Wird die Ampel-Regierung am Dienstwagen- oder Dieselprivileg rütteln? Das klingt utopisch. (Bild: Sascha Trunt/​Pixabay)

Wer im Medienbereich arbeitet und mit dem Wirtschaftsministerium zu tun hat, kennt das seit Jahren zur Genüge: Kritische Anfragen werden häufig gar nicht oder erst auf Nachfrage beantwortet – und dann oft so, dass die Auskünfte mehr Fragen aufwerfen als klären.

Unter Robert Habeck, dem grünen Minister, ist das nicht besser geworden. Einen besonders schweren Fall, um unliebsame News zu verhindern, hat jetzt die Deutsche Umwelthilfe (DUH) aufgedeckt. Es geht um den Bericht zur "Quantifizierung der Treibhausgaswirkung von staatlichen Begünstigungen in Deutschland".

Von mehreren Instituten erarbeitet, darunter Öko-Institut, Ifeu Heidelberg, Prognos und Fraunhofer ISI, rechnet die Studie zum ersten Mal aus, welche konkrete CO2-Wirkung die Finanzhilfen und Steuernachlässe haben, mit denen der deutsche Staat Unternehmen und Haushalte bedenkt.

Die Studienautoren schauten sich, basierend vor allem auf dem 28. Subventionsbericht, mehr als 110 Finanzhilfen und Steuernachlässe an, konkret für das Jahr 2020. Dass die Angaben damit etwas veraltet wirken, liegt aber nicht an den Instituten.

Denn die Klimareporter° vorliegende Studie von Öko-Institut und Co ist auf den 10. November 2023 datiert, wurde aber erst am heutigen Montag bekannt, also gut ein Dreivierteljahr später – und auch das offenbar nur, weil Umweltschützer hartnäckig danach fragten.

Die Deutsche Umwelthilfe wirft Wirtschaftsminister Habeck wie auch Finanzminister Lindner (FDP) in dem Zusammenhang sogar Vertuschung vor. Denn auf einen Informationsantrag der DUH habe das Wirtschaftsministerium entgegen der Sachlage mit der Behauptung reagiert, der Bericht liege noch nicht in der endgültigen Fassung vor. Erst nach Einleitung eines Rechtsverfahrens durch die Umwelthilfe sei die Studie dann öffentlich geworden.

"Überflüssige, unwirksame und klimaschädliche Subventionen"

Offensichtlich ist die Untersuchung über klimaschädliche Subventionen zu einer Zeit in Auftrag gegeben worden, als die Ampel Klimaschutz noch für ein Gewinnerthema hielt. Das hat sich spätestens 2023 mit der Debatte um das Heizungsgesetz, die Förderung der Erneuerbaren und das Verbrenner-Aus gründlich geändert.

Im Koalitionsvertrag hatte die Ampel noch die Idee, mit dem Abbau klimaschädlicher Subventionen auch Haushaltsprobleme zu lösen. So ist dort zu lesen: "Wir wollen zusätzliche Haushaltsspielräume dadurch gewinnen, dass wir im Haushalt überflüssige, unwirksame und umwelt- und klimaschädliche Subventionen und Ausgaben abbauen."

Über die möglichen Spielräume im Haushalt sprechen die Zahlen eine deutliche Sprache. 2020 hatten laut Studie die staatlichen Begünstigungen mit klimaschädlicher Wirkung einen Umfang von rund 35,8 Milliarden Euro, das waren gut zehn Prozent des Bundeshaushalts im Jahr 2020.

Der größte Batzen kam dabei mit 24,8 Milliarden Euro oder 69 Prozent dem Verkehr zugute – mit den üblichen Verdächtigen wie dem Diesel- und dem Dienstwagenprivileg sowie der Entfernungspauschale.

2020 war dabei, worauf die Studie hinweist, der Höhepunkt der Corona-Krise, als Wirtschaft und öffentliches Leben zeitweise heruntergefahren waren. Aus diesem Grund unterschätzen die Zahlen den wahren Umfang klimaschädlicher Subventionen. Alles in allem sorgen die Gelder für zusätzliche CO2-Emissionen von mehr als 150 Millionen Tonnen im Zeitraum von 2023 bis 2030, ermittelte die Studie. Die Finanzpolitik der Ampel heizt insofern das Klima weiter an.

Klimawirkung soll in den Subventionsbericht

Die Umweltverbände reagieren auf die Studie mit der erneuten Forderung, Subventionen wie das Dieselprivileg, die Entfernungspauschale und das Dienstwagenprivileg sofort abzuschaffen, um den Haushalt und das Klima zu entlasten.

"In der neuesten Haushaltseinigung muss die Bahn erneut herbe finanzielle Einbußen hinnehmen, dabei liegen die Möglichkeiten, Geld zu sparen und gleichzeitig Klimaschutz zu betreiben, den Ministern seit Monaten vor", kritisierte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Angesichts der eskalierenden Klimakrise sei es "unerträglich", wie Habeck und Lindner "den Koalitionsvertrag mit Füßen treten."

Die Klima-Allianz Deutschland, ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis, forderte die Bundesregierung ebenfalls auf, das riesige Einsparpotenzial im Haushalt zu nutzen. Noch im Jahressteuergesetz müsse Finanzminister Lindner die Weichen zu stellen, um die klimaschädlichen Subventionen abzubauen, verlangte Christiane Averbeck, Vorständin der Klima-Allianz. Zudem gehörten die Analysen zu klimaschädlichen Subventionen in den jährlichen Subventionsbericht.

Ergänzung um 20 Uhr: Eine Sprecherin von Wirtschaftsminister Habeck sagte zu der Studie, es gehe nicht darum, "Reformoptionen" daraus abzuleiten. Der Bericht könne jedoch eine Diskussionsgrundlage sein. Zugleich wies sie Kritik zurück, die Untersuchung sei bewusst monatelang zurückgehalten worden. Vielmehr habe sich die Verzögerung aus einem fachlichen Austausch ergeben, der "einige Zeit in Anspruch genommen" habe. 

 

Subventionen und Begünstigungen 2020 und zusätzlicher CO2-Ausstoß 2023 bis 2030

  • Energiesteuerbegünstigung für die Stromerzeugung: rund 1,6 Milliarden Euro, CO2-Mehrausstoß nicht genau zu beziffern
  • Förderabgabe für die Braunkohle: 148 Millionen Euro, CO2-Mehrausstoß nicht genau zu beziffern
  • Steuerbegünstigung für Energieerzeugnisse im inländischen Flugverkehr: 231 Millionen Euro, rund 2,5 Millionen Tonnen CO2
  • Dienstwagenprivileg: sechs Milliarden Euro, rund acht Millionen Tonnen
  • Dieselvergünstigung: 9,6 Milliarden Euro, 26 Millionen Tonnen
  • Entfernungspauschale: 5,3 Milliarden Euro, 16,5 Millionen Tonnen
  • Mehrwertsteuerbefreiung für internationale Flüge: eine Milliarde Euro, 1,2 Millionen Tonnen
  • Energiesteuerbefreiung für Kerosin auf Auslandsflügen: zwei Milliarden Euro, CO2-Mehrausstoß nicht genau zu beziffern
  • Stromsteuerbegünstigung für Unternehmen: mehr als drei Milliarden Euro, 25 Millionen Tonnen
  • Mehrwertsteuerermäßigung auf tierische Produkte: 4,3 Milliarden Euro, 17 Millionen Tonnen
  • Steuerbegünstigung für Agrardiesel: 410 Millionen Euro, eine Million Tonnen