Klimageld: Alles unklar. (Bild: Max Maradon/​Shutterstock)

Der – angebliche – "Heizhammer" ist weg. Viele verunsicherte Hausbesitzer dürften letzte Woche aufgeatmet haben, nachdem die Ampel-Koalition auf Druck der FDP das Heizungsgesetz von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) weitgehend entkernt hatte. Der Kompromiss erlaubt es, in den nächsten Jahren weiterhin Öl- und Gasheizungen einzubauen.

Doch die Freude könnte in Ärger umschlagen. Heizen mit Erdöl und Erdgas wird wegen des steigenden Klima-Aufschlags auf fossile Brennstoffe immer teurer werden. In den Ampel-Leitlinien für das veränderte Gesetz steht denn auch: Es solle "Aufklärungskampagnen über CO2-Bepreisung" geben.

Und die FDP-Bundestagsfraktion schickte nach der Einigung der Regierungsparteien gleich noch ein Papier hinterher, in dem klargestellt wurde, dass die Kosten für den Betrieb klimaschädlicher Heizungen künftig steigen werden. Das sei ein "marktwirtschaftliches Signal" zum Heizungstausch.

So weit, so nachvollziehbar. Bereits jetzt gilt für Heizöl, Erdgas und Kraftstoffe ein CO2-Preis von 30 Euro pro Tonne, der die fossilen Energien verteuert, eingeführt bereits von der letzten Merkel-Groko. Der Liter Öl kostet dadurch 9,5 Cent mehr, die Kilowattstunde Erdgas 0,65 Cent, der Liter Sprit acht bis neun Cent.

Bis 2026 werden die Aufschläge sich verdoppeln, geplant ist ein Korridor von 55 bis 65 Euro, und danach könnte es noch deutlich teurer werden. Denn dann soll das deutsche System für die CO2-Bepreisung bei Wärme und Verkehr in den EU-Emissionshandel überführt werden, bei dem sich der Preis am Markt bildet.

 

Fürs Klimageld sind eigentlich keine Mittel da

Das Problem: Ein nachhaltig steigender CO2-Preis in den Sektoren Wärme und Verkehr wird Haushalte mit niedrigeren Einkommen stärker belasten als einkommensstarke Haushalte.

Ein Großteil der Belastungen könnte durch ein einheitliches, jährlich vom Staat auszahlbares "Klimageld" aufgefangen werden, wie es die Ampel in ihrem Koalitionsvertrag als Kompensation eigentlich auch versprochen hat.

Doch bisher ist nicht klar, wann es eingeführt wird. Es ist sogar offen, ob es in dieser Legislaturperiode überhaupt noch kommt.

Das Geld, das der Staat bisher durch die CO2-Bepreisung einnimmt, fließt nämlich bisher über den "Klima- und Transformationsfonds" (KTF) in andere Kanäle – etwa in die Gegenfinanzierung der abgeschafften Stromsteuer sowie in die Zuschüsse für die energetische Gebäudesanierung und den Heizungstausch.

Hier bahnt sich ein neuer Konflikt an, da der Klimaschutz eine soziale Schieflage zu bekommen droht. Denn ärmere Haushalte zahlen, relativ zu ihrem Einkommen, viel CO2-Aufschlag, profitieren aber nur wenig von Zuschüssen – weil sie etwa gar kein Haus oder keine Wohnung besitzen, die saniert werden könnte.

Eine neue Untersuchung zeigt nun, dass das Klimageld tatsächlich sogar eine positive soziale Wirkung hätte – wenn es denn gezahlt würde. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin hat das durchkalkuliert, und zwar für den Fall der Verdoppelung des CO2-Preises bis 2026 von derzeit 30 auf 60 Euro pro Tonne.

Der Staat würde dann jährlich etwa 14 Milliarden Euro einnehmen. Bei einer kompletten Rückzahlung pro Kopf würde jede Bürgerin und jeder Bürger im Jahr rund 170 Euro erhalten. Bei einem weiteren Anstieg des CO2-Preises auf zum Beispiel 150 Euro im Jahr 2035 ergäben sich 35 Milliarden Euro Einnahmen und damit ein jährliches Klimageld von 422 Euro pro Person.

Gutsituierte stecken Klima-Aufschlag leicht weg

Die Einkommenseffekte durch die CO2-Bepreisung sind je nach Bevölkerungsgruppe unterschiedlich. Ärmere Haushalte müssen laut DIW im Schnitt 3,5 Prozent ihres Nettoeinkommens für den Klima-Aufschlag ausgeben, teilweise sogar bis zu sechs Prozent. Bei gut situierten Haushalten ist es nur ein Prozent.

Der Grund: Die Ärmeren geben einen größeren Anteil ihres Geldes für Heizen und, wenn sie ein Auto besitzen, für Tanken aus als die Reicheren. Das pro Kopf in gleicher Höhe ausgezahlte Klimageld entlastet sie dann aber auch stärker, da es einen größeren Anteil am Einkommen ausmacht als bei den anderen Haushalten.

Auszahlungsweg ungeklärt

Ein weiterer entscheidender Punkt beim Klimageld ist bislang ungeklärt: die technische Umsetzung. Das Problem: Bisher ist kein einheitlicher Zahlungsweg etabliert, der alle Bürgerinnen und Bürger erreicht. Das Klimageld könnte über bestehende Systeme ausgezahlt werden, etwa die Lohnsteuer-Erstattung, die Grundsicherung, die Rente oder das Kindergeld. Das würde Verwaltungskosten sparen.

Die Bundesregierung hat das allerdings noch nicht geklärt. Eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe wurde eingesetzt.

Über alle Einkommensgruppen hinweg ergibt sich aus der Kombination von CO2-Kosten und Klimageld eine relativ geringe Netto-Belastung von 0,8 Prozent des Einkommens.

Obwohl ärmere Haushalte grundsätzlich profitieren, variiert die Nettobelastung laut DIW zwischen unterschiedlichen Haushaltstypen. So begünstige die Pro-Kopf-Regelung etwa Familien mit vielen Kindern, während es in anderen Haushalten Härtefälle geben könne.

DIW-Ökonom Stefan Bach, der die Untersuchung geleitet hat, fordert deswegen: "Gerade wenn ein Haushalt mit niedrigem Einkommen von einer überdurchschnittlichen Belastung betroffen ist, werden weitere zielgenaue Hilfen notwendig."

Zudem sei es möglich, die soziale Komponente beim Klimageld noch zu verstärken, meint Bach. Denkbar sei etwa, die wohlhabenderen Haushalte, die diese Hilfe nicht unbedingt brauchen, weniger zu entlasten.

Fehlender Ausgleich könnte "das Land zerlegen"

Das DIW-Team lässt keine Zweifel daran, dass ein stetig ansteigender CO2-Preis ein gutes Klimaschutzinstrument ist. Er setze "wichtige Signale für langfristige Investitionsentscheidungen" von Hausbesitzern und Autofahrern, sagte Co-Autor Peter Haan.

Die Emissionen der Haushalte könnten bei einem CO2-Preis von 150 Euro pro Tonne um rund ein Drittel zurückgehen – je nachdem, wie stark sie auf die steigenden Energiekosten reagieren und zum Beispiel alte Erdgas-Kessel durch Wärmepumpen ersetzen.

Das Problem der sozialen Schieflage bei der CO2-Bepreisung ist damit allerdings noch nicht gelöst. Es gibt warnende Stimmen an die Ampel, dies nicht zu unterschätzen. So glaubt der Energieexperte der Verbraucherzentralen, Thomas Engelke, die Zustimmung der Bürgerinnen und Bürger zur CO2-Bepreisung könne bald Geschichte sein, wenn das Klimageld nicht bald eingeführt wird.

Erinnerungen an die "Benzinwut" werden wach, als die rot-grüne Bundesregierung vor über 20 Jahren ihre ökologische Steuerreform startete und den Sprit verteuerte. Engelke meint deshalb, CO2-Preis und Klimageld gehörten "untrennbar zusammen".

Aber woher soll das Geld dafür kommen, wenn die bisherigen Einnahmen aus der Steuer schon anderweitig verplant sind? Es gäbe mehr finanziellen Spielraum, wenn der CO2-Preis stärker anstiege als bisher geplant.

Doch selbst Robert Habeck, eigentlich ein Fan der CO2-Bepreisung, warnt davor. Durch hohe CO2-Preise drohe der "gesellschaftliche Frieden arg strapaziert" zu werden, sagte er jüngst in der Debatte um das Heizungsgesetz. Den Preis jetzt weiter hochzusetzen, obwohl der Ausgleichsmechanismus nicht vorhanden sei, "würde das Land zerlegen".