Eine größere Menschengruppe mit Bürgerenergie-Plakaten vor Solar- und Windanlagen
Die großen Zeiten der Bürgerenergie seien vorbei, wollte die letzte Bundesregierung glauben machen. (Foto: Jörg Farys)

Der Ausstieg aus den fossilen Energien, allen voran aus der Kohle, ist nur durch den raschen Umstieg auf erneuerbare Energien zu schaffen. Neben der Windkraft muss dafür die Photovoltaik in Städten ebenso wie in ländlichen Räumen massiv vorangetrieben werden – sonst sind in Deutschland eine erfolgreiche Energiewende und ein ausreichender Beitrag zum Erreichen des 1,5-Grad-Ziels von Paris nicht möglich.

Die guten Nachrichten dabei: Die Photovoltaik zählt inzwischen zu den günstigsten Formen der Energieerzeugung. Und eine klare Mehrheit der Bundesbürger:innen – rund 60 Prozent – ist davon überzeugt, dass Solarstrom eine große bis sehr große Bedeutung besitzt, um die Klimaziele zu erreichen. Betreiber:innen von Photovoltaik-Anlagen sind sogar zu rund 90 Prozent dieser Ansicht.

Das ist eine wichtige Botschaft: Denn der dringend erforderliche Photovoltaikausbau kann ohne eine breite gesellschaftliche Zustimmung nicht gelingen – und die Bürger:innen sind der Solarenergie gegenüber mehrheitlich positiv eingestellt.

Dieses Potenzial gilt es nun zu nutzen. Wir brauchen also nicht nur einen Photovoltaik-Boom. Wir brauchen eine echte Bürgerenergiewende!

Porträtaufnahme von Sönke Tangermann.
Foto: Christine Lutz

Sönke Tangermann

ist Vorstand der Öko­energie­genossen­schaft Green Planet Energy, die bis vor Kurzem Green­peace Energy hieß. Der studierte Energie­techniker und Jurist hat mehrere Bürger­energie­gesellschaften mit­gegründet und geleitet.

Dem dramatischen Rückgang der Akteursvielfalt gilt es entgegensteuern. Bürger:innen müssen sich künftig ebenso unkompliziert wie konkret am Solarausbau beteiligen können – sei es individuell oder in Energiegemeinschaften.

Eine direkte Beteiligung an der Energiewende fördert auch die Akzeptanz für eine dezentrale, nachhaltige Energieversorgung und erhöht die regionale Wertschöpfung.

Auch die Möglichkeit, grünen Strom aus einem Solarpark in der Nähe zu beziehen, würde für 55 Prozent der Befragten die Beliebtheit dieser Energieform steigern – und damit die Skepsis gegenüber Projekten vor der eigenen Haustür dämpfen.

Die Energiewende wurde von engagierten Bürger:innen in Gang gesetzt. Sie waren lange die Treiber dieser Entwicklung und hatten großen Anteil am Erneuerbaren-Ausbau. Doch die Beteiligung der Menschen vor Ort wurde immer weiter verkompliziert und eingeschränkt.

Der Wunsch der Bürger:innen, eine aktive Rolle beim Klimaschutz zu spielen, ist aber nicht erloschen, wie Umfragen zeigen (siehe Kasten).

Ergebnisse einer Umfrage zum Solarausbau und zu den Erwartungen an die Politik

  • 60 Prozent der Deutschen sehen die Photovoltaik als Lösung für den Klimaschutz.
  • Aber: 90 Prozent der Deutschen fehlt ein Zugang zum Photovoltaikmarkt.
  • 61 Prozent wünschen mehr Beteiligungs-Optionen beim Ausbau nahe gelegener Solaranlagen.
  • 61 Prozent würden gern Balkon-Solarmodule nutzen.
  • 65 Prozent wollen Solarstrom vom Dach des Mehrfamilienhauses nutzen, in dem sie wohnen – sogenannten Mieterstrom.
  • Für 71 Prozent der Photovoltaik-Betreiber:innen ist ihre Anlage möglicher Anlass zur Nutzung von E-Mobilität und Wärmepumpen. Zugleich sind 53 Prozent der Nutzer:innen von E-Autos und Wärmepumpen daran interessiert, eine Solarstromanlage zu installieren.
  • Aber: 91 Prozent der PV-Betreiber:innen beklagen einen hohen bürokratischen Aufwand.

Quelle: Repräsentative Umfrage des Meinungs­forschungs­instituts Civey unter Bundesbürger:innen sowie unter mehreren tausend Solar-Interessierten über die Plattform photovoltaikforum.com im Auftrag von Green Planet Energy

Wollen wir die Photovoltaik in Deutschland bis 2030 von derzeit rund 55.000 Megawatt auf 150.000 bis 200.000 Megawatt ausbauen, gelingt dies nur, indem wir den jährlichen Zubau von derzeit rund 5.000 Megawatt auf das Drei- bis Vierfache steigern.

Dazu müssen Energiebürger:innen konkrete Teilhabe-Optionen erhalten, dezentrale Bürgerenergieprojekte durch konsequente Reformen gefördert und bürokratische Hürden rasch abgebaut werden.

Erneuerbare – neu denken!

Mit erneuerbaren Energien können Häuser, Quartiere, Städte und ländliche Regionen zu Selbstversorgern werden, wenn Erzeugung und Verbrauch, Speicher und Netze optimal zusammenwirken. Dieser Vor-Ort-Welt der Energie stehen althergebrachte Strukturen und Regeln entgegen. Deshalb widmet sich Klimareporter° in einer Serie der Frage, wie Erneuerbare neu gedacht werden müssen.

Eine neue Regierung muss wirkungsvolle Anreize schaffen, Einfamilienhausdächer und -fassaden möglichst weitgehend mit Solarmodulen zu belegen, unter anderem durch einen Solarstandard für alle Neubauten.

Erforderlich ist ebenfalls eine Reform der Einspeisevergütung für kleinere Photovoltaikanlagen. Mieter:innen muss die Nutzung von Balkon-Solarmodulen ohne bürokratischen Aufwand möglich sein.

Dringlich sind zudem bessere Regeln für die Weitergabe von Solarstrom, etwa an Hausbewohner:innen – zum Beispiel im Rahmen von Mieterstrom-Projekten – sowie eine einfachere finanzielle Beteiligung von Bürger:innen an Solarprojekten in ihrer Nähe.

 

 

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