diplomatie mit starken Signalen zu untermauern."
COP 29 in Baku
Bei der 29. UN-Klimakonferenz in Aserbaidschan geht es um ein neues Ziel für die internationale Klimafinanzierung. Klimareporter° ist mit einem Team vor Ort und berichtet täglich.Auch die Premierminister Kanadas, Südafrikas und Australiens, Justin Trudeau, Cyril Ramaphosa und Anthony Albanese, werden nicht erwartet.
Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva musste absagen, da er sich vor einigen Wochen eine Kopfverletzung zugezogen hat.
In einer aktualisierten Liste der Vereinten Nationen mit allen Staatschefs, die zu Beginn der Klimakonferenz sprechen, fehlen überraschenderweise auch Gustavo Petro aus Kolumbien und William Ruto aus Kenia. Beide Präsidenten waren als stete Mahner zu mehr Klimaanstrengungen mit Sicherheit erwartet worden.
Aus Protest gegen die unzureichenden Klimahilfen reicher Länder hatte bereits im August Papua-Neuguineas Premierminister James Marape sein Fernbleiben angekündigt. Sein Land gehört zu den besonders gefährdeten Ländern. Der papuanische Außenminister bezeichnete die Klimakonferenz als "absolute Zeitverschwendung".
Dennoch sind David Ryfisch zufolge viele Staats- und Regierungschefs aus dem globalen Süden vor Ort. Auch Cosima Cassel vom britischen Thinktank E3G betont, dass sich über 90 Staatsoberhäupter – viele von den verletzlichsten Ländern – in Baku für starke Fortschritte einsetzen.
Cassel: "Eine stärkere Präsenz der Staats- und Regierungschefs würde zwar ein starkes Signal senden, doch vor allem geht es darum, dass die Verhandlungsführer weitreichende und konkrete Ergebnisse erzielen."
Am Ende haben es aber auch ein paar europäische Schwergewichte nach Baku geschafft, wie Keir Starmer aus Großbritannien und Pedro Sanchez aus Spanien. Mit Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und ihrem ungarischen Kollegen Viktor Orbán sind auch zwei Trump-Versteher:innen mit von der Partie.