Ein Elektroauto Audi Q4 E-Tron an der Ladesäule.
Die Hersteller bevorzugen Elektromodelle, die für die Verkehrswende wenig bringen. (Foto: Matthias Speicher/​Unsplash)

Es gibt nicht nur zu viele Autos. Ein Großteil davon ist auch noch viel zu groß, zu schwer, zu laut und zu ineffizient. Das gilt traditionell für die USA, das Land der Straßenkreuzer und Pickups, also der Pritschenwagen, auf deren Ladefläche ein Doppelkühlschrank oder gleich mehrere Surfbretter passen.

Aber auch in Deutschland werden Jahr für Jahr mehr SUV verkauft (und Derivate des SUV in kleineren Fahrzeugklassen, deren Design sich am Leitmotiv "größer, höher, schwerer" orientiert).

Das ist übrigens nicht zuletzt eine Folge des Dieselbooms seit den 2000er Jahren. Im Vergleich zum Benzinmotor verbraucht der Dieselmotor in schwergewichtigen Autos etwas weniger, das Gewissen und der Geldbeutel sind also kurzfristig beruhigt. Derzeit entfällt fast ein Drittel aller Neuzulassungen auf solche Exemplare.

Auch in der deutschen Oberklasse wird seit langem geklotzt und geprotzt. Ein 7er BMW wiegt mehr als zwei Tonnen, ein Porsche Cayenne schon gerne mal mehr als drei Tonnen. Das Gewichtsverhältnis von Vehikel und zu transportierender Person kann so 30 zu eins betragen. So weit, so schlecht für Klimaschutz und Ressourceneffizienz.

Nun sehen wir dieselbe Dinosaurisierung der Fahrzeuge auch bei den E-Autos. Die deutschen Premium-Hersteller treiben die Elektrifizierung ihrer Modelle voran, allerdings in den oberen Klassen. Sie statten die Luxusgefährte mit einem Elektromotor aus, da sind die Margen hoch.

Strategie der hohen Margen

Das ist ein bewährtes Muster: Kostentreibende Innovationen werden in der Serienfertigung traditionell zuerst im oberen Segment umgesetzt.

So vertreibt Audi seit einiger Zeit aggressiv seine E-tron-Modelle, die bei einem Gewicht von zweieinhalb Tonnen anfangen und eine Motorleistung von 270 bis 350 Kilowatt auf die Straße bringen. Übrigens sind die E-trons mit knapp zwei Metern noch einmal ein paar Zentimeter breiter als das bisherige Verbrenner-Dickschiff von Audi, der Q7.

BMW hat seit letztem Jahr den iX im Angebot, ein bulliger SUV mit ungefähr den gleichen Abmaßen wie der Konkurrent von Audi und einer Spitzenmotorisierung von knapp 400 Kilowatt. Auch der iX wiegt mindestens zweieinhalb Tonnen.

Porträtaufnahme von Weert Canzler.
Foto: David Außerhofer

Weert Canzler

ist Co-Leiter der Forschungs­gruppe Digitale Mobilität und gesellschaftliche Differenzierung des Wissenschafts­zentrums Berlin (WZB). Der Politik- und Sozial­wissenschaftler ist Autor zahlreicher Bücher zur Verkehrs­wende. Sein Beitrag erscheint ebenfalls im WZB-Blog der Forschungs­gruppe Digitale Mobilität.

Wie die Strategie der hohen Margen wirkt, ist an der Entscheidung des BMW-Managements abzulesen, den Pionier in der eigenen Elektromobilität, den i3, nicht mehr weiterzuproduzieren.

Fahrzeugtechnisch und im Design war der i3 ein wirklicher Hingucker: Er erhielt ein ganz eigenwilliges Äußeres und war sofort als E-Auto zu erkennen, in ihm wurde mit einer leichten Carbonfaser eine echte Innovation im Materialeinsatz im Automobilbau gewagt und das Chassis wurde konsequent auf den E-Antrieb und auf den Einbau der Batterien im Fahrzeugboden ausgelegt.

Der i3 wirft aber nicht genug ab und hat daher nach neun Jahren seine Schuldigkeit getan. Im Kompaktsegment von BMW, der 1er-Reihe, gibt es übrigens auch keine Elektrovariante.

Der i3 erleidet damit das gleiche Schicksal wie vor mehr als eineinhalb Jahrzehnten der A2, ein auf Effizienz getrimmter Kleinwagen von Audi, der zwar konventionell mit einem Diesel- oder Ottomotor angetrieben wurde, aber tatsächlich spürbar weniger Treibstoff verbrauchte. In der 1,2-Liter-TDI-Variante waren das sogar nur drei Liter auf 100 Kilometer.

Politische Entscheidungen versperren den Weg

Größer, schwerer, breiter, hochmotorisiert: So lässt sich die Richtung der Autoentwicklung seit vielen Jahren zusammenfassen. Jetzt geht das eben elektrisch weiter.

Fragt man die Hersteller nach dem Warum, ist die Antwort immer die gleiche: Die Kunden (gemeint sind wirklich nur Männer) wollen große, schwere und leistungsfähige Vehikel. Nun ja, das klingt auch besser als die Antwort: So erzielen wir höhere Gewinne.

Die Hersteller sagen auch nicht, dass sie mit günstigen Leasingangeboten gezielt ihre margenstarken Fahrzeuge an den Mann und manchmal auch an die Frau bringen. Der Trick ist simpel, aber wirksam: günstige Monatsraten mit einer geringen Kilometerleistung für die Leasingnehmer, am Ende der Vertragszeit sind es dann "junge Gebrauchte mit hohem Zeitwert".

 

Das Ergebnis der Modell- und Vertriebsstrategien ist fatal und in jeder Hinsicht kurzsichtig: Diese Dinosaurier-Autos brauchen viele begrenzte Materialien und viel Energie in der Herstellung, sie sind extrem ineffizient in der Nutzung und sie belegen mehr Parkraum als kleine Autos.

Ineffizienz auf vier Rädern, ob nun mit einem Diesel- oder einem Elektromotor angetrieben. Noch dazu sind sie ein Sicherheitsrisiko vor allem für den nichtmotorisierten Verkehr. Das ist alles bekannt.

Es wird so weitergehen, wenn es so weitergehen kann. Die Hersteller verfolgen ihren Weg, solange er offenbleibt. Warum sollten sie auf den i3 oder A2 setzen, wenn mit dem E-tron und dem iX das Vielfache zu verdienen ist?

Es sind politische Entscheidungen, die diesen Weg versperren. Was stattdessen nötig wäre, ist ebenfalls bekannt: Abschaffung der Dienstwagenregelung, Kfz- und/oder Zulassungssteuer gestaffelt nach Gewicht, Größe und Motorleistung.

Und warum nicht ein Fahrverbot für bewohnte Gebiete? Panzerartige Gefährte haben in der Stadt nichts verloren – egal, ob mit Diesel oder mit Strom betrieben.

 

Digitale Mobilität – das Antiblockiersystem

Wie kommen wir in Zukunft von A nach B? Fest steht: Es geht nur radikal anders als bisher. Aber wie? Die Gruppe "Digitale Mobilität – das Antiblockiersystem" entwickelt Ideen für die Mobilität von morgen. Hier schreiben Wissenschaftler:innen und Expert:innen über Wege in ein neues Verkehrssystem, das flüssig, bequem, gerecht und klimafreundlich ist – jenseits von Allgemeinplätzen und Floskeln. Das Dossier erscheint in Zusammenarbeit mit dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB). Die Beiträge erscheinen zugleich im WZB-Blog der Forschungs­gruppe Digitale Mobilität.

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