Thermografie-Aufnahme eines zweistöckigen Hauses, die Rotfärbung der Wände zeigt, dass dort beheizte Räume ohne Wärmedämmung sind.
Viele Häuser im Gebäudebestand heizen immer noch die Umgebung mit. (Foto: Ivan Smuk/​Shutterstock)

Die EU will das Ende für fossile Heizsysteme einläuten. Ab 2035 sollen keine neuen Gaskessel mehr in Gebäude verbaut werden. Darauf hat sich der Industrieausschuss des EU-Parlaments in der vergangenen Woche geeinigt.

Doch Umweltorganisationen warnen vor Schlupflöchern in dem Beschluss: Gaskessel, die für den Betrieb mit Biogas oder Wasserstoff zertifiziert sind, sollen als "nicht fossil" eingestuft werden und sind damit auch nach 2035 weiter erlaubt.

"Die Abstimmung hat die Fesseln des fossilen Heizens für die europäischen Bürger enger geschnürt", kritisiert Davide Sabbadin vom Europäischen Umweltbüro EEB, dem EU-weiten Dachverband der Umweltorganisationen. "Der fossilen Gaslobby ist es gelungen, Gaskessel wieder ins Spiel zu bringen, getarnt als Klimalösung, die mit zukünftigem – unrealistischem und noch teurerem – Wasserstoff oder anderen 'grünen' Gasen betrieben werden soll."

Grüner Wasserstoff wird mit Ökoenergien hergestellt. Weil das teuer und wenig effizient ist, warnen Fachleute vor der Verwendung von Wasserstoff zum Heizen von Gebäuden: Statt des raren grünen Wasserstoffs könnte fossiler Wasserstoff aus Erdgas zum Einsatz kommen. Die Klimaziele für den Gebäudesektor wären so nicht erreichbar.

2050 soll der Gebäudebestand in der Europäischen Union klimaneutral sein. Damit der Treibhausgasausstoß durch das Heizen und Kühlen auf null sinkt, will die EU ihre Gebäudeenergieeffizienzrichtlinie reformieren. Einen Vorschlag hat die EU-Kommission im Dezember 2021 vorgelegt.

Nach monatelangen Diskussionen zwischen den Fraktionen hat nun der Industrieausschuss des EU-Parlaments seinen Standpunkt zu der Richtlinie festgelegt. Die Abgeordneten möchten etwas ehrgeizigere Mindeststandards vorschreiben als die EU-Kommission.

Effizienzklassen auch für Bestandsbauten

Diese Mindeststandards werden für den Gebäudebestand neu eingeführt. Dazu sollen die rund 130 Millionen Gebäude in der EU in Effizienzklassen von A bis G einsortiert werden. Daraus leiten sich jeweils bestimmte Sanierungsanforderungen ab.

Die schlechtesten Gebäude mit den höchsten Energieverbräuchen müssten bis 2030 auf die bessere Effizienzklasse E gebracht werden, bis 2033 auf Effizienzklasse D. Öffentliche Gebäude sowie Nichtwohngebäude sollen die gleichen Klassen drei Jahre früher erreichen. Wie die Hauseigentümer die Vorgaben erfüllen sollen – etwa durch Dämmung oder durch neue Anlagentechnik –, schreibt die Richtlinie nicht vor.

Elisabeth Staudt von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) findet die Pläne gut. "Zum ersten Mal bekommen wir mit den Mindeststandards für Energieeffizienz ein Instrument, das zielgerichtet die Gebäude adressiert, die die höchsten Energieverbräuche aufweisen."

Die meisten Gebäude in Deutschland wurden vor 1977 errichtet, also bevor die Wärmeschutzverordnung erstmals den Energieverbrauch durch Vorgaben begrenzte. Damals wurde oft billig gebaut, Energiesparen spielte keine Rolle. Und so haben Gebäude, die zwischen den 1950er und 1970er Jahren errichtet wurden, den höchsten Energieverbrauch. "Das fällt uns beim Klimaschutz auf die Füße, weil der hohe Energieverbrauch mit fossilen Brennstoffen wie Öl und Gas gedeckt wird", sagt Staudt. Deshalb seien die neuen Vorgaben so wichtig.

Auf das Votum des Industrieausschusses soll die Abstimmung im Plenum des EU-Parlaments Mitte März folgen. Danach verhandelt das Parlament mit den Mitgliedsstaaten über die endgültige Fassung der Richtlinie. Mit der Reform nimmt sich die EU den größten Posten ihres Energieverbrauchs vor: Rund 40 Prozent des Verbrauchs und 36 Prozent der Treibhausgasemissionen entfallen derzeit auf Gebäude.

Ausgerechnet Gebäude in öffentlicher Hand befreien?

Die Voraussetzungen sind in den Ländern Europas sehr verschieden. Während Dänemark und Schweden als Vorreiter bei der Wärmewende gelten, haben andere erheblichen Aufholbedarf. Um dem Rechnung zu tragen, sollen in jedem Land die 15 Prozent der Bestandsgebäude mit den schlechtesten Effizienzwerten der Klasse G zugeordnet werden.

Außerdem sollen die Mitgliedsstaaten bestimmte Gebäude, zum Beispiel mit architektonischem oder historischem Wert, von den Auflagen befreien können. Auch Sozialwohnungen in öffentlichem oder staatlichem Besitz können von der Sanierungspflicht ausgenommen werden.

"Das ist ein Problem, denn die öffentliche Hand hat eine Vorbildfunktion und muss Menschen, die in energetisch schlechten Gebäuden gefangen sind und mit explodierenden Nebenkosten rechnen müssen, vor dieser Preisspirale schützen", warnt Elisabeth Staudt vor zu vielen Ausnahmen. "In den aktuellen Verhandlungen im EU-Parlament wie auch bei den Ergebnissen im Ministerrat sehen wir, dass durch zahlreiche Ausnahmeregelungen und ein Absenken des Ambitionsniveaus die Wirksamkeit des Instruments abgeschwächt wird", sagt die DUH-Expertin.

Die EU-Mitgliedsstaaten hatten schon im vergangenen Oktober im Ministerrat ihre Position für die neue Richtlinie festgelegt. Die Energieminister:innen fielen dabei hinter den Vorschlag der EU-Kommission zurück – sie wollen Gebäude der unteren Effizienzklassen erst drei bis vier Jahre später auf ein höheres Niveau bringen.

Neben den Vorgaben für Bestandsgebäude führt die Richtlinie auch einen schärferen Neubau-Standard ein. Laut dem Votum des Industrieausschusses sollen alle Neubauten in der EU ab 2028 emissionsfrei sein, für Immobilien der öffentlichen Hand soll das ab 2026 gelten. Die Kommission hatte 2030 beziehungsweise 2027 vorgeschlagen.

Außerdem wollen die Abgeordneten im Ausschuss für alle Neubauten ab 2028 das Anbringen von Solaranlagen vorschreiben.

Neue Heizungen sind in Deutschland immer noch überwiegend Gasheizungen 

Fast eine Million neue Heizsysteme wurden im vergangenen Jahr in Deutschland verbaut. Auch wenn sich die Zahl der neu installierten Wärmepumpen um 53 Prozent auf 236.000 erhöhte, wurden 2022 noch fast 600.000 gasbasierte Heizungssysteme verkauft. Um die Treibhausgasemissionen dieser fossil beheizten Gebäude bis 2050 auf null zu senken, müssten sie vorher saniert werden.

Sogar die Nachfrage nach klimaschädlichen Ölheizungen ist 2022 gewachsen. Der Absatz nahm um ein Viertel auf 56.000 zu. Auch das Heizen mit Holz boomt. Der Verkauf von Biomasse-Heizungen, vor allem Pelletheizungen, stieg um 17 Prozent auf 89.000. Klimaneutral ist das Heizen mit Holz nicht, weil das CO2, das Bäume über eine lange Wachstumsdauer gespeichert haben, in kürzester Zeit freigesetzt wird, ohne dass das Holz vorher anderweitig genutzt wurde.

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