Großer Solarpark entlang der Autobahn A24 in Mecklenburg-Vorpommern, kurz vor der Grenze zu Schleswig-Holstein.
Solarpark an der Autobahn bei Lüttow-Valluhn: Die Gemeinde will die Energiewende mitgestalten. (Foto: Schoenergie GmbH)

Fährt man die Autobahn A24 vom Abzweig Wittstock in Richtung Westen, reihen sich Solarparks wie ein Spalier links und rechts der Fahrbahn aneinander.

Kontaminiert von Lärm und Schadstoffen des Verkehrs, gelten Flächen neben Autobahnen im Genehmigungsdeutsch als benachteiligte Gebiete, die im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) bevorzugt behandelt werden.

15 Meter von der Fahrbahn entfernt beginnt der Raum, in dem aktuell die meisten neuen Solarparks gebaut werden. 200 Meter dürfen sie derzeit in die Landschaft hineinragen.

Dementsprechend blinkt und glitzert es entlang der A24 nur so. Kurz vor der Grenze zu Schleswig-Holstein gelangt man nahe der westmecklenburgischen Gemeinde Lüttow-Valluhn zum ersten Autobahn-Solarpark, der die Kraftfahrzeuglenker sogar mit einem 2,80 Meter hohen, ziemlich teuren Blendschutz vorm Geblendetwerden bewahrt.

Gegenüber vergleichbaren Projekten haben die Module auch einen geringeren Anstellwinkel von nur 15 Grad. Damit sind sie dann nur 2,50 Meter hoch und hinter dem Blendschutz nicht zu sehen. Mit den Autofahrern geht der Solarpark total fair um.

Der 14-Megawatt-Park steht auf 15 Hektar ehemaligen Ackers. Entwickelt wurde er von der neuen Naturstrom-Tochter Naturenergy. Kosten: rund neun Millionen Euro.

Der Solarpark ist EEG-gefördert, er hatte erst im November 2021 den Zuschlag in einer Ausschreibung der Bundesnetzagentur erhalten. Die Projekte können im Schnitt mit fünf Cent EEG-Zuschuss pro Kilowattstunde rechnen.

Naturstrom verkauft den Strom aber über die sogenannte Marktprämie, alles andere wäre angesichts der aktuellen Strompreise auch ziemlich verrückt. Den gesetzlichen Zuschuss kann sich das EEG‑Konto zugleich sparen.

Der Bau der Anlage selbst dauerte nur drei Monate, berichtet Solarpark-Geschäftsführer Stephan Riedel bei der Inbetriebnahme. Größtes Hindernis war dabei ein Turmfalke. Der hatte sich ausgerechnet in einem Mast der über den Solarpark führenden Stromtrasse eingerichtet. Um das Nest des Falken wurde dann fairerweise mit gebührendem Abstand herumgebaut.

Gemeinde ließ nicht locker

Eigentlich aber reicht die Geschichte des Solarparks mehr als zehn Jahre zurück. Schon 2010 wollte Lüttow-Valluhn ein Bioenergiedorf werden, erinnert sich Bürgermeister Marko Schilling bei der Eröffnung. Dazu lud man sich ins Dorf ein, was Rang und Namen hatte, es gab Potenzial- und Machbarkeitsstudien.

Am Ende stand ein Konzept mit Solarstrom, Biogas, Wasserkraft und – inzwischen umstrittenen – Holzhackschnitzeln. "Wir waren sehr euphorisch, aber dann kam uns der Weltmarkt dazwischen", erzählt Schilling rückblickend. Wer wollte schon Bioenergie, wenn der Erdgas-Preis derart in den Keller rauscht.

Aber die Gemeinde ließ nicht locker. Neue energetische Basis sollte nun ein Kommunal-Windpark werden. Links und rechts auf der benachteiligten Autobahnfläche sollten sich laut der Planung neun Windräder mit je 2,5 Megawatt Nennleistung drehen.

Um sich daran zu beteiligen, gründete die Kommune eigens eine GmbH. Doch auch das Windkraft-Projekt wurde von heute auf morgen auf Eis gelegt. Ein Seeadler war aufgetaucht. Keine wirkliche Überraschung: Kurz hinter Lüttow-Valluhn beginnen Naturschutzgebiete rund um den Schaalsee mit einer stabilen Adlerpopulation.

Dann war erstmal Pause, bis der umtriebige Bürgermeister in Kontakt zu Naturstrom und zur Idee mit dem Solarpark kam. Die Gemeinde holte auch ihre Beteiligungs-GmbH wieder aus der Schublade. Sie soll 20 bis 25 Prozent an der Betreibergesellschaft des Solarparks übernehmen – derzeit eine echte Seltenheit bei deutschen Freiflächen-Projekten.

Das Beteiligungs-Modell erscheint in der Region fairer, denn sich direkt in solche Projekte einzukaufen, können sich nur wenige Bürger:innen leisten. Bei einem nahegelegenen Windpark soll es, wie zu hören war, nur einen einzigen Mecklenburger gegeben haben, der mehrere tausend Euro für die Beteiligung auf den Tisch legen konnte.

Von der Park-Beteiligung wird Lüttow-Valluhn erst später profitieren, ebenso von den Gewerbesteuerzahlungen, die anfallen, weil die Betreibergesellschaft ihren Sitz in der Gemeinde hat.

Am meisten nähme die Gemeinde im Moment ein, würde der Solarpark auf ihrem Grund und Boden stehen. Dann würden pro Hektar 2.500 bis 3.000 Euro jährliche Pacht fällig. Das sind, wie zu hören ist, die derzeit üblichen Werte in der Region. Der Ex-Acker an der Autobahn gehört allerdings dem örtlichen Kieswerk, das sich nun über die Pacht freuen kann.

Ein Stück vom Kuchen abgeben

Auf jeden Fall erhält die Gemeinde von jeder Solarpark-Kilowattstunde 0,2 Cent als Abgabe – eine Kann-Bestimmung im EEG, der Naturstrom auch folgt.

Zusätzliche Kosten entstehen dem Solarpark durch die 0,2 Cent aber nicht. Das Geld wird dem Betreiber aus den Netzentgelten erstattet, die von den Stromkunden zu zahlen sind. Genau besehen werden hier also Gelder von Strombeziehern in die Gemeindekasse umverteilt.

Bei einer geplanten jährlichen Erzeugung von rund 14 Millionen Kilowattstunden kann die Gemeinde rund 28.000 Euro erwarten. Das ist für Lüttow-Valluhn – die Gemeinde verfügt über einen jährlichen Millionen-Etat – eher nur ein Zubrot, das aber einen unschätzbaren Vorteil hat: Die Gemeinde kann das Geld ausgeben, wofür sie will.

Die Pläne vom Bürgerenergiedorf hat Schilling nach wie vor im Kopf. Hinterm Solarpark ist genügend Platz für dessen Erweiterung, ein naher See lädt ein, über moderne Energiespeicherung nachzudenken.

Mit Naturstrom ist der Bürgermeister vollauf zufrieden. Von Anfang an sei die Kommune gut ins Projekt integriert worden – in einem fairen und ausgewogenen Dialog.

Zum Miteinander gehöre nicht nur, was man in Verträgen festschreibe, es komme auch auf Vertrauen und Mut an, sich auf so eine Partnerschaft einzulassen, beschreibt Naturstrom-Manager Stephan Riedel seine Sicht. "Man muss als Projektpartner auch bereit sein, ein Stück vom Kuchen abzugeben, transparent zu sein, weiter als bis zur Baugenehmigung oder zur Inbetriebnahme zu denken."

Tatsächlich scheint so ein Projekt auf Augenhöhe in der Region eher die Ausnahme zu sein. Viel häufiger ist von Solarparks zu hören, deren Betreiber nicht einmal eine Telefonnummer angibt, oder von Windparks, die auch nach 20 Jahren Betrieb noch nicht einen Cent Gewerbesteuer an die Gemeinde gezahlt haben.

Redaktioneller Hinweis: Naturstrom-Vorstand Oliver Hummel ist Mitglied im Herausgeberrat von Klimareporter°.

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