Ein mehrstöckiger Altbau und daneben ein modernes Haus, beide mit Balkons, im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg.
Deutschland hat Millionen Balkons, die Solarstrom erzeugen könnten, es aber nicht tun. (Bild: Jens Ickler/​Elxeneize/​Shutterstock)

Klimareporter°: Frau Metz, wer sich in Berlin als Mieter ein vom Land gefördertes Balkonkraftwerk zulegen will, erhält unter Umständen ein Schreiben seines Vermieters mit mehr als einem Dutzend Auflagen. Im Kern wird darin die gesamte Verantwortung für Installation, Betrieb und Rückbau der Anlage auf den Mieter abgewälzt. Dieser erfährt nicht einmal, ob die Fassade für ein Balkonkraftwerk statisch geeignet ist. Das ist doch maximal abschreckend, oder?

Barbara Metz: Ja, absolut, und auch maximal absurd. Leider scheint das im Moment bei den meisten großen Wohnungsunternehmen das Standardvorgehen zu sein: entweder Balkonkraftwerke direkt zu verbieten oder aber auf Zeit zu spielen und unsinnige Gutachten einzufordern.

Darauf läuft es nämlich hinaus, wenn man den offiziellen Empfehlungen des Justiziars des Verbandes Norddeutscher Wohnungsunternehmen folgt.

Aktuell hören wir von Beschwerden vieler Mieter:innen darüber. Gegen diese offensichtliche Blockade der Wohnungswirtschaft werden wir mit einer Musterklage vorgehen.

Und was die Fassade betrifft: Grundsätzlich muss der Vermieter die statische Tragkraft nachweisen – ansonsten dürfte der Balkon gar nicht vermietet werden.

Die Auflagen von Vermietern gehen teilweise über die gesetzlichen Anforderungen hinaus. So wird die Installation durch ein zertifiziertes Fachunternehmen verlangt, das beim örtlichen Netzbetreiber registriert ist. Auch behalten sich die Vermieter eine Endabnahme vor Ort vor. Haben sie Angst von Solargeräten, die weniger Leistung haben als ein Wasserkocher oder eine Waschmaschine?

Leider gibt es immer wieder Stimmen, die unnötig Angst vor den Minikraftwerken schüren. Denn egal, ob es um Steckersolargeräte oder professionell installierte Photovoltaikanlagen geht: Es dürfen nur normgemäß hergestellte und geprüfte Bauteile verwendet werden. In Steckersolargeräten werden die gleichen Komponenten verwendet wie in Photovoltaikanlagen.

Und für die Anbringung braucht es unserer Ansicht nach nun wirklich keine Fachfirma – einfach einhängen und fixieren.

Angesichts von bereits 230.000 registrierten Balkonkraftwerken in ganz Deutschland – wir gehen von schätzungsweise insgesamt einer halben Million aus – ist die Haltung der Wohnungswirtschaft nicht wirklich nachvollziehbar.

Bisher wurde weder von Sachschäden noch von verletzten Personen berichtet. Statt die Steckersolargeräte einfach pauschal abzulehnen, sollten die Vermieter lieber konstruktiv nach praktikablen Lösungen für die unterschiedlichen Gegebenheiten in den Wohnungsbeständen suchen.

Verlangt wird von Mietern auch der Nachweis einer ausreichenden Hausratversicherung. Zum einen fragt sich da, ob Versicherer Solarsteckgeräte zum Hausrat zählen, zum anderen gehört eine Hausratversicherung nicht zwingend zu den Voraussetzungen, um eine Wohnung mieten und nutzen zu können. Wie kann man sich hier verhalten?

Zunächst einmal können Vermieter nicht verlangen, dass eine Hausratsversicherung abgeschlossen wird. Ob und wie Mieter:innen ihre persönlichen Gegenstände versichern, ist ihre Entscheidung.

Wir raten allerdings dazu, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen. Schäden, die durch das Balkonkraftwerk möglicherweise entstehen, werden dadurch gedeckt. Der Großteil der Mietenden verfügt ohnehin über so eine Versicherung.

Angesichts des jetzt von der Bundesregierung beschlossenen Solarpakets weist Ihre Organisation darauf hin, dass viele Balkonkraftwerksprojekte an der Zustimmungspflicht scheitern – eben wegen absurder Forderungen von Eigentümergemeinschaften, Vermietern oder Hausverwaltungen, die die Installation unnötig umständlich und teils auch wirtschaftlich unrentabel machen. Wie reagieren denn betroffene Wohnungs- und Eigentümerverbände auf Ihre Kritik?

Foto: Stefan Wieland

Barbara Metz

Die studierte Politologin und Soziologin ist Bundes­geschäfts­führerin der Deutschen Umwelt­hilfe. Zuvor baute sie bei der Organisation den Bereich Energie­effizienz auf.

Wir haben tatsächlich positive Rückmeldungen vernommen: Auch die Wohnungs- und Eigentümerverbände sind an guten und transparenten Rahmenlinien für die Nutzung der Solargeräte interessiert. Wir halten auch nicht viel davon, wenn jeder sein eigenes Süppchen kocht.

Deshalb pochen wir darauf, dass das in einem Referentenentwurf geplante Mitspracherecht der Mietenden bei solchen Fragen ausbuchstabiert wird. Wir unterstützen auch zwei Mietende bei ihrer Klage gegen die eigene Hausverwaltung. Ziel ist ein Grundsatzurteil, damit Mieter:innen sich endlich unkompliziert an der Energiewende beteiligen können.

Der erwähnte Referentenentwurf aus dem Bundesjustizministerium sieht vor, die Installation von Steckersolargeräten in die Liste sogenannter privilegierter baulicher Veränderungen aufzunehmen.

Wohnungseigentümer könnten dann gegenüber der Eigentümerversammlung und Mieter gegenüber dem Vermieter verlangen, dass ihnen die gegebenenfalls notwendige bauliche Veränderung zur Installation des Geräts gestattet wird. Reicht diese Veränderung aus, um die Blockadehaltung der Wohnungsgesellschaften aufzulösen?

Das reicht eben leider noch nicht. Das geplante Mitspracherecht ist bisher noch zu unkonkret. Wir begrüßen zwar die Vorschläge von Bundesjustizminister Buschmann zur Anpassung der Zustimmungspflicht, aber er muss hier dringend nachbessern.

Zum einen gilt es stärker auszuführen, wie weit das Mitsprachrecht gehen darf. Zum anderen muss die sichtbare Montage von Steckersolargeräten gesetzlich erlaubt werden – sie ist kein baulicher Eingriff.

Ganz grundsätzlich müssen die Interessen der Eigentümer gegen die zum Ausbau der Erneuerbaren und des Klimaschutzes abgewogen werden. Diese Auffassung teilt auch das Bundesverfassungsgericht mit dem wegweisenden Klima-Urteil vom April 2021.

Steuert Minister Buschmann nicht nach, stehen viele Betroffene wieder am Anfang und werden weiter mit überzogenen Forderungen schikaniert. Diese Diskussionen können sich noch über Jahre ziehen, werden weiter für große Unsicherheiten sorgen und unnötig Ressourcen binden.

 

Müsste es nicht so sein, dass zum Beispiel Wohnungsgesellschaften und Solarfirmen eher auf Mieter zugehen und sie informieren, ob ein Haus für Balkonkraftwerke geeignet ist, und vielleicht sogar die Möglichkeit eröffnen, sich so eine Anlage zu mieten, praktisch als Teil der Wohnungseinrichtung? Dann müsste die Anlage bei Auszug auch nicht rückgebaut werden.

Eine dauerhafte Montage von Balkonkraftwerken inklusive ihrer Aufnahme in den Mietvertrag kann bei passenden Rahmenbedingungen eine super Lösung sein und vor allem eine kurzfristige. So werden die Mieter:innen aktiv in die Energiewende eingebunden.

Genau daran arbeiten wir gerade mit einem kommunalen Wohnungsunternehmen. Denn derzeit fehlt es an Pilotprojekten und Best-Practice-Beispielen vor allem in mehrgeschossigen, diversen Wohnungsbeständen, in denen Mietende, Vermieter und Kommunen an einem Strang ziehen, gemeinsam Lösungen für die jeweiligen Ausgangsbedingungen finden und so bestehende Vorurteile aus dem Weg räumen.

Balkonkraftwerke dürfen nicht länger unter dem Radar der Wohnungswirtschaft fliegen, sondern müssen jetzt zum neuen Standard werden.