Immer wieder sonntags: Die Mitglieder unseres Herausgeberrates erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Michael Liesner-Düning, Koordinator für Klima- und Energiepolitik beim Ökostrom-Versorger Lichtblick.
Klimareporter°: Herr Liesner-Düning, die Verwendung nicht benötigter Corona-Kredite für den Klima- und Transformationsfonds der Bundesregierung widerspricht der Schuldenbremse, urteilte diese Woche das Bundesverfassungsgericht.
Der Ampel fehlen nun 60 Milliarden Euro in dem ohnehin schon überzeichneten Fonds. Wo würden Sie das fehlende Geld auftreiben?
Michael Liesner-Düning: Wo das Geld aufgetrieben wird, ist eine wichtige Frage. Noch wichtiger ist allerdings, dass es zügig aufgetrieben wird. Die Unternehmen, die in Richtung Klimaschutz und Transformation unterwegs sind, sind an vielen Stellen jetzt auf Geld aus dem Klimafonds angewiesen, weil sie Investitionen anstoßen wollen.
Es hilft daher nicht, wenn es irgendwann in ein paar Jahren kommt. Die Verlässlichkeit von politischen Entscheidungen ist gerade keine Stärke der Ampel. Aber genau auf diese Verlässlichkeit kommt es in den nächsten Monaten an. Ansonsten werden die meisten Unternehmen keine Investitionen in Deutschland tätigen.
Ich denke, dass der verfassungswidrige Haushalt von Christian Lindner eine echte Bewährungsprobe für die Ampel wird, obwohl es relativ einfache und sinnvolle Möglichkeiten gibt, Geld für Klimaschutzmaßnahmen aufzutreiben. Das Umweltbundesamt hat vor zwei Jahren eine Studie veröffentlicht, in dem von etwa 65 Milliarden Euro umweltschädlicher Subventionen pro Jahr die Rede ist.
Dazu zählen die Subvention von Diesel, das Dienstwagenprivileg und so weiter. Wenn man diese umweltschädlichen Subventionen zurückfahren würde, hätten wir einen doppelten Nutzen.
In einer Anhörung im Bundestag lobten Verbände und Sachverständige das Solarpaket der Ampel, mahnten aber Nachbesserungen an. Solarprojekte sollten vor allem auf versiegelten Flächen wie Dächern vorangetrieben und Gemeinden gesetzlich an Solarparks beteiligt werden. Gewerbliche Immobilienbesitzer sollten stärker zu Photovoltaik-Investitionen bewegt und die Netze beschleunigt ausgebaut werden. Haben Sie auch eine Wunschliste?
In der Photovoltaik ist die Ampel, vor allem das Wirtschaftsministerium, auf einem sehr guten Weg. Dass es Wünsche nach diesem oder jenem gibt, kennt man seit vielen Jahren. Häufig werden in den Anhörungen auch sinnvolle Dinge vorgebracht.
Wichtig ist, dass wir überall – egal, ob auf Häusern, an Lärmschutzwänden oder auch auf der grünen Wiese – weitere Solaranlagen bauen. Alles, was da hilft, ist erst mal gut. Allerdings wird der verkleinerte Klimafonds so manche Idee in sich zusammenfallen lassen.
Bei der Betrachtung des Fortschritts der Energiewende kommt ein Aspekt viel zu kurz: das Verteilnetz.
Wir haben sehr gute Ansätze zur Beschleunigung von Genehmigung und Planung bei Wind- und Solarprojekten. Bei der Photovoltaik sehen wir auch durchschlagende Erfolge im Ausbau. Das Problem ist aber, dass die Verteilnetze einen Bottleneck bilden werden.
Schon jetzt verhindern fehlende Standardisierung und Digitalisierung einen zügigen Anschluss und eine schnelle Umsetzung von Projekten. In Zukunft kommt aber noch dazu, dass die Verteilnetze nicht ausreichend ausgebaut sein werden, um die neuen Mengen an Strom aufzunehmen und zu transportieren.
Das muss der absolute Fokus der nächsten Monate sein. Die Regierung muss aus den 900 Verteilnetzbetreibern mit jeweils eigenen Regeln und Formularen eine handhabbare Gruppe bilden.
Die großen unter diesen Netzbetreibern sollten eine regionale Verantwortung für Digitalisierung und Standardisierung bekommen und notfalls als Dienstleister für kleinere auftreten. Das funktioniert bei den Regionalszenarien, die die Verteilnetzbetreiber veröffentlicht haben, auch schon.
Und dann ist es zwingend notwendig, den Ausbau der Verteilnetze jetzt zu beschleunigen. Anderenfalls holt uns der Erfolg beim Erneuerbaren-Zubau sehr schnell ein.
Bundesregierung und Ferngasbranche treiben die Planung eines bundesweiten Wasserstoff-Kernnetzes von 9.700 Kilometern voran. Das soll fast 20 Milliarden Euro kosten und mit staatlichen Garantien von der Branche umgesetzt werden. Werden künftig auch Kraftwerksanlagen von Lichtblick am H2-Netz hängen?
Ich würde mir keinen Blick ins Jahr 2032 zutrauen und voraussagen, welche Anlage dann an welchem Netz hängt. Diese Woche hat ja gezeigt, wie unvorhersehbar Politik sein kann und wie schnell sich Dinge ändern können. Ob wir 2032 tatsächlich knapp 10.000 Kilometer Wasserstoffnetz haben, sei mal dahingestellt.
Ich hoffe, dass grundsätzlich keine kleinen Endverbraucher an das H2-Netz angeschlossen werden, sondern klar ist, dass Wasserstoff nur für die Bereiche genutzt wird, in denen eine Elektrifizierung nicht sinnvoll ist. Damit wäre der Energiewende und auch ihrer Finanzierung schon sehr geholfen.
Und was war Ihre Überraschung der Woche?
Das waren die Reaktionen auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zum Klima- und Transformationsfonds. Das Urteil an sich war schon ein großer Schock, weil die Entscheidung wie gesagt bei den Unternehmen für große Unsicherheit sorgt.
Aber die Reaktionen fand ich tatsächlich überraschend. An manchen Stellen wirkte es, als hätten FDP und Union gemeinsam gegen eine Schandtat der Regierung geklagt und gewonnen. Verantwortliche der FDP klangen erleichtert, dass die Schuldenbremse gerettet und beschützt worden sei.
Und das finde ich ehrlich gesagt absurd, denn der zuständige Minister für den Haushalt und auch für die Zusammensetzung des Fonds ist bekanntermaßen Chef der FDP, Christian Lindner. Jetzt so zu tun, als hätte das Gericht grüne Träumereien beendet und beerdigt, finde ich absurd.
Ich hoffe, nicht zum ersten Mal, dass sich die Parteien der Ampel zusammenreißen und sich genau überlegen, was jetzt sinnvoll für die Transformation der Industrie, die Zukunft des Landes, vor allem aber für das Klima ist.
Der Anfang der Koalition erschien vielversprechend für Transformation und auch Klimaschutz. Davon ist jetzt, auch mit dem Schrumpfen des Klimafonds, nicht mehr viel zu sehen.
Fragen: Jörg Staude