Matthias Willenbacher. (Bild: Wiwin)

Immer wieder sonntags: Die Mitglieder unseres Herausgeberrates erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Matthias Willenbacher, Geschäftsführer der Plattform für nachhaltiges Investieren Wiwin.

Klimareporter°: Herr Willenbacher, der Haushaltsausschuss des Bundestages hat sich auf den Etat für 2024 geeinigt – mit abgeschwächten Kürzungen bei den Agrarsubventionen, einer höheren Flugticketsteuer und schmerzhaften Einschnitten im Klima- und Transformationsfonds, etwa bei den Geldern für natürlichen Klimaschutz. Ende gut, alles gut?

Matthias Willenbacher: Es ist schlecht und macht klimapolitisch keinen Sinn, klimaschädliche Subventionen unverändert zu erhalten, wie das Dienstwagenprivileg, die reduzierte Steuer auf Diesel oder die Befreiungen von der Kerosinsteuer und der Kfz-Steuer für landwirtschaftliche Fahrzeuge.

Und noch weniger Sinn macht es, als Teil der Gegenfinanzierung die Mittel für natürlichen Klimaschutz erheblich zu reduzieren, die etwa für die großflächige Wiedervernässung von Mooren oder die Reaktivierung von Flussauen benötigt werden.

Die Wetterextreme der letzten Jahre, wie Dürren oder Überschwemmungen, haben gezeigt, dass die Folgen der Erderhitzung auch die Landwirtschaft in großem Ausmaß betreffen. Effektiver Klimaschutz ist für die Landwirt:innen also elementar.

Die Bauernproteste müssen wir ernst nehmen. Aber nicht als Protest gegen eine für sich genommen ziemlich kleine "Belastung", sondern als Ausdruck der langjährigen Krise der Landwirtschaft.

Was wir brauchen, ist eine stimmige, zukunftsorientierte Landwirtschaftspolitik, die den Landwirt:innen ein planbares Einkommen sichert, Natur- und Umweltschutz honoriert und den Anforderungen des Klimaschutzes entspricht.

Die diskutierte Tierwohlabgabe wäre ein Schritt in die richtige Richtung, genauso wie die Fördermittel für den natürlichen Klimaschutz zu erhalten, statt die Subventionskürzungen vollständig zurückzunehmen.

Es bringt weder der Landwirtschaft noch dem Klimaschutz was, wenn beides gegeneinander ausgespielt wird.

Entgegen der Zusage im Koalitionsvertrag, ein "Klimageld" zu entwickeln, hat die Ampel das Projekt für diese Legislatur de facto beerdigt und die Auszahlung auf 2027 verschoben. Ist das der letzte Sargnagel für einen gerechten Klimaschutz in Deutschland?

Das Klimageld ist das wichtigste Symbol für einen sozial verträglichen Klimaschutz. Es steht dafür, dass Maßnahmen zum Klimaschutz die Menschen nicht nur belasten, sondern dass es einen finanziellen Ausgleich gibt.

Diese Funktion erfüllt es auch dann, wenn es pauschal pro Kopf ausgezahlt wird und nicht nach Bedürftigkeit. Aber wenn man den Auszahlungsmechanismus erstmal hat, ist im zweiten Schritt auch eine gezielte Förderung möglich.

Die Absage jetzt stärkt nur diejenigen, die den Klimaschutz als bloße Belastung für die Bürgerinnen und Bürger darstellen und alle Maßnahmen zurücknehmen wollen.

Jetzt braucht es den Druck der Klimaschutzbewegung, aber auch innerhalb der Grünen und der SPD, auf den renitenten Koalitionspartner FDP einzuwirken. Keine leichte Aufgabe, aber ich will die Hoffnung auf einen Restfunken volkswirtschaftlichen Verstandes bei der selbsternannten Partei der Wirtschaft nicht aufgeben.

Was in der dem Sozialismus eher unverdächtigen Schweiz bereits funktioniert, kann auch in Deutschland kein No-Go sein.

Die Argumentation der FDP, dass alle Klimaschutzmaßnahmen und das Klimageld allein über die CO2-Bepreisung finanziert werden sollen, wird der Größe der Aufgabe in keiner Weise gerecht.

Nimmt man die Schätzungen für den Investitionsbedarf der nächsten Jahre ernst, müsste der CO2-Preis sich vervielfachen, um entsprechende Summen einzunehmen.

Gleichzeitig würde der Druck drastisch steigen, für Menschen mit einem geringen Einkommen einen sozialen Ausgleich zu schaffen.

Egal, wie man es wendet, der gesetzte Rahmen ist zu klein und es wird entweder das Geld für die Investitionen oder für den sozialen Ausgleich fehlen.

Das heißt: Wir brauchen andere Finanzierungsquellen, was wiederum höhere Einnahmen über Steuern oder eine Kreditaufnahme für gezielte Investitionen bedeutet.

Will die FDP die Erderhitzung ernsthaft stoppen und den Frieden in der Gesellschaft erhalten, wird sie ihre Haltung in einem von beiden Punkten verändern müssen, wahrscheinlich sogar bei beiden.

Also: Wir alle sollten nicht lockerlassen. Die Regierung und sogar die FDP kann ihre Meinung bekanntlich ändern.

Der Bundestag beriet letzte Woche über eine Vorlage aus dem Justizministerium, um die Stromerzeugung durch Steckersolargeräte in den Katalog erlaubter baulicher Veränderungen durch Mieter aufzunehmen. Damit sollen die Regelungen für Balkonkraftwerke im Mietrecht und im Wohneigentumsrecht angeglichen werden. Fällt damit nun die letzte Hürde für den massiven Einsatz von Klein-Solaranlagen?

Ja – vorausgesetzt, dass das BGB – für die Mieter:innen – und das Wohnungseigentumsgesetz bald geändert sind und auch das Solarpaket eins mit seinen Erleichterungen für die Steckersolargeräte endlich in Kraft tritt. Wahrscheinlich wird alles noch bis Ostern dauern.

Dabei wird die Kluft zwischen Praxis und Gesetzeslage jeden Tag größer. Die Dinger sind so praktisch und populär, dass viele Anwender:innen die Gesetzeslage und auch die technischen Empfehlungen des VDE einfach "entspannt" ignorieren. Also – es ist höchste Zeit für eine praxistaugliche Gesetzeslage und Normierung.

Ich wette, dass bald auch zahlreiche Klimaschutzgegner:innen klammheimlich die Steckersolaranlage auf dem Balkon aufstellen, einstöpseln und sich über eine geringere Stromrechnung freuen.

Und was war Ihre Überraschung der Woche?

Das hat nur auf den zweiten Blick mit Klima und Energie zu tun: Die Zivilgesellschaft steht gegen rechts auf.

Landauf, landab gehen die Leute gegen rechtsextremes Gedankengut und speziell gegen die AfD auf die Straße, nachdem deren rassistisch-menschenverachtender Kern bei dem von Correctiv publik gemachten Treffen zwischen Neonazis und AfDlern in Potsdam offenkundig wurde.

Die Proteste dagegen sind gut – und bitter nötig angesichts der wirklich hochgradig akuten Gefahr, die hier für unsere Demokratie droht.

Ich fände es fantastisch, wenn diese geballte Power von Bürgerinnen und Bürgern sich nun endlich auch beim Ausbau der erneuerbaren Energien und der Wärmewende voll entfalten könnte.

Das Bundeswirtschaftsministerium meint es zwar ernst mit der Strom- und Wärmewende, aber zu oft herrscht dort noch die Überzeugung, dass "die Experten" das alleine hinbekommen.

Bürgerbeteiligung wird zwar als wichtiges Instrument in der Energiewende betrachtet, aber nicht als strategischer Hebel, der das Vertrauen in die Demokratie vor Ort stärken kann.

Professionell durchgeführte Beteiligungsverfahren mit echter Mitsprache und an die Bedürfnisse der Menschen angepasster finanzieller Beteiligung müssen bei jedem Erneuerbaren-Projekt Standard werden.

So werden die Menschen Teil der Energiewende und keine Gegner. Es wäre fatal, wenn die Bevölkerung nicht mitmachen darf und sich so bei vielen der Eindruck breitmacht, Klimaschutz sei eine Bedrohung ihrer Lebenswelt.

Die von Union und FDP populistisch und faktenfrei geführte Diskussion über das Heizungsgesetz hat gezeigt, wie schnell Menschen verunsichert werden und Gewissheiten ins Wanken geraten können. Am Ende stand für viele die Gleichung: Wer seinen Heizungskeller beschützen will, sollte die AfD wählen.

 

Bürgerenergie muss endlich Mainstream in der Energiewende werden und nicht schmückendes Beiwerk. Wer mitentscheiden, mitmachen und mitverdienen darf, erfährt Selbstwirksamkeit und kann das Beste für sich und seine Kommune erreichen.

Dafür braucht es eine Bürgerenergie-Strategie der Bundesregierung, die alle Hindernisse und Wege zu deren Beseitigung klar benennt und die konsequent umgesetzt wird.

Bürgerwind- und -solarparks gegen rechts! Das ist doch ein schöner Gedanke und ein schönes Motto für das neue Jahr.

Fragen: Jörg Staude