Agrarsubventionen werden hauptsächlich nach Größe der landwirtschaftlichen Flächen verteilt. So vermutlich auch für dieses Spargelfeld bei Darmstadt. (Foto: Fritz Greller-Grimm/​Wikimedia Commons)

Die Anzahl kleiner und mittlerer landwirtschaftlicher Betriebe sinkt, während die Fläche der verbleibenden Unternehmen stetig wächst. Dadurch gehen Arbeitsplätze verloren und der ländliche Raum verliert an Attraktivität. Derweil steigt die Nitratbelastung im Grundwasser und die Biodiversität nimmt rasant ab, während die Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft auf hohem Niveau stagnieren.

"Und dafür geben wir Milliarden aus", ärgert sich Hubert Weiger, Vorsitzender des Umweltverbandes BUND. Damit in Zukunft Agrarsubventionen sozialer und ökologischer eingesetzt werden können, hat der BUND gemeinsam mit der Heinrich-Böll-Stiftung und der Monatszeitung Le Monde diplomatique heute den sechsten "Agraratlas" veröffentlicht – wenn man die seit 2013 erschienenen Ausgaben des Fleisch- und Bodenatlas mitzählt. Mit dem ersten Bericht in dieser Form wollen die Umweltschützer auf die Missstände in der europäischen Landwirtschaftspolitik aufmerksam machen.

Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) macht mehr als ein Drittel des EU-Budgets aus und ist damit ein zentrales europäisches Projekt. Jeder Europäer zahlt dafür durchschnittlich 114 Euro Steuern im Jahr, damit stehen jährlich fast 60 Milliarden Euro zur Unterstützung der Landwirtschaft zur Verfügung.

Alle sieben Jahre wird die Höhe des Budgets neu festgelegt und entschieden, wie es eingesetzt werden soll. So auch in diesem Jahr. Doch Umwelt- und Klimaschützer sehen den Stand der Verhandlungen in Brüssel mit Sorge.

"Wir sind kurz davor, die Ausfahrt erneut zu verpassen. Dann würden wir weitere sieben Jahre verschenken", warnt Christine Chemnitz, Referentin für internationale Agrarpolitik bei der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung. Dabei hätten doch der Klimagipfel in Katowice und der Biodiversitätsgipfel der UN vor wenigen Wochen eindeutige Signale gegeben.

Unsozial und unökologisch

Mit nur geringen Auflagen werden bisher in der sogenannten "ersten Säule" der GAP rund 70 Prozent der Subventionen nach Hektar ausgezahlt. Belohnt wird also, wer mehr Fläche besitzt. "Die Flächenprämie ist unsozial und unökologisch", beschwert sich Chemnitz. In Deutschland kassiert dadurch ein Prozent der Betriebe 20 Prozent der Subventionen.

Laut dem Agrar-Atlas gab es im letzten Jahr verglichen mit 2010 in Deutschland 35.000 weniger Agrarbetriebe. Die verbleibenden Unternehmen würden immer größer. Viele Familienbetriebe könnten dem harten Wettbewerb nicht mehr standhalten. Fast drei Viertel der Befragten einer Forsa-Studie, die in den Agrar-Atlas integriert ist, meinen deshalb, kleinere Betriebe sollten stärker vom Staat unterstützt werden. Die EU-Subventionen in der derzeitigen Form seien dafür nicht geeignet.

Die zweite Säule der europäischen Agrarpolitik unterstützt die ländliche Entwicklung, den Ökolandbau und zusätzliche Umweltschutzmaßnahmen. Diesen Anteil möchte die EU-Kommission in ihrem vorgelegten Entwurf wesentlich stärker kürzen als die erste Säule – ein großer Fehler, finden nicht nur Umweltverbände.

"Eine klimafreundliche Landwirtschaft wird es nur mit einer anderen Agrarpolitik geben", sagt Chemnitz. Die Art und Weise, wie Landwirtschaft betrieben wird, entscheidet darüber, wie viele klimaschädliche Emissionen dabei entstehen, und genau das lässt sich durch Subventionen steuern.

Treibhausgase werden in der Landwirtschaft hauptsächlich durch Tierhaltung und Bodennutzung freigesetzt. Die Verdauung von Tieren sowie Mist und Gülle setzen klimaschädliche Gase frei. Beim chemischen Düngen von Böden wird das extrem starke Treibhausgas Lachgas emittiert.

Außerdem speichern landwirtschaftlich übernutzte Böden immer weniger Kohlenstoff in Form von organischer Substanz und verlieren damit neben ihrer Funktion als CO2-Senke auch ihre Fruchtbarkeit. Landwirtschaftlich genutzte Moorböden sorgen dabei für besonders viele Emissionen.

Leistungen für das Gemeinwohl honorieren

Die Autoren des Atlas halten nichts davon, die Subventionen gänzlich zu streichen. "Eine ökologische und soziale Landwirtschaft gibt es nicht zum Nulltarif", bekräftigt Böll-Expertin Chemnitz. Der Markt könne die für die Landwirte entstehenden Kosten nicht decken, deshalb sei steuerliche Unterstützung gefragt. Laut der Forsa-Umfrage ist auch der überwiegende Teil der Deutschen der Meinung, dass landwirtschaftliche Betriebe finanziell unterstützt werden sollten.

In Zukunft sollten nach Ansicht der Autoren mit den Steuergeldern Leistungen der Landwirtschaft honoriert werden, die für die gesamte Gesellschaft von Nutzen sind, wie der Klimaschutz oder die Erhaltung der Biodiversität. "Wir brauchen Geld für das Lebenserhaltende und nicht für das Lebenszerstörende", sagt BUND-Chef Weiger.

Die Umweltschützer fordern eine Agrarpolitik, die mit den anderen Zielen der EU im Einklang steht. Schließlich habe sich die EU zum Klimaschutz verpflichtet. "Doch wir machen in der Agrarpolitik genau das Gegenteil, indem wir Grünland abwerten und in Weideland umwandeln und intensivieren", erklärt Weiger. "Die Agrarpolitik konterkariert die EU-Klimaziele."

An der Landwirtschaft selbst würde ein sozial-ökologischer Wandel nach Einschätzung der Naturschützer nicht scheitern. Landwirte würden schließlich nur das umsetzen, was das politische Leitbild vorgibt, und sich an den Förderrichtlinien orientieren.

Zurzeit werde dabei eher Masse statt Klasse belohnt und damit Umweltverschmutzung und die Aushöhlung sozialer Strukturen billigend in Kauf genommen. Besonders der trockene Sommer habe vielen Landwirten die Realität des Klimawandels vor Augen geführt, sagt Weiger, der Handlungswille sei also da.

"Die Futtermittelindustrie stellt sich quer"

Die Bremser der Agrarwende säßen woanders: "An der Landwirtschaft wird mittlerweile wesentlich mehr verdient als in der Landwirtschaft", erläutert Weiger. Besonders die Futtermittelindustrie, mit etwas Abstand gefolgt von der Chemiebranche, profitiere vom industriellen Agrar-Business.

So schwierig wie die Verkehrswende sei die Agrarwende allerdings nicht, betont Christine Chemnitz. "Es gibt Geld, Strukturen und politische Instrumente. Es fehlt nur der politische Wille."

Die Entscheidung über die Reform der Agrarpolitik treffen die Landwirtschaftsminister der EU-Staaten und das Europäische Parlament, das im Mai neu gewählt wird. Ob erst die neu gewählten Abgeordneten oder noch ihre Vorgänger darüber abstimmen, hängt davon ab, wie schnell sich die Mitgliedsstaaten einigen.

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