Weißer Stromstecker vor himmelblauem Hintergrund.
Wer ist der Stromverkäufer Ihres Vertrauens? (Foto: Bruno Glätsch/​Pixabay)

Nicht alles ändert sich, nur weil die meisten Leute derzeit wegen Coronaviren in den eigenen vier Wänden bleiben müssen. Das habe die Vertragseingänge "bislang weder positiv noch negativ beeinflusst", schätzt Oliver Hummel, Vorstand der Naturstrom AG, gegenüber Klimareporter° ein. "Unser Ökostrom ist nach wie vor sehr gefragt, die Neukundenzahlen sind in diesem Jahr so hoch wie seit vielen Jahren nicht mehr", so Hummel.

Bei den Elektrizitätswerken Schönau ist im Vergleich zum März 2019 jetzt schon eine gewisse "Delle" zu spüren, berichtet EWS-Vorstand Sebastian Sladek. Zwar wachse die Zahl der Kunden weiter stetig, aber eben etwas geringer als zuvor. "Die Leute haben im Moment offenbar andere Sorgen, als sich um ihren Stromanbieter zu kümmern", meint Sladek, dessen Unternehmen ebenfalls zu den Ökostrom-Pionieren zählt.

Trotz möglicher "Dellen" haben sich zuletzt aber offenbar mehr Leute für einen Grünstromtarif entschieden, wenn sie denn den Stromanbieter wechselten. Auf dem Vergleichsportal Verivox stieg jedenfalls der Anteil der Verbraucher, die bei einem Wechsel einen Ökostromtarif wählten, im Vergleich zum Vorjahr um zehn Prozentpunkte auf 65 Prozent, wie das Portal jetzt mitteilte.

Ökostromtarife mit besonders strengen Siegeln seien aber nach wie vor ein "Nischenprodukt", schränkt Verivox ein. Solche Siegel stellten sicher, dass ein Teil der Einnahmen in den Bau neuer Anlagen zur regenerativen Erzeugung zurückflössen.

Der Hauptgrund für das Nischen-Dasein sei, dass die Tarife mit strengen Gütesiegeln "deutlich teurer sind als andere Ökostromtarife", erklärt Verivox-Sprecher Lundquist Neubauer gegenüber Klimareporter°.

Das wirke sich auf die Nachfrage aus: Nur etwas mehr als ein Prozent aller Wechsler entscheide sich bei Verivox für einen Tarif mit den besonders strengen Siegeln "OK‑Power" oder "Grüner Strom Label". Grundsätzlich gilt laut Verivox: "Je strenger das Siegel und je höher der zusätzliche Beitrag zur Energiewende, desto geringer ist auch die Wechselersparnis."

Bei strengen Kriterien bleiben nur wenige Anbieter übrig

Die anerkannt strengsten Kriterien an grünen Strom legt der Ökostromreport der Umweltorganisation Robin Wood an. Um dort in die Empfehlungs-Liste aufgenommen zu werden, darf der Anbieter ausschließlich Strom aus erneuerbaren Quellen verkaufen.

Zudem darf er nicht "direkt eigentumsrechtlich" mit einem Konzern verbunden sein, der Atom- oder Kohlekraftwerke betreibt oder der mit Strom aus diesen Quellen handelt.

Schließlich muss der Grünstromer, so die weitere Bedingung, die Energiewende mit einem festen Förderbetrag im Tarif von mindestens 0,5 Cent je Kilowattstunde unterstützen.

Der Ökostromreport 2020 listet am Ende nur zehn Anbieter auf, die alle Kriterien erfüllten: Neben Naturstrom und EWS Schönau sind das die Bürgerwerke, Green City Power, Greenpeace Energy, Grün Power, Mann Strom, Ökostrom Plus, Polarstern und Strom von Föhr.

Von den zehn sind auf Verivox die Tarife zweier Anbieter – Green City Power und Ökostrom Plus – gar nicht gelistet, wie das Portal auf Nachfrage angibt. Bei Stromanbietern, die keine Grundversorger sind und die keinen Veröffentlichungspflichten unterliegen, sei das Portal auf die "Mitarbeit" des jeweiligen Unternehmens angewiesen, um die Tarife in den Vergleich aufzunehmen, erklärt Neubauer die Nicht-Präsenz.

Green City Power bestätigt gegenüber Klimareporter°, mehrfach angefragt worden zu sein, sich bei Verivox listen zu lassen. "Wir haben jedoch bewusst darauf verzichtet, da wir dieses Businessmodell aus Prinzip nicht unterstützen", erklärt Michael Renninger vom Geschäftsbereich Power.

"Das Portal arbeitet provisionsgetrieben und wir haben uns dafür entschieden, statt in Provisionen lieber direkt in die Energiewende zu investieren", begründet Renniger. Zahlreiche der in den "Ökostrom"-Bereichen sogenannter Vergleichsportale gelisteten Unternehmen sind aus seiner Sicht reine Stromhändler mit "grünen" Webseiten. Wechselten Kunden dorthin, bewirke das nichts für die Energiewende.

"Echter Ökostrom ist ein Qualitätsprodukt"

Von der "Mitarbeit" bei Verivox scheinen strenge Ökostromer generell nicht so begeistert zu sein. "Nur wenige Kunden kommen über Preisportale zu uns", sagt EWS-Vorstand Sladek. "Die meisten gewinnen wir über eigene Aktionen oder durch Empfehlungen von Kunden und Umweltverbänden. Auch unser Auftreten als Bürgerenergieversorger spricht Kunden an."

Für Naturstrom-Vorstand Hummel passen strenger Ökostrom und Portale, die mit dem billigsten Preis werben, ebenfalls nicht gut zusammen. "Vergleichsportale bedienen das Discountsegment und richten sich an sehr preissensitive Kunden", erklärt Hummel. "Ökostrom mit strengen Kriterien, wie wir und wenige andere ihn anbieten, ist ein Qualitätsprodukt." Für dieses entschieden sich Stromkunden aus Überzeugung, weil sie sich umfassend informierten oder weil es ihnen von Freunden empfohlen wurde.

Immerhin löst Verivox offenbar eine Zusage ein, die das Portal im Juli letzten Jahres gegenüber Klimareporter° gemacht hatte: die Einrichtung eines speziellen Auswahlfilters für strengen Ökostrom. Das Portal habe dazu im Stromtarifvergleich die Bezeichnung "Ökoplus" eingeführt, erklärt Neubauer.

Voraussetzung für die Bezeichnung ist dem Verivox-Sprecher zufolge, dass der Ökostromtarif zu 100 Prozent auf erneuerbare Energien zurückgreift und der Versorger nicht wesentlich an Atom- oder Kohlekraftwerken beteiligt ist und aktiv den Ökostrom-Ausbau fördert. Man arbeite gerade "sehr konkret daran", diese Angebote auch filterbar zu machen, so Neubauer.

Künftig wird man vermutlich so all die Anbieter wegklicken können, die ihren Kohle- oder Atomstrom einfach per Herkunftsnachweis in "grünen" umwandeln.

Streng genommen können aber auch alle, die die Energiewende unterstützen wollen, schon heute ganz direkt – und ohne ein Preisportal zu bemühen – auf den Ökostromer ihres Gefallens zugehen.

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