Mit dem E‑Auto in den Urlaub – vielen erscheint das zurzeit als Luxus. (Bild: Halfpoint/​Shutterstock)

Das Jahr 2019 schien den großen Umschwung für eine aktive Klimapolitik zubringen. Die Fridays-for-Future-Bewegung brachte Millionen Menschen auf die Straße.

Es folgte ein wegweisendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts, und die damalige Bundesregierung von Union und SPD verschärfte den CO2-Einsparkurs mit dem Ziel Klimaneutralität 2045. Doch dann kamen Corona und der Ukraine-Krieg, und der Klimaschutz rutschte in der Priorität ab.

Trotz dieser Umwälzungen: Der Wunsch nach einer wirksamen Klimapolitik ist unter den Bürgerinnen und Bürgern weiterhin stark, wie Umfragen zeigen. Sie zweifeln allerdings zunehmend am politischen Willen, dies auch zu tun, und ebenso daran, dass die nötige Transformation in Wirtschaft und Gesellschaft sozial gerecht gestaltet wird.

Die Deutschen stimmen laut einer aktuellen Befragung trotz vieler Unsicherheiten der Energie- und Verkehrswende mehrheitlich weiterhin zu. Für 41 Prozent der Befragten hat der Klimaschutz sogar an Bedeutung gewonnen, für elf Prozent ist er durch die Energiekrise infolge des Ukraine-Kriegs unwichtiger geworden.

Fast die Hälfte (48 Prozent) favorisiert dabei allerdings Lösungen, die sowohl zum Klimaschutz beitragen als auch die finanziellen Auswirkungen der gestiegenen Energiepreise abmildern.

Die meisten sehen bei sich kein CO2-Einsparpotenzial mehr

Das zeigt das aktuelle "Soziale Nachhaltigkeitsbarometer", erhoben vom Meinungsforschungsinstitut Forsa im Rahmen des vom Bundesforschungsministerium geförderten Projekts Ariadne. Dabei handelt es sich um eine jährliche repräsentative Befragung von deutschlandweit über 6.500 Personen zu Themen der Energie- und Verkehrswende.

Ein Großteil der Bürgerinnen und Bürger hat laut der Befragung sein Verhalten geändert, um Energie zu sparen und den Klimaschutz zu unterstützen. Entsprechend nehmen auch die privaten Investitionen in klimafreundliche Technologien zu. So ist Anteil der Auto-Käufer, die sich für E‑Autos entschieden, deutlich angestiegen, ebenso der Anteil der Personen, die angeben, privat Solaranlagen installiert zu haben.

Allerdings: Für eine deutliche Mehrheit ist das CO2-Einsparpotenzial im eigenen Haushalt ausgeschöpft, und für knapp die Hälfte sind Investitionen zum Beispiel in E‑Mobilität aktuell nicht bezahlbar. Das korrespondiert damit, dass die Menschen mehr Handlungsverantwortung bei der Politik und der Industrie sehen. Die Befragten kritisieren mehrheitlich, die Kosten für grüne Energie seien zu hoch.

Verzerrte Wahrnehmung

Klimaschutzmaßnahmen werden nach wie vor von vielen Deutschen unterstützt, die Wahrnehmung dazu ist aber eine andere. Beispiel Windkraft: Während die für das "Soziale Nachhaltigkeits­barometer" Befragten glauben, dass nur rund ein Drittel (32 Prozent) den Windenergieausbau vor Ort befürwortet, ist es tatsächlich mehr als die Hälfte (59 Prozent). Ebenso beim Thema Energiesparen. Hier meinen sie, dass nur etwas über die Hälfte der Mitmenschen bereit sei, weniger Strom und Gas zu verbrauchen. Dabei liegen die echten Zustimmungswerte bei 77 Prozent.

Eine verzerrte Wahrnehmung der tatsächlichen Meinungen zum Ausbau erneuerbarer Energien könne sich negativ auf die Genehmigung solcher Anlagen auswirken und der Politik einen falschen Eindruck vermitteln, sagte Professor Ortwin Renn vom Potsdamer Nachhaltigkeits­forschungs­institut IASS. "Nach dem Motto: Vor Ort will keiner mitmachen, wenn es um die Umsetzung der Energiewende geht." Die Aufklärung über die Mehrheitsverhältnisse zu Maßnahmen der Strom- und Verkehrswende sei also sehr wichtig für den politischen Diskurs und Entscheidungsprozess.

Die Protestaktionen von Klimagruppen werden inzwischen eher kritisch bewertet. 59 Prozent haben für die Aktionen (eher) kein Verständnis. Zudem befürchten fast zwei Drittel der Befragten (64 Prozent), dass die Proteste die gesellschaftliche Unterstützung für mehr Klimaschutz gefährden.

Die Co-Autorin des Barometers, Benita Ebersbach vom Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit (RIFS) in Potsdam sagte: "Die Bürgerinnen und Bürger wünschen sich eine gerechte Verteilung der Lasten, die durch die Energie- und Verkehrswende entstehen." Dabei gehe es ihnen nicht nur generell um einen finanziellen Ausgleich von Kosten, sondern auch darum, bei der Verkehrswende nicht abgehängt zu werden.

Beim Urlaub hört Klimaschutz auf

Dass der monatelange heftige Streit über das Gebäudeenergiegesetz hier ziemlich kontraproduktiv war, liegt auf der Hand. Eine weitere aktuelle Umfrage, in Auftrag gegeben vom Forum für Klima, Energie, Mobilität und Bauen (Kemb-Forum) belegt das.

Die Klimapolitik der Bundesregierung wird demnach von einer Mehrheit negativ beurteilt, obwohl der größte Teil persönlich bereit ist, sich im Kampf gegen die Erderwärmung – mit Ausnahme des Fleischkonsums – einzuschränken.

Allerdings wollen etwa 50 Prozent der Befragten nicht mehr Geld für den Klimaschutz ausgeben. "Gerade der Streit um das unausgereifte Heizungsgesetz in den vergangenen Monaten hat der Bereitschaft für Klimaschutz in der Bevölkerung geschadet", sagte dazu Kemb-Vorstandschef Martin Neumann der in Halle erscheinenden Mitteldeutschen Zeitung.

Das Kemb-Forum ist eine Denkfabrik, die unter anderem die Akzeptanz der Energiewende untersuchen lässt. Der Thinktank wird unter anderem von den Leipziger Stadtwerken und dem Biosprit-Hersteller Verbio unterstützt. Für die Umfrage hat das Erfurter Insa-Institut Ende Juni gut 2.000 Personen befragt. 

Klar wurde in der Umfrage auch: Bei ihren Sommerurlaubsplänen achten – wie vor Corona – nur wenige Deutsche auf den Klimaschutz. Nur für eine Minderheit von 16 Prozent spielen Klimaaspekte hier eine größere Rolle, während 41 Prozent sagten, diese seien für sie kaum von Bedeutung.

Immerhin ist eine Mehrheit laut der Umfrage grundsätzlich bereit, Flugreisen aus Klimaschutzgründen einzuschränken. Eine verminderte Nutzung des Autos wird dagegen überwiegend abgelehnt.

38 Prozent fahren allerdings überhaupt nicht in den Sommerurlaub.