Matthias Willenbacher. (Bild: Wiwin)

Immer wieder sonntags: Die Mitglieder unseres Herausgeberrates erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Matthias Willenbacher, Geschäftsführer der Plattform für nachhaltiges Investieren Wiwin.

Klimareporter°: Herr Willenbacher, nach dem Stopp des Gebäudeenergiegesetzes durch das Bundesverfassungsgericht soll die umstrittene Vorlage jetzt nach der Sommerpause verabschiedet werden. Warum ist das sogenannte Heizungsgesetz eine fast unendliche Geschichte geworden? Was lief da falsch?

Matthias Willenbacher: Zunächst einmal muss man sich vor Augen führen, dass im Wärmesektor in den 16 Jahren unter Angela Merkel faktisch nichts passiert ist. Während sich der Anteil der erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch von 2005 bis 2021 vervierfacht hat – von zehn auf 41 Prozent –, konnte er im Wärmesektor lediglich von acht auf 16 Prozent verdoppelt werden.

Merkel und die gesamte Union wollten auch hier den Bürger:innen keine Veränderungen zumuten. Jetzt zeigt sich, dass die Veränderungen um so drastischer werden müssen, je länger man wartet.

Das Bundeswirtschaftsministerium unter Leitung von Robert Habeck hat beim Gebäudeenergiegesetz mit Sicherheit einige kommunikative und handwerkliche Fehler gemacht. Der größte war auf jeden Fall, dass das Förderprogramm viel zu spät vorgelegt wurde, sodass für die Hausbesitzer:innen sehr lange unklar war, was finanziell auf sie zukommt.

Die FDP, die Union und die Springer-Presse haben diese Fehler gnadenlos ausgenutzt und mit falschen Behauptungen das Gebäudeenergiegesetz zum Kulturkampf hochstilisiert und das Thema emotional negativ aufgeladen. Das war fatal.

 

Die Folge ist, dass viele Menschen total verunsichert sind und sich in einer Panikreaktion neue Öl- und Gasheizungen einbauen lassen. Ich bin gespannt, auf wen die Eigenheimbesitzer:innen schimpfen werden, wenn die Gaspreise aufgrund der CO2-Bepreisung durch die Decke gehen, das Wohngebiet von der Gasversorgung abgekoppelt wird oder die angekündigte Wasserstoffversorgung dann doch nicht erfolgt.

Dass es bei einer anspruchsvollen und engagierten Politik gewisse Widerstände geben würde, hatte ich erwartet. Dass aber eine Regierungspartei Oppositionspolitik betreibt, hat mich doch entsetzt.

Dabei war und ist vieles an dem Gesetz diskussionswürdig – etwa die Verbindlichkeit und Haftungsfragen der Wasserstoffversorgung für die H2-ready-Heizungen, die geringen Beimischungsquoten für Biogas, die am Anfang fehlende Verknüpfung mit der kommunalen Wärmeplanung oder die zu geringe CO2-Reduktion. Die Skandalisierung hat die wichtige fachliche Diskussion dieser Fragen fast vollständig verhindert.

Über das "Alternativkonzept" der FDP wurde leider überhaupt nicht diskutiert. Danach soll im Wärmesektor der Emissionshandel einfach wirken. Ohne Rückverteilung über ein Klimageld, das im Koalitionsvertrag verabredet wurde, aber von der FDP blockiert wird, werden vor allem Menschen mit geringem Einkommen und ohne Vermögen finanzielle Verluste hinnehmen müssen.

Dies hat das Wirtschaftsforschungsinstitut DIW in einer Studie eindrücklich dargestellt. Dabei sind die Studienautoren von einem CO2-Preis in der Spitze von 150 Euro pro Tonne ausgegangen.

Andere Schätzungen sehen einen Preis von 200 bis 300 Euro, wenn der Emissionshandel wirklich scharf gestellt wird. Das heißt, wenn die CO2-Zertifikate jedes Jahr so stark reduziert werden, dass das Reduktionsziel für 2030 und die folgenden Jahre erreicht wird.

Eine politische Debatte über dieses Thema wäre wirklich zukunftsorientiert und sinnvoll gewesen. Und sie ist es immer noch.

Der Einbau klimafreundlicher Heizungen im Eigenheim soll nach aktuellem Stand mit bis zu 70 Prozent gefördert werden. Eine Grundförderung von 30 Prozent kann über eine Sozialkomponente verdoppelt werden – für Haushalte mit bis zu 40.000 Euro Jahreseinkommen. Obendrauf kann noch ein Klima-"Speedbonus" von bis zu 20 Prozent kommen. Ist das Förderkonzept ausreichend und sozial ausgewogen?

Grundsätzlich geht der gestaffelte Ansatz mit einer Orientierung am Einkommen und einem Bonus für eine schnelle Umsetzung in die richtige Richtung.

Wenn ein Haushalt die Maximalförderung von 70 Prozent erhält, ist das in vielen Fällen wahrscheinlich ausreichend. Bei Kosten von 30.000 Euro für eine Wärmepumpe, alles inklusive, verbliebe ein Eigenanteil von 9.000 Euro. Das ist für viele immer noch ein hoher Betrag, aber tragbar, wenn die Investition geplant werden kann und nicht überraschend kommt.

Steht einem Haushalt nicht der maximale Fördersatz zu, dann erreicht der Eigenanteil allerdings schnell eine Höhe, die für viele eine Herausforderung oder auch Überforderung darstellt.

Im genannten Beispiel müsste der Haushalt dann ohne den Geschwindigkeitsbonus 15.000 Euro bezahlen – oder sogar 21.000 Euro ohne Speedbonus und Sozialkomponente. Solche Beträge haben die meisten Haushalte nicht auf der hohen Kante. Als Folge müsste der Eigenanteil mithilfe von Krediten gestemmt werden.

Es wird auch Haushalte geben, die selbst mit einem sehr kleinen Eigenanteil überfordert sind. Meist sind das Menschen mit einem niedrigen Einkommen und ohne Vermögen, deren Häuser einen schlechten Dämmstandard haben. Oft sind es alte Menschen.

Einen Kredit erhält man mit diesen Voraussetzungen in der Regel nicht. Hier sind zusätzliche Unterstützungsprogramme notwendig, die eine fehlende Kreditwürdigkeit ausgleichen, zum Beispiel über staatliche Bürgschaften oder Ähnliches.

Und diese Programme braucht es auch dann, wenn die Preise für Wärmepumpen aufgrund der Skaleneffekte sinken werden. Denn die Wärmepumpe wird trotz aller Unkenrufe künftig der Standard für individuelle Heizungslösungen vor allem im Ein- und Zweifamilienhaus sein.

Eine neue Studie schlägt jetzt eine sogenannte Energy-Sharing-Prämie von 2,8 Cent pro Kilowattstunde für Windkraftanlagen und 4,9 Cent für Solaranlagen vor. Das soll helfen, Mitglieder von Bürgerenergiegesellschaften mit günstigem Strom aus gemeinschaftlich betriebenen Anlagen zu versorgen. Wind und Sonne sind doch bereits die günstigsten Energiequellen – warum muss da Energy Sharing noch subventioniert werden?

Wind- und Solarstrom sind bezogen auf die Gestehungskosten am günstigsten, außerdem richten sie keinen Schaden an Klima, Gesundheit und Leben an, was bares Geld wert ist. Und auch die Ökostrom-Tarife können preislich mit dem "konventionellen" Angebot mithalten, obwohl sie im Mittel etwas teurer sind – weshalb die Frage in dieser Hinsicht etwas schief ist.

Aber der eigentliche Punkt ist: Die Energy-Sharing-Prämie gleicht zum allergrößten Teil die energiewirtschaftlichen Tätigkeiten aus, die in Zukunft ohnehin alle Versorger ausführen müssen, die sie aber bisher vernachlässigen.

So werden Mitglieder der Gemeinschaft, die im Energy Sharing Strom beziehen, nicht auf Grundlage von starren und veralteten Standardlastprofilen abgerechnet. Ihre Versorgung wird vielmehr auf Grundlage von Smart-Meter-Daten exakt geplant. Außerdem muss weniger Rest-Strom am Markt zugekauft werden. Das ist zwar im Sinne der Energiewende eigentlich sinnvoll, wegen der geringeren Stromnachfrage aber im Ganzen teurer.

Zudem wird vor allem fluktuierender Solar- und Windstrom aus eigener Erzeugung "in den Bilanzkreis integriert", und nicht wie bei vielen Ökostrom-Tarifen konstant produzierende Wasserkraft. Auch das treibt den Preis, unter anderem weil Wettervorhersagen nie zu hundert Prozent korrekt sind. Deshalb ist hier ein Ausgleich für den erhöhten Aufwand angebracht, zumal die Energy-Sharing-Gemeinschaften Pionierarbeit leisten.

Und ganz wichtig: Am Ende kommt es zu einer stärkeren Beteiligungswirkung vor Ort, was die Energiewende für alle Menschen – und nicht nur die im Energy Sharing – günstiger und schneller macht. Wirklich gut investiertes Geld also.

An mehreren Tagen in der letzten Woche deckten erneuerbare Energien, vor allem Sonne und Wind, über die Mittagsstunden den gesamten Strombedarf in Deutschland. Eine Folge: Der Strompreis an der Börse sank unter null. Gefährden solche Strompreise über längere Zeit nicht die Wirtschaftlichkeit und den weiteren Ausbau der Erneuerbaren?

Zunächst einmal ist es eine erfreuliche Entwicklung, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien vorankommt und der Anteil an der Stromerzeugung kontinuierlich steigt.

Zukünftig wird es sogar regelmäßig Phasen mit einem Überangebot an regenerativem Strom geben, wenn die EEG-Ausbauziele für Wind- und Solarenergie im Jahr 2030 und danach erreicht werden. Die aktuelle Entwicklung an der Strombörse zeigt, dass es dringend Anpassungen des Strommarktdesigns geben muss.

Betreiber von Freiflächen-Solaranlagen reagieren inzwischen so darauf, dass neue Solarparks gleich mit Batteriespeichern geplant werden. Fraglich ist immer nur, ob die Speicher sofort gebaut werden oder erst in den nächsten drei, vier Jahren.

Grundsätzlich brauchen wir aus meiner Sicht Regelungen, die es erlauben, möglichst viel Strom einfach vor Ort zu verbrauchen. Das entlastet die übergeordneten Netze und verringert die Überschüsse. Bisher fallen hier zu viele Abgaben und Umlagen an, die eine Nutzung oft unwirtschaftlich machen.

Und wir brauchen Verbraucher wie Industrieunternehmen, Batterie- und Wärmespeicher und so weiter, die ihren Verbrauch flexibel steuern können.

Die Plattform Klimaneutrales Stromsystem diskutiert diese Fragen in verschiedenen Arbeitsgruppen. Ich hoffe, mit zukunftsorientierten Vorschlägen.

 

Und was war Ihre Überraschung der Woche?

Ich hatte die kühne Hoffnung, dass die FDP nach der Einigung über das Gebäudeenergiegesetz etwas zur Ruhe kommen würde. Dem ist leider nicht so.

Anfang der Woche hat das FDP-Präsidium in einem Beschluss die "CDU‑geführte EU-Kommission" aufgefordert, die neue Gebäuderichtlinie und die überarbeitete Ökodesign-Richtlinie zurückzuziehen, weil sie die "technologieoffenen und praxistauglichen Lösungen" im Gebäudeenergiegesetz torpedieren würde.

Sich als Regierungspartei so jenseits aller Absprachen und Gepflogenheiten zu verhalten, hat mich zwar nicht wirklich überrascht, aber doch wieder erschreckt. Das Verhalten der FDP kann man nur noch als widersinnig und irrlichternd bezeichnen.

Fragen: Jörg Staude