Blick über Lwiw mit einem Hochhauskomplex im Rohbau, hinter der Stadt steigt eine dichte dunkelgraue Rauchsäule auf und zieht sich über den Himmel.
Russischer Raketenangriff auf ein Erdöl-Tanklager im westukrainischen Lwiw (Lemberg) einen Monat nach Kriegsbeginn. (Foto: Wladyslaw Sodel/​Shutterstock)

Vor knapp einem Jahr begann Putins brutaler Angriffskrieg auf die Ukraine. Inzwischen wird immer deutlicher: Nicht nur die Menschen leiden unter den militärischen Attacken, es gibt auch verheerende Natur-, Umwelt- und Klimaschäden.

Ein aktueller Greenpeace-Report zeigt das Ausmaß davon. Allerdings könnte der Konflikt, der die Energiemärkte weltweit durcheinandergebracht hat, indirekt den schnelleren Umstieg auf CO2-freie Energien fördern. Das wäre ein Push für den Klimaschutz.

Der Greenpeace-Bericht dokumentiert knapp 900 Fälle schwerer Umweltschäden, darunter großflächige Waldbrände, das Austreten von giftigen Gasen aus Kraftwerken und Ölverschmutzungen in Gewässern. Er basiert auf einer Dokumentation der ukrainischen Umweltorganisation Ecoaction.

Von den 900 Fällen wurden 30 besonders schwerwiegende ausgewählt und durch Greenpeace mittels Satellitenaufnahmen überprüft. Sie sind in einer digitalen Karte verfügbar.

Berichtet wird unter anderem über einen Waldbrand in der östlichen Region Luhansk, der über 17.000 Hektar betraf und durch russische Raketen ausgelöst worden war, außerdem über einen großflächigen Ölteppich im Schwarzen Meer durch eine beschossene Ölplattform.

Dokumentiert sind des Weiteren mehrere Fälle von starker Luftverschmutzung, nachdem aus bombardierten fossilen Kraftwerken hochgiftiger Rauch ausgetreten war. Andere Fälle sind die Zerstörung einer Erdgaspipeline, Angriffe auf das Atomkraftwerk Saporischschja sowie die Zerstörung eines Elektrizitäts-Umspannwerks.

Hauptursache sind Angriffe auf Infrastruktur

Ein Großteil der Verwüstungen rührt von den gezielten Attacken des russischen Militärs auf die Energie-Infrastruktur her, die seit Herbst verstärkt wurden. Nach Angaben des ukrainischen Parlaments sind bis Ende Januar mehr als 700 Raketen und Drohnen auf Energieanlagen abgeschossen worden, besonders im Osten und Süden des Landes. Nach den Angaben ist dort die Hälfte der Infrastruktur bereits zerstört worden, und es kommt regelmäßig zu Stromausfällen.

Solarstrom für die Ukraine

Russland zerstört gezielt die Energieerzeugung in der Ukraine. Der Westen hilft vor allem mit Dieselgeneratoren, um Krankenhäusern und anderen wichtigen Einrichtungen Strom zu liefern. Es gibt jedoch inzwischen auch Initiativen, die Solaranlagen mit Batteriespeichern spenden, um in Regionen ohne Strom die Handykommunikation aufrechterhalten zu können oder für Licht in den dunklen Nächten zu sorgen.

Die Welt-Windkraft-Organisation WWEA und die internationale Energiewende-Initiative Global 100 Re, beide mit Sitz in Bonn, haben eine Initiative zur Lieferung von Solarequipment in die Ukraine gestartet. Unterstützt wird sie von der ukrainischen Eurovision-Song-Contest-Gewinnerin Ruslana und von ehemaligen Abgeordneten im ukrainischen Parlament. Sie sorgen dafür, dass die Anlagen dort ankommen, wo sie gebraucht werden. Spenden dafür sind willkommen.

Auch die Berliner Sektion der Vereinigung Eurosolar sammelt Spendengelder für Solaranlagen mit Speichern, um sie in die Ukraine zu bringen.

Stark in Mitleidenschaft gezogen wurden auch die Wälder und Naturschutzgebiete. Die Artenschutzstiftung WWF schätzt, dass bisher rund drei Millionen Hektar Wald von den Kampfhandlungen betroffen waren, was einem Drittel aller ukrainischen Wälder entspreche. Nach offiziellen Angaben aus Kiew trifft das zudem für 1,24 Millionen Hektar Naturschutzgebiete zu, das ist ein Fünftel dieser Gebiete.

Greenpeace verweist in dem aktuellen Report darauf, dass neben der direkten Zerstörung auch die langfristige Belastung etwa durch Munitionsreste eine Gefahr darstelle. So enthielten zum Beispiel Patronenhülsen unter anderem Schwefel und Kupfer. "Das kann über den Boden in das Grundwasser gelangen und damit letztlich in die Nahrungskette und so Menschen und Tiere schädigen", warnt die Umweltorganisation.

Die Klimachefin von Ecoaction, Jewhenija Sasjadko, sagte: "Der Krieg trifft die Natur so schwer wie die Menschen und die Infrastruktur." Die Natur sei aber ein stilles Opfer, deshalb blieben die Schäden weitgehend unbeachtet.

Greenpeace-Campaigner Denys Zuzajew aus Kiew mahnte, es seien erhebliche finanzielle Mittel nötig, um Natur und Umwelt wiederherzustellen. "Diese Mittel müssen jetzt bereitgestellt werden und nicht erst nach Kriegsende." Dies müsse die ukrainische Regierung ebenso berücksichtigen wie die Plattform der EU-Kommission zur Koordinierung der Geberländer.

Greenpeace selbst unterstützt den Wiederaufbau der Ukraine nach eigenen Angaben mit einem Ökoenergie-Projekt. Ein Krankenhaus in der Nähe von Kiew sei mit einer Solarstromanlage und einer Wärmepumpe ausgestattet worden, weitere Projekte seien in Vorbereitung.

"Energiewende kommt fünf Jahre schneller"

Eine exakte Klimabilanz des Krieges aufzustellen, ist nicht möglich – zumal er offenbar noch lange anhalten wird. Negativ zu Buche schlagen auf jeden Fall die direkten CO2-Emissionen von Kampfjets, Panzern, Truppentransportern und Militärschiffen. Ein sowjetischer T‑72-Panzer beispielsweise verbraucht 250 Liter Diesel auf 100 Kilometer, ein Kampfflugzeug verbrennt rund 5.000 Liter Kerosin pro Stunde.

Auch der nach Kriegsende nötige Wiederaufbau von Gebäuden und Infrastruktur verbraucht große Mengen Energie und Ressourcen. Andererseits sinken zurzeit die ukrainischen CO2-Emissionen, auch wenn das eine zynische Rechnung ist, da fossile (Heiz-)Kraftwerke wegen der Angriffe nicht betrieben werden können und weniger Auto gefahren wird.

 

Langfristig spielt für das Klima aber sicher die größte Rolle, wie sich die Energiepolitik der wichtigen Wirtschaftsblöcke durch den von Putin eskalierten "Energiekrieg" verändert. Kurzfristig steigen die Emissionen zwar an, etwa in der EU durch das Wiederanwerfen von Kohlekraftwerken und mehr Flüssigerdgas-Einsatz.

Doch entscheidender dürfte der Push für die erneuerbaren Energien sein, der sich abzeichnet. "Vor allem die EU will mehr Erneuerbare ausbauen und schneller. Deutschland hat seine Ziele auch erhöht und wir sehen, dass die Nachfrage nach Projekten von grünem Wasserstoff sehr zugenommen hat", sagte dazu Klimaprofessor Niklas Höhne vom New Climate Institute in Köln.

Damit sei es vorher nur sehr langsam vorangegangen, so Höhne. "Jetzt, würde ich sagen, ist das alles fünf Jahre schneller gekommen als geplant. Das ist sehr gut."